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Wenig Geld, viel PapierkramKann man die Hälfte der Abgaben in Deutschland streichen?

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Viele kleine Steuern sorgen für viel Papierkram auf den Ämtern.

Viele kleine Steuern sorgen für viel Papierkram auf den Ämtern. 

Die zehn kleinsten deutschen Steuern bringen dem Staat nur 0,07 Prozent der Einnahmen – Experten warnen: Der Verwaltungsaufwand könnte höher sein als der Ertrag.

Das deutsche Steuersystem ist kompliziert. Die juristische Literatur zu dem Thema füllt hunderte Regalmeter und arbeitet mit esoterischen Begriffen wie Günstigerprüfung und Verlustvortrag.

Unter dem Strich stehen dabei 40 Steuern. Dabei entfällt der Großteil der Einnahmen auf wenige Batzen: Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer sind allein für rund drei Viertel der Einnahmen verantwortlich. Viele kleinere Steuern bringen dem Staat hingegen nur Kleckerbeträge ein – trotz großem Aufwand.

0,4 Prozent der Einnahmen2024 haben die zehn kleinsten Steuern in Deutschland durchschnittlich 631,7 Millionen Euro für Bund, Länder und Kommunen eingebracht. Das mag sich viel anhören, aber ist nur ein verschwindend geringer Anteil (0,07 Prozent) des gesamten Aufkommens von 948 Milliarden Euro in 2024. Die zwanzig kleinsten Steuern haben zusammen immerhin 3,7 Milliarden Euro oder 0,4 Prozent der Einnahmen eingebracht. Doch diese verschwindend geringen Summen sind mit einem beträchtlichen Verwaltungsaufwand verbunden. Wie hoch dieser Aufwand genau ist, lässt sich jedoch schwer beziffern.

„Systematisch erhobene Kennzahlen der Erhebungseffizienz von Steuern, die sich in die angefragten Kostenarten unterteilen lassen, liegen nicht vor“, antwortet das Finanzministerium auf der Plattform „Frag den Staat“. Diese würden nur im Rahmen eines neuen Gesetzes für den Normenkontrollrat ermittelt. Das geschieht jedoch erst seit 2006, während die meisten Bagatellsteuern bereits deutlich älter sind.

Kennen Sie die Schankerlaubnissteuer?

Einer, den das kleinkarierte Steuersystem schon lange stört, ist Paul Kirchhof. Der ehemalige Verfassungsrichter hat einst Angela Merkel in Steuerfragen beraten und wurde im Bundestagswahlkampf vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder als weltfremder und herzloser „Professor aus Heidelberg“ verschmäht. Kirchhof ist sich sicher: „Wenn man die Kosten für Bürger und den Staat zusammen nimmt, kosten diese Kleinststeuern wahrscheinlich mehr, als sie einbringen“ sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch selbst dem berühmten Staats- und Steuerrechtler sind keine genauen Zahlen bekannt.

Ein Beispiel für diesen Verwaltungsaufwand ist etwa die kleinste Steuer. Die Schankerlaubnissteuer, die Kneipen, Bars und andere Etablissements, die alkoholische Getränke verkaufen, aufbringen müssen, bringt den deutschen Kommunen ungefähr 157.000 Euro ein. Jede Kommune muss sich eine eigene Satzung überlegen, um diese Steuer zu erheben. Und zwar mit beträchtlichen Unterschieden. So können die Kommunen sich nicht mal darauf einigen, was da genau besteuert wird. Vom Umsatz über das verkaufte Getränke-Volumen bis hin zur Lokalfläche gibt es zahlreiche Varianten. Weil die Steuer überall anders funktioniert, muss auch jedes Mal ein eigenes Computersystem und ein eigener Prozess entwickelt werden, um die Steuer zu erheben. Gastwirte, die in mehreren Kommunen tätig sind, müssen sich zudem in jedes dieser oftmals nicht ganz unkomplizierten Systeme eindenken.

Alkopop-Steuer bringt Millionen

Eine weitere Bagatellsteuer ist hingegen Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden: Die Alkopop-Steuer. Die Steuer beträgt 5550 Euro pro Hektoliter purem Alkohol in diesen Getränken. Bei einer handelsüblichen Flasche mit 5,5 Prozent Alkohol macht das etwa 84 Cent pro Flasche.

Der Bund profitierte 2024 mit 1,38 Millionen Euro von der Steuer. Eingeführt wurde diese 2004 freilich nicht, um Löcher im Staatshaushalt zu füllen, sondern um zu verhindern, dass Jugendliche sich mit den süffigen Getränken ins Koma trinken. Der Konsum und damit die Steuereinnahmen sind deutlich zurückgegangen. Soweit sogar, dass der Bund im Jahr 2021 mehr rückerstatten musste, als eingenommen wurde und 5,3 Millionen Euro Verlust gemacht hat.