Menschen mit Behinderungen haben auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor deutlich schlechtere Chancen. Das ist das Ergebnis des am Donnerstag vorgestellten Inklusionsbarometers von Aktion Mensch.
Aktion MenschMenschen mit Behinderung haben es schwer

Ein Mann sitzt in einem Rollstuhl an seinem Arbeitsplatz am Schreibtisch. Längst nicht alle Betriebe mit 20 und mehr Mitarbeitenden halten sich daran, dass sie Menschen mit einer Behinderung einstellen müssen.
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Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In NRW liegt die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen bei 13,8 Prozent, wie aus dem aktuellen Inklusionsbarometer der Aktion Mensch hervorgeht. Sie ist damit noch immer mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Quote. Beide Quoten sind gesunken, die allgemeine Quote jedoch stärker.
Von einer Gleichberechtigung ist Deutschland noch immer meilenweit entfernt.
„Die Schere muss endlich kleiner denn größer werden, die Verbesserung nachhaltiger. Von einer Gleichberechtigung ist Deutschland noch immer meilenweit entfernt“, sagte Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. Und das fast 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt beschreibe, so Marx weiter.
Es gibt weitere Belege für die Benachteiligung: Der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter den arbeitssuchend gemeldeten Menschen mit Behinderung hat sich bundesweit – NRW liegt über dem Bundesschnitt - leicht auf rund 46 Prozent reduziert. Aber auch hier: Der Vergleichswert bei Menschen ohne Behinderung liegt bei 34,6 Prozent. Zudem stagniert die Abgangsrate aus der Arbeitslosigkeit, die einen weiteren Missstand in puncto Chancengleichheit beschreibt: Menschen ohne Behinderung haben eine mehr als doppelt so hohe Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden als Menschen mit Behinderung.
Abschwung erschwert die Lage
Eine Besserung ist kaum in Sicht. „Der konjunkturelle Abschwung ist mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen“, sagte Prof. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes, das die Studie erstellt hat. „Wir rechnen in Deutschland mit einer um 0,5 Prozent schrumpfenden gesamtwirtschaftlichen Leistung, die auch die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderung einmal mehr eintrübt“, so Rürup. Bereits im März war eine höhere Arbeitslosigkeit zu verzeichnen als Ende 2022.
Die Aktion Mensch kritisiert eine unzureichende Einstellungsbereitschaft von Unternehmen. Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten sind verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung zu besetzen. Tun sie dies nicht, müssen sie eine monatliche Ausgleichsabgabe zahlen. Die wird zum 1. Januar erhöht. Doch nach wie vor beschäftige fast ein Viertel der 36 000 in Nordrhein-Westfalen dazu verpflichteten Unternehmen keine Menschen mit Behinderung. Und der Anteil der Arbeitgeber, die alle Pflichtarbeitsplätze besetzen, fällt jedoch leicht auf fast 44 Prozent. Bundesweit müssten nach den zuletzt verfügbaren Zahlen von 2021 175 000 Unternehmen mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung vergeben. Tatsächlich kommen laut Aktion Mensch dem nur 39 Prozent nach – das sei ein Tiefstwert.
Unternehmen nutzen Potenziale nicht
Keinerlei Menschen mit Behinderung beschäftigt dagegen noch immer nahezu jedes vierte Unternehmen in NRW. Für Marx ist das in Zeiten des Fachkräftemangels nicht nachvollziehbar. Unternehmen würden leichtfertig auf die Potenziale von Inklusion zu verzichten. Das Inklusionsbarometer Arbeit wird seit 2013 jährlich erstellt. Es basiert auf Daten der Arbeitsagentur und der Integrationsämter.

