Renault baut gerade seine Produktpalette um. Ralf Arenz sprach mit Markus Siebrecht, der in Deutschland die Neupositionierung der Marke verantwortet.
Interview mit Renault-Chef„Das Produkt muss emotional sein“

Renault-Deutschland-Chef Markus Siebrecht bei der Einweihung der neuen Zentrale in Köln.
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Herr Siebrecht, im Ausstellungsraum der neuen Deutschland-Zentrale von Renault in Mülheim stehen zwei Renault-Modelle einträchtig neben einem Dacia. Ärgert Sie da manchmal nicht der Blick auf die Zulassungsstatistik in Deutschland, wo Dacia derzeit mit einem Marktanteil von 2,5 Prozent vor Renault liegt?
(lacht) Überhaupt nicht. Wir sind ja eine Renault-Gruppe, zu der auch noch die Marke Alpine gehört. Und wir haben uns so aufgestellt, dass jede Marke ihre Marktpositionierung hat und ihre eigene Zielgruppe repräsentiert.
Die Marken stehen für unterschiedliche Segmente.
Ja, wir wollen bewusst unterschiedliche Segmente bedienen. Für Renault sind wir gerade beim Aufbau eines ganz neuen Produktportfolios etwa mit dem Rafale, unserem SUV-Coupe, der in Spitzenmotorisierung mit 300 PS und Allradantrieb erhältlich ist. Dieser Aufbau ist meine Aufgabe. In der Vergangenheit waren wir eine Marke, die hauptsächlich im Bereich Twingo und Clio unterwegs war und eine Einstiegsmobilität gewährleistet hat. Jetzt bewegen wir uns mit den neuen Modellen in das sehr große deutsche C-Mittelklasse- Segment. Der Rafale ist genau im großen Feld der deutsche Dienstwagen angesiedelt. Im vergangenen Jahr sind unsere Fahrzeuge bereits im durchschnittlichen Verkaufspreis um 27 Prozent gestiegen. Da verdienen unsere Händler mit weniger Verkäufen das gleiche Geld oder mehr. Diesen Weg wollen wir auch in Zukunft gehen.
Gibt es denn noch die Einstiegsmodelle?
Unsere Einstiegsmodelle werden die vollelektrischen Renault 4 und der Renault 5, der im kommenden Jahr auf den Markt kommt. Dann werden wir hauptsächlich mit dem vollelektrischen Scenic, mit dem Rafale, dem Austral und dem neuen Espace, der nächsten Monat in Deutschland auf den Markt kommt, eine sehr starke Bandbreite an SUVs und Alltags-Familienfahrzeugen haben.
Wollen Sie weiter in allen Segmenten Autos anbieten?
Wir wollen einen klassenlosen Einstieg in die Marke gewährleisten. Das sind R4 und R5, zu denen jeder irgendwann einmal Kontakt gehabt hat. Sie werden in den Autos Menschen finden aus allen Klassen und Schichten.
Wie bekommen Sie sehr Design-orientierte Fahrzeuge aus den oberen Segmenten und Ikonen wie R4 und R5 zusammen. Müssen Sie die nicht eher behutsam modernisieren?
R4 und R5 bekommen eine eigene, sehr moderne Formensprache mit wenigen historischen Komponenten, an denen jedoch sofort erkennbar ist, dass es sich hier um einen R4 oder R5 handelt. Das wird eine Design-Revolution. Wir wählen eine sehr deutliche sportliche Formensprache auch in den höheren Segmenten, von der wir überzeugt sind, dass das die nächsten Jahre nicht an Modernität auf der Straße verlieren wird.
Neue Automodelle werden oft größer und teurer. Bei Ihnen auch?
Wir wollen ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis. Der neue Clio, der jetzt auf den Markt kommt ist in der Spitze 1800 Euro günstiger als das Vorgängermodell. Der Einstiegspreis liegt bei 18.350 Euro. Wir wollen sehen, wie der Markt darauf reagiert. Das Gleiche werden wir auch bei dem Espace machen, der mit sieben Sitzen einen Einstiegspreis von 43.500 Euro hat. Der alte Espace hat bei 54.000 Euro angefangen.
In Europa hat Renault früh stark auf den E-Antrieb gesetzt. Jetzt hat der Konzern ein Gemeinschaftsunternehmen mit Geely gegründet für Verbrenner und Hybrid-Motoren. Ist das ein Strategieschwenk?
Wir setzen in Europa auf reine E-Antriebe, 2030 wollen wir unter Renault voll elektrifiziert sein. In anderen Teilen der Welt macht es schon Sinn, Alternativen zu haben. Wir haben alle keine Glaskugel. Über die Zukunft wissen wir nur, dass sie immer schneller wird, auch was die Produktzyklen angeht. Wir haben ein Unternehmen gegründet namens Ampere, das sich nur um E-Autos kümmert. Durch diese Konzentration wird das E-Auto unserer Erwartung nach günstiger. Auf vielen Kontinenten dieser Welt wird es aber noch eine Art von Verbrennungsmotor geben, der durch Wasserstoff, E-Fuels oder herkömmliche Kraftstoffe angetrieben wird und auch durch unterschiedliche Hybride unterstützt wird. Unsere Wette ist, dass es weltweit gesehen einen großen Markt für Vollhybride gibt, wo man elektrisch fährt, aber die Energiequelle zur Produktion des Stroms an Bord haben muss. Deshalb die Kooperation mit Geely. So können wir auf alle möglichen Veränderungen reagieren – auch auf eine Revolution bei den Verbrennstoffen. Ein anderer Teil des Unternehmens kümmert sich dann um diese Hybride.
E-Autos sind noch vergleichsweise teuer, Renault will die billiger machen. Gelingt das?
Wir planen derzeit, mit dem R5 bei einem Einstiegspreis von unter 30.000 Euro zu starten. Für ein viertüriges Fahrzeug, das in seiner Größe gut gewachsen ist.
Renault war viele Jahre Importeur Nr. 1 in Deutschland und hat das stolz auf die Fahrzeuge geklebt. Sehen Sie eine Chance, diesen Platz wieder zu erobern?
Das ist nicht unser Ziel. Wir wollen profitabel sein und mit unserer Handelsorganisation zusammen Geld verdienen, um uns die Zukunft auch leisten zu können. 2020 stand der Konzern kurz vor der Insolvenz. Da haben wir entschieden, uns nicht mehr alles zu leisten. Aus dieser Situation sind wir in Rekordgeschwindigkeit nach knapp drei Jahren herausgekommen, haben sogar viele Ziele früher erreicht als geplant. Wir werden auf diesem Weg weiter gehen. Reines Volumen ist für uns keine Option. Wir wollen das beste Paket zum bestmöglichen Preis anbieten. Das Produkt muss emotional sein und es muss qualitativ viel besser sein als in der Vergangenheit. Das gelingt bei den neuen Produkten, wo wir anders als andere nicht an der Ausstattung sparen, um den Preis zu drücken.
Wer ist Renaults Hauptkonkurrent im deutschen Markt?
Wir sehen bei unseren Autos Eroberungspotenzial. Beim Austral kommen 66 Prozent der Käufer von anderen Marken. Unser größter Eroberungspotenzialkandidat ist die Volkswagengruppe.
Der Autohandel ist im Wandel. Worauf setzen Sie bei Renault?
Wir setzen weiter auf Händler und haben uns gegen ein Agenturmodell entschieden, bei dem die Vertragspartner gegen Provisionszahlungen Autos verkaufen. Auch wenn Verkäufe über das Internet zunehmen werden – wir rechnen mit einem Anteil von etwa einem Drittel, braucht es eine Organisation in erreichbarer Entfernung für die Kunden, wo Fahrzeuge besichtigt, getestet und gewartet werden.
Zur Person
Markus Siebrecht ist seit Oktober 2021 Vorstandschef der Renault Deutschland AG. Er kam von Audi. Hier wie zuvor bei BMW hatte der 57-Jährige leitenden Funktionen in Vertrieb und Marketing inne. Siebrecht ist Diplom Betriebswirt. Nach einer Lehre als Kfz-Mechaniker studierte er an der Hochschule Calw.