KI im SelbstversuchWarum „Chat GPT“ fasziniert und verwirrt zugleich

Lesezeit 5 Minuten
Internet Chat

Unsere Autorin hat sich mit „Chat GPT“ befasst und interessante Erkenntnisse gezogen. (Symbolbild)

Eine neue künstliche Superintelligenz sorgt für Furore. Manche glauben, dass „Chat GPT“ unser Leben heftiger verändern wird als PCs und Handys. Unsere Autorin Stefanie Witte hat ein paar Tage mit dem Programm verbracht und ist so fasziniert wie irritiert.

Nach ein paar Tagen bin ich fast so weit: Ich denke nicht selber nach, sondern überlasse die Frage – testweise, wie ich mir versichere – einer künstlichen Superintelligenz, die diesen Artikel am liebsten direkt selbst geschrieben hätte. Ich tippe ins Chat-Feld: „Wie starte ich am besten einen Artikel über dich?“ Das Programm schlägt vor, seine Funktionen und Fähigkeiten vorzustellen. Und bietet weitere Ideen dazu an, was ich in den Text aufnehmen könnte.

Der erste Punkt ergibt Sinn. Wer – so wie ich – bislang nicht zur Gruppe der Begeisterten gehörte, sollte ein paar Dinge über die künstliche Intelligenz (KI) mit dem sperrigen Namen „Chat GPT“ wissen: Viele Menschen glauben, dass sie unser Leben schon bald massiv verändern wird. Chat GPT kann Fragen besser beantworten als Google und Wikipedia, das Programm kann lügen (und behauptet dabei, dass es das nicht kann), macht Fehler und kann sich dafür entschuldigen. Und es erzählt grauenhafte Witze.

Das Programm wurde mit großen Mengen Text gefüttert, hat die Informationen intelligent verdaut und interagiert nun schriftlich mit Menschen. Es schreibt Aufsätze im New-York-Times-Stil, wissenschaftliche Aufsätze oder plaudert einfach. Hinter dem Programm steht das Unternehmen OpenAI, 2015 neben anderen von Elon Musk gegründet.

Wie viele andere bombardiere ich die KI am Anfang mit Aufgaben. Tatsächlich fasst sie innerhalb weniger Sekunden Goethes Faust in zwanzig Worte zusammen – oder zehn, wenn ich sie darum bitte. Sie verfasst einen Kommentar über den Klimawandel und würde mir wahrscheinlich auch ein Programm schreiben – wenn ich wüsste, was für ein Programm ich haben wollte. Sie spricht unter anderem Deutsch, Englisch, Bretonisch und Khmer. Meine Bretonisch-Kenntnisse reichen allerdings nicht für einen Test.

Chat GPT kann auch einfach plaudern

Menschliche Reaktionen imitiert sie ganz passabel. Die KI sagt Bitte, Danke und Hallo. Besonders putzig wird es, als ich sie bitte, einfach eine Geschichte zu erzählen. Da schreibt sie über eine kleine Maus namens Max, die in einem kleinen Haus in einem großen Wald lebt und Abenteuer erlebt. Superintelligenz auf dem Niveau süßer Katzen-Videos.

Hilfsbereit ist sie auch. Als ich ihr eines verregneten Nachmittags schreibe, ich sei müde, empfiehlt sie mir, genug zu schlafen, Sport zu machen und mich gesund zu ernähren. Ich nehme den Apfel aus dem Jutebeutel auf meinem Schreibtisch und schreibe es ihr. Sie gratuliert mir zu dieser großartigen Wahl, klärt mich über die Auswirkungen von Äpfeln auf menschliche Körper auf, und behauptet, sie hoffe, dass mir der Apfel die nötige Energie liefere. Wenn ich weitere Fragen habe, solle ich nicht zögern, mich zu melden.

Hatte ich überhaupt eine Frage? Und würde sie mir noch zum zehnten Apfel gratulieren?

Ich denke über Max, die kleine Maus, nach, über den Apfel, und die freundlichen Vorschläge der KI für diesen Artikel. Da ist also ein Programm, das Programme schreiben kann, kontinuierlich lernt und Informationen schneller und besser verarbeiten kann als jeder Mensch.

Alles übertrieben?

Irgendwann dürfte sie Siri als persönlicher Assistent ersetzen. Was aber, wenn mir die KI dann nicht nur Äpfel vorschlägt, sondern auch Parteien, Jobs und Freunde? Was, wenn sie nicht mehr wie bislang nur auf Texte bis zum Jahr 2021 zugreifen kann, sondern in Echtzeit aufs Internet? Chat GPT wirkt, als hätten Siri und Google ein ultraschlaues Kind bekommen, das im Moment noch daran gehindert wird, sein volles Potenzial zu entfalten.

In der Welt der Science-Fiction läuft es bei Superintelligenzen meist auf vier Szenarien hinaus: Die KI greift die Menschheit zwecks Vernichtung an, versklavt sie, zerstört sich selbst, oder sie begleitet als mehr oder weniger gezähmtes Tool das Leben der Menschen und dominiert es so, dass die wenigsten daran zweifeln. Im letzten Szenario sind schrullige Zweifler die Protagonisten der Erzählung. Wall-E oder Matrix? Qualityland oder Terminator? Oder ist der Hype am Ende vollkommen übertrieben? Ich logge mich ein letztes Mal bei Chat GPT ein. „Willkommen zurück“, begrüßt mich das Programm – und wünscht zunächst zu erfahren, ob ich wirklich ein Mensch bin.


KOMMENTAR ZUM THEMA

Echte Intelligenz ist gefragt von Corinna Clara Röttker

Künstliche Intelligenz (KI) polarisiert: Sie birgt zweifellos enorme Chancen – aber eben auch nicht zu unterschätzende Risiken. So gibt es scheinbar nichts, was KI-Systeme wie der neue Textgenerator Chat GPT nicht können. Hausaufgaben oder Seminararbeiten machen derartig ausgefeilte Sprachmodelle auf Knopfdruck überflüssig. Kreativ schaffende Menschen könnten sie ebenfalls den Job kosten – vielleicht sogar bald Google ersetzen.

Dabei ist die Gefahr, dass das Internet von künstlich erzeugten Texten überflutet wird, schon jetzt real: Unternehmen setzen längst Chatbots im Dialog mit Kunden ein. Auch gibt es zunehmend KI-generierte Texte als Posts in den sozialen Medien. Ein solcher Text lässt sich oft nur schwer von von Menschen geschriebenen Inhalten unterscheiden, die Gefahr von Fake News steigt ungemein. Das ist bedenklich und für die Gesellschaft eine Herausforderung, denn sie muss unterscheiden lernen: Was ist echt – und was kommt von einer KI?

In vielen Alltagsbereichen mögen also Systeme wie Chat GPT äußerst hilfreich sein. Bloß ersetzen sie kaum die eigene Recherche und schon gar nicht den reflektierten Umgang mit Informationen. Dafür fehlt den Systemen (noch) die Intelligenz.

Rundschau abonnieren