Tausende BeschwerdenSommerlicher Ärger über Verspätungen bei der Post

Ungewöhnlich viele Briefe wurden in diesem Sommer verspätet oder falsch zugestellt. Die Post begründet das mit personellen Engpässen.
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Bonn – Wegen verspäteter oder verlorener Briefe haben sich in diesem Sommer viel mehr Bundesbürger an eine Behörde gewandt als zuvor. Allein im Juli und August seien circa 6500 Post-Beschwerden eingegangen, teilte die Bundesnetzbehörde in Bonn mit.
Wie hoch diese Sommerzahlen sind, zeigt der Vergleich mit früheren, längeren Zeiträumen: Im ersten Halbjahr 2022 waren es rund 8900 Beschwerden gewesen und im ganzen Vorjahr 15100.
Betroffen waren Groß- und Kleinstädte
Betroffen waren Großstädte wie Berlin, Nürnberg und München, aber auch kleinere Städte wie das niedersächsische Northeim, die münsterländische Kreisstadt Steinfurt, Freudenstadt (Baden-Württemberg), Pfaffenhofen (Bayern) und Ingelheim (Rheinland-Pfalz).
Die Regulierungsbehörde leitete sogenannte anlassbezogene Prüfungen ein und forderte die Deutsche Post DHL zur Beseitigung der Mängel auf.
Wo bleibt die Perspektive für Zusteller?
Immer seltener ist ein Postbote fester Bestandteil im Alltag der Menschen. Die menschliche Komponente des Zustellberufs rückt seit Jahren immer weiter in den Hintergrund. Hauptgrund: Das System der Post- und Paketzustellung in Deutschland ist zunehmend kaputt. Denn auf der einen Seite sorgt der Trend zum Online-Einkauf für immer mehr Fracht, auf der anderen Seite fehlen an immer mehr Stellen Zusteller.
Die logische Folge: In diesem Sommer haben sich viel mehr Bürger bei der Bundesnetzbehörde über verspätete oder verlorene Sendungen beschwert als sonst. Das Problem betrifft mittlerweile Ballungszentren und das Land. Doch in der Fläche fehlen oft die Alternativen zur Zustellung durch den Marktführer Deutsche Post.
Besserung ist leider nicht in Sicht. Der Beruf des Zustellers wird seit Jahren immer unattraktiver: Die Arbeit ist extrem stressig, das Gehalt dagegen überschaubar. Garniert wird das ganze mit Zeitverträgen, bei denen die Angestellten immer wieder um eine Verlängerung zittern müssen. Kein Wunder, dass sich immer weniger Menschen das antun wollen.
Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Höhere Gehälter liegen wegen des ohnehin schon hohen Kosten- und Konkurrenzdrucks kaum drin. Entlastung kann eine weitere Digitalisierung des Postverkehrs bringen, mit Fokus auf sicheren E-Mails.
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Viele Krankmeldungen
Der Bonner Konzern begründete die Entwicklung mit einem coronabedingt hohen Krankenstand und mit dem Fachkräftemangel. „Zudem haben viele unserer Kräfte ab Juli 2022 ihren Sommerurlaub abgewickelt“, sagte eine Firmensprecherin.
Inzwischen sei die betriebliche Lage „wieder stabil“. Die Bundesnetzagentur gab allerdings zu bedenken, dass die Beschwerdezahlen auch im September bisher noch hoch seien.
Es geht um Kritik an Post- und Paketdiensten, also um die ganze Branche und damit auch um Wettbewerber der Post. Der gelbe Riese ist in Deutschland aber mit großem Abstand Marktführer, die meisten Beschwerden richten sich gegen ihn.
Kritiker beschwerten sich besonders über Briefe
Normalerweise sind Pakete der thematische Schwerpunkt der kritischen Wortmeldungen, in diesem Sommer ging es aber hauptsächlich um Briefe. Die Kritiker monierten Verzögerungen, Verluste oder Fehlwürfe. Mit Letzterem ist gemeint, dass ein Brief zunächst im falschen Briefkasten landet und erst später beim richtigen Adressaten ankommt.
Die Bundesnetzagentur leitete 14 anlassbezogene Prüfungen gegen die Post ein. Bei 13 ging es um Briefe und bei einer um Pakete. Ein wirkliches Druckmittel sind sie aber nicht, da die Regulierungsbehörde hierbei keine Sanktionen – etwa Geldbußen – verhängen kann.
Aus der Politik kam Kritik. Coronabedingte Personalprobleme hätten auch andere Firmen in Deutschland gehabt, ohne dass sich deren Dienstleistungsqualität so stark verschlechtert habe, wie dies bei der Post offenbar der Fall gewesen sei, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben.
Houben hofft auf temporäres Problem
Er hoffe, dass es sich um ein temporäres Problem handele. „Sollte die Qualität der Briefdienste dauerhaft schlecht sein, sollte der Gesetzgeber in Betracht ziehen, der Bundesnetzagentur Sanktionsmöglichkeiten einzuräumen und somit ein schärferes Schwert in die Hand zu geben“, so der Liberale.
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Dadurch entstünde mehr Druck, damit sich die Post verbessere. Houben sagte, dass solche Sanktionen in der bald anstehenden Reform des Postgesetzes verankert werden könnten.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs zeigte ein gewisses Verständnis für die Probleme. „Nichtsdestotrotz ist und bleibt die Post weiter aufgefordert, die Beschwerden ernst zu nehmen, denn ihr Angebot ist ein Baustein in der flächendeckenden Daseinsvorsorge“, sagte Mohrs. Er habe den Eindruck, dass der Konzern die Beschwerden „weitestgehend“ ernst nehme. Gesetzlich verankerte Sanktionsmöglichkeiten sieht er eher skeptisch.
Verdi: Hohe Belastung
Der Gewerkschaft Verdi sind die Probleme in der Zustellung bekannt. Die Belastung der Zusteller bei der Deutschen Post und anderen Firmen sei sehr hoch, sagte ein Verdi-Sprecher. Mehr Personal sei nötig, das unbefristet eingestellt werde.
Grob gesagt eine Milliarde Briefsendungen werden jeden Monat in Deutschland verschickt. Im Verhältnis zu dieser Menge ist die Zahl der Beschwerden im Sommer 2022 sehr gering. Allerdings meldet sich von den Bürgern, die Probleme beim Erhalt von Briefen haben, wohl nur ein kleiner Teil bei der Netzagentur. (dpa)