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Weniger Urlauber und ExistenzangstTourismus in der Türkei steckt in der Krise

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Antalya: Touristen besuchen den Strand von Antalya.

Antalya: Touristen besuchen den Strand von Antalya.

Noch im Mai träumte die türkische Regierung von einem Rekordjahr mit 65 Millionen Urlaubern. Doch statt Champagnerlaune herrscht Katzenjammer: 

Ein Bombenjahr für den türkischen Tourismus werde 2025, versprach Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy noch im Mai: Die Türkei werde in diesem Jahr einen neuen Besucherrekord aufstellen. Seither brechen die Besucherzahlen ein. Selbst bei der treuesten Urlaubergruppe, den Deutschen, verzeichnet die Statistik einen Rückgang um bisher drei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Türkei: Erste Konkurse und Selbstmorde in der Tourismusbranche

Erste Konkurse und eine Serie von Selbstmorden prominenter Tourismusunternehmer erschüttern die Branche. Letzte Hoffnungen setzen manche Hoteliers nun in drastische Preisabschläge im Spätsommer – doch damit könnten sie sich langfristig selbst untergraben, warnen Tourismusverbände.

Schon den dritten Monat in Folge fielen im Juli die Besucherzahlen, wie die Statistik des Tourismusministeriums zeigt; es sind die neuesten verfügbaren Zahlen. Fünf Prozent weniger Touristen kamen da als im Juli des Vorjahres; schon im Mai und Juni waren die Besucherzahlen um 1,8 und 1,5 Prozent zurückgegangen.

Türkei: Rekordziel von 65 Millionen Besuchern in weiter Ferne

Der Rekord von 65 Millionen Besuchern, den Tourismusminister Ersoy zum Ziel des Jahres ausgerufen hatte, rückt damit in unerreichbare Ferne. Die Branche werde von Glück sprechen können, wenn zum Jahresende noch die Vorjahresmarke von 62,3 Millionen Besuchern erreicht werde, sagte der Tourismusexperte Hamit Kuk der Wirtschaftszeitung Ekonimim.

Deutscher Tourismus in der Türkei unter Druck

Besondere Sorgen machen dem Sektor die deutschen Urlauber als traditionell treueste Besucher türkischer Strände. Die Zahl deutscher Touristen ging alleine im Juli um über fünf Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zurück, von Januar bis Juli betrug der Rückgang rund drei Prozent. Hoffnungen machte der Branche zuletzt ein Anstieg deutscher Urlauber im Tourismuszentrum Antalya im August um fünf Prozent gegenüber August 2024. Ob das auch anderswo in der Türkei so war, ließ sich noch nicht sagen, da die Statistik noch nicht vorlag.

Wichtigster Grund für den Einbruch ist nach Einschätzung der Branche der gestiegene Kostendruck auf den Sektor, der sich in höheren Preisen und verminderter Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Mittelmeerländern niederschlägt. Die Türkei leidet einerseits unter einer anhaltenden Inflation, andererseits bleibt der Wechselkurs der Türkischen Lira hinter dieser Preissteigerung zurück.

Preiserhöhungen und Verlust von Wettbewerbsvorteilen

Hoteliers und andere Tourismusunternehmen mussten ihre Euro-Preise erhöhen, um die steigenden Lohnkosten sowie Energie- und Lebensmittelpreise in Lira bezahlen zu können. Der türkische Tourismus verliere dadurch seinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Ägypten, Griechenland und Spanien, sagte Kuk.

„2025 wird ein Jahr ohne Gewinn“, sagte Burhan Sili, Vorsitzender des Tourismusmanager-Verbandes von Alanya, der Zeitung Ekonomim. Für manche Tourismusunternehmen bedeutet das den Untergang, weil sie ihre Schulden nicht abbezahlen können. In Antalya meldete der Betreiber eines großen Strandhotels diese Woche den Konkurs an.

Krise führt zu tragischen Vorfällen

Im Badeort Bodrum an der Ägäis nahmen sich unter dem Schuldendruck in diesem Monat schon zwei Tourismusunternehmer das Leben, der eine per Kopfschuss, der andere mit dem Strick. Wenige Wochen zuvor hatte sich ein Tourismusmanager in Alanya erschossen.

Um das Schlimmste zu verhindern, bieten manche Hotels ihre Zimmer inzwischen zu Last-Minute-Schleuderpreisen an, die noch unter den Frühbucher-Rabatten vom Frühjahr und Winter liegen. „Hoteliers können sich keinen Leerstand leisten“, sagte Hakan Saatcioglu, Vorsitzender des Hotelierverbandes POYD, der Zeitung Nefes. „Deshalb bieten sie nun während der laufenden Saison starke Preisnachlässe an.“

Diese Verzweiflungstat werde aber nach hinten losgehen und die Saison des nächsten Jahres untergraben, warnte Saatcioglu. „Urlauber, die früh gebucht haben, werden Zweifel bekommen, wenn sie die aktuellen Preisnachlässe während der Saison sehen.“ Die Frühbuchungen für das kommende Jahr würden dadurch ernsthaft gefährdet.

Notwendigkeit neuer Strategien im türkischen Tourismus

„Das ist ein Teufelskreis“, bestätigt die deutsche Reisebüro-Inhaberin Melanie Törün, die auf die Türkei spezialisiert ist und Analysen für die türkische Tourismus-Fachpresse schreibt. Wenn Last-Minute-Reisen unter dem Frühbucher-Preis verschleudert würden, leide die Glaubwürdigkeit der Branche. Törün sieht den türkischen Tourismus bereits in einer Abwärtsspirale. Bei einer Inspektionsreise nach Antalya sei ihr im Juli von einer Auslastung der Hotels von 60 Prozent berichtet worden.

Das lege nahe, dass der Einbruch noch weit schlimmer sei, als die offizielle Statistik zeige. Die türkische Fremdenverkehrsbranche brauche dringend neue Strategien jenseits des Billigtourismus, sagte Törün unserer Zeitung. Es breche ihr das Herz, wenn sie das Leid der Menschen sehe, die vom Tourismus leben.