Automobilzulieferer wie ZF haben es zunehmend schwer. CEO Mathias Miedreich weiß den Standort Deutschland trotz allem zu schätzen. Wir haben mit ihm gesprochen.
ZF-Chef Miedreich„Wir befinden uns noch mitten in der Krise“

Erst wenige Monate auf seiner neuen Position: ZF-Chef Mathias Miedreich.
Copyright: Felix Kästle/ZF/dpa
Im Interview mit Thomas Hagenbucher und Dirk Augustin analysiert der neue Chef des Autozulieferers ZF akribisch die Lage des Weltkonzerns und erklärt, was sich alles in seinem Unternnehmen ändern wird – weil es sich ändern muss.
Herr Miedreich, seit gut zwei Monaten sind Sie nun Vorstandsvorsitzender von ZF. Wie ist Ihre Gefühlslage als Verantwortlicher für so einen Riesenkonzern wie ZF Friedrichshafen?
Vor dieser Aufgabe habe ich große Ehrfurcht – für so ein großes und wichtiges Unternehmen. Aber ich profitiere natürlich davon, dass ich nicht komplett von außen reingekommen bin, sondern schon fast ein Jahr dabei bin. Das hat mir bisher sehr geholfen. Besonders spannend ist, die Geschäftsbereiche außerhalb der „Division E“, die ich schon bisher verantwortet habe, jetzt noch viel besser kennenzulernen.
Hat Sie etwas ganz besonders überrascht bei ZF – im Positiven wie auch im Negativen?
Ich muss zugeben, dass ich die Kompetenz der Beschäftigten hier unterschätzt habe. Zwar habe ich schon bei etlichen Zulieferern gearbeitet, aber solch eine Dichte an Fähigkeiten bei ganz unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen habe ich bisher wirklich selten erlebt – vom Fahrwerk über die Getriebe bis hin zur Elektromobilität. Auch die sehr enge Kundenbindung und die direkte Zusammenarbeit mit vielen Kunden hat mich positiv erstaunt.
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Und was ist nicht so gut?
Verwundert war ich über die nicht so stark ausgeprägte Fähigkeit bei ZF, aus der Krise wieder herauszukommen. Da habe ich andere Unternehmen erlebt, die diese Herausforderung deutlich flinker angenommen haben. Bei diesem Umschalten haben wir sicher den größten Handlungsbedarf.
Woran liegt das?
Zum einen an unserem Mindset, aber auch an der schieren Größe des Unternehmens. Wir hatten lange den Luxus, dass unsere Produkte technologisch so gut waren, dass sie etwas teurer sein konnten und trotzdem gekauft wurden. Nun müssen wir durch den steigenden internationalen Wettbewerb deutlich stärker auf Effizienz achten – also auf schnelle und schlanke Prozesse. Dieses Umdenken fällt uns noch ein Stück weit schwer. Das habe ich etwas unterschätzt. Gleichzeitig ist es auch die größte Chance für ZF.
Was sind Ihre Hauptziele für ZF?
Wir müssen unsere operative Leistung verbessern – gemessen daran, wie es uns gelingt, unsere Schulden zurückzuzahlen. Deshalb richte ich unser Handeln danach aus, den Cashflow zu steigern, also das Geld, das auf unserem Konto landet. Zudem will ich den ZF-Mitarbeitern immer ein Maximum an „reinem Wein“ einschenken – das heißt, klar, offen und in kurzen Abständen zu kommunizieren. Es ist in solch einer schwierigen Situation niemandem geholfen, wenn man irgendetwas schönfärbt oder Traumbilder malt.
Das Geschäftsjahr ist bald zu Ende. Wie ist 2025 gelaufen?
Zum Jahresabschluss kann ich erst zur Vorlage der Bilanz im März 2026 sprechen. Aber es zeigt sich, dass die Restrukturierungsmaßnahmen wirken, die wir eingeleitet haben. Die Profitabilität haben wir zum Ende des dritten Quartals im Jahresvergleich von 2,8 auf 3,7 Prozent Umsatzrendite gesteigert. Das ist eine immense Verbesserung – reicht aber noch nicht aus, um unsere Schulden abbauen zu können. Die Maßnahmen zur Kostensenkung müssen weitergehen.
Wie viel Geld ist 2025 eingespart worden? Und wie viele Stellen wurden, Stand jetzt, bereits abgebaut?
Die Einsparungen sind ernorm. Ich möchte sie heute noch nicht genauer beziffern, aber es geht definitiv um Hunderte Millionen Euro. Damit liegen wir im Plan. Weltweit haben wir 2025 etwa 5500 Stellen abgebaut, davon 2000 in Deutschland.
Manche Medien berichten: Die Krise bei ZF spitzt sich zu. Stimmt das?
Keine Frage: Wir befinden uns noch mitten in der Krise. Diese ist noch nicht ausgestanden – und wir müssen uns massiv anstrengen, um sie zu überstehen. Eine weitere Zuspitzung sehe ich derzeit allerdings nicht.
Wird Deutschland für ZF immer unwichtiger?
Nein, so pauschal kann man das nicht sagen. Einsparungen, mehr Automatisierung oder sogar die Verlagerung einzelner Produktionsschritte ins günstigere Ausland stärken am Ende den Gesamtkonzern und machen ihn wettbewerbsfähiger. Dies kann auch die Produktion in Deutschland stärken und wieder effizienter machen. Es geht um intelligente Optimierungen unserer Wertschöpfungsketten. Die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland wird zwar sinken – aber nicht unbedingt die Wertschöpfung hier vor Ort.
Ist der Standort Deutschland wirklich so katastrophal, wie immer wieder zu hören ist?
Man kann viel über den Standort Deutschland schimpfen, und tatsächlich gibt es handfeste Nachteile hier – bei Lohnkosten, Steuern und Abgaben sowie den Energiekosten. Aber letztlich existieren in Deutschland auch sehr hochwertige Kernkompetenzen. Ich habe schon viele Berufsjahre im Ausland verbracht – in China, in Frankreich und Belgien. Aus dieser Perspektive lernt man Deutschland durchaus zu schätzen.
Wie sieht ZF in fünf Jahren aus?
Wir wollen weiter wachsen und noch internationaler werden. Das heißt nicht, dass der Umsatz in Deutschland schrumpfen soll. Ich sehe aber noch großes Potenzial in Nordamerika und Asien.
In Asien?
Die können doch inzwischen alles selbst. Oder?Ja, das stimmt zwar bei vielen Technologien rund um das E-Auto wie Batterien, die Elektro-Motoren und die Software. Aber in der Fahrwerktechnologie sind wir viel stärker. Für viele Hersteller und Zulieferer in Deutschland wirkt China sicher bedrohlich. Für ZF überwiegen in China aber die Chancen. Es gibt dort einen riesigen Markt für uns rund um das Thema Fahrwerk.
