HerrengedeckWeber, Schopps und Weininger ließen es in Neunkirchen krachen

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Jörg P. Weber, Volker Weininger und Martin Schopps (v. l.) begeisterten als „Herrengedeck“ ihr Publikum.

Neunkirchen-Seelscheid – Beseelt und beschwingt verließen die Zuschauer nach gut drei Stunden den Saal des Gasthauses Röttgen. Dabei hatte es dort nichts weiter als „Herrengedeck“ gegeben. Aber was für eins!

Redner Martin Schopps, der frisch gekürte Träger der Willi-Ostermann-Medaille Jörg P. Weber und „Sitzungspräsident“ Volker Weininger hatten während der Pandemie ein neues Format für kleinere Säle gebastelt. In kleinen Dosen verabreichen sie dies nun, während der Session wird es wohl nicht zu sehen sein. Die drei sind Hochkaräter im Sitzungskarneval und bestens gebucht.

Sie haben ihre Talente zusammengeworfen und herausgekommen ist ein wunderbares Programm: Fein austariert ist die Balance zwischen Kalauern und anspruchsvollen Witzen, zwischen köstlich politisch Unkorrektem und scharfsinnigen Pointen. Sie machen sich übers Gendern und Veganer ebenso lustig wie über Lehrer (dabei sind sie selbst welche) und Politiker, insbesondere Karl Lauterbach haben sie im Visier.

Solo-Passagen

Zunächst präsentierte jeder Künstler Ausschnitte aus seinen Soloauftritten. Schopps machte den Anfang: Die Jugend wolle was erleben, die müsse das aber erst wieder lernen. „Was die Komasaufen nennen, hieß bei uns im Homeoffice Mittagspause. Gut, das war ’ne sechste Klasse.“ Seine Frau habe ihn neulich gefragt, ob er ein neues Parfüm habe, er rieche so gut. „Nein, das ist Voltaren.“

In seinem Zukunftskrätzchen beschrieb er das Leben nach Pandemie und Energiekrise im Jahr 2040, mit russisch Raclette – nur jedes sechste Pfännchen wird warm – und der solarbetriebenen KVB, bei der die Busse, aber keine U-Bahnen kommen.

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Ein Trio, das sein Publikum überzeugt: Jörg P. Weber, Volker Weininger und Martin Schopps (v. l.)

J.P. Weber bewies, wie ausdrucksstark und warmherzig das kölsche Idiom ist. Selbst das Publikumsbashing geriet charmant. „Isch freu mich, mal bei den Naturvölkern zu sein.“ Leverkusen sei für ihn schlimmer als Düsseldorf, fuhr er fort. „Dat is für misch Jesocks. Da fliege de Duuve op dem Rügge, lohnt sich nit, drop ze drisse.“ Weber erinnerte an die großen Büttenredner im Dritten Reich und die Funktion des Karnevals: „Ich will polarisieren.“ Dann packte er sich die Flitsch und stimmte an: „Ach Pechmarie, ach Pechmarie, am allerleevste fuzzt der Jeck in e frisch betrocke Bett.“

Herzschrittmacher der Tante

Weininger zog in seiner angesäuselten Sprache vom Leder. Dass zwei Männer heiraten, so habe ihm eine Tante gesagt, das sei doch von der Natur nicht so gewollt. „Dein Herzschrittmacher aber auch nicht“, habe er ihr geantwortet. Zwei Mal öfter als Lanz sei Lauterbach bei Lanz, der Mann mit der Lebensfreude eines Schalkers in der Dortmund-Kurve.

Wunderbar sind seine Erzählungen von Kneipenerlebnissen und Saufgelagen mit seinen Kumpels, nicht immer die schärfsten Messer in der Schublade. Regionale Brandbeschleuniger stellte er vor als „Obstgenuss ganz ohne kauen“.

Im zweiten Teil gaben sie der Kunstform Krätzchen breiten Raum, bekannten Melodien verpassten sie bissige Texte, aus „Alle Vögel sind schon da“ wird „Neulich in der Swingerbar“. Fußball-WM, Kanzler, Bundeswehr, Außenministerin, Spielarten des Geschlechtsverkehrs, Kirche und Woelki – die Zuschauer hatten den Bauch-Muskelkater am nächsten Tag sicher.

Einen magischen Moment schuf das „Colonia Tourette“, wie sie sich unterwegs tauften, ganz am Ende. Sie setzten sich auf den Bühnenrand, ließen die Mikros stehen und stimmten ganz leise echte Klassiker zu Webers Flitsch an. „Drink doch ene met“, „En unserm Veedel“, „Och wat war dat fröher schön doch in Colonia!“ Diese leisen Töne sang der 180-köpfige Chor mit.

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