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Kommentar

Aus vom Verbrenner-Aus
Vorsicht vor einem Pyrrhussieg!

Ein Kommentar von
2 min
Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos.

Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos.

Vor wenigen Tagen erst hat die EU das Lieferkettengesetz entschärft, nun schwächt die Kommission das Verbrenner-Aus ab.

Um die Wirtschaft zumal in Deutschland wieder flott zu kriegen, nimmt Brüssel offenbar Abstand vom Anspruch, die sozialökologische Transformation als alleinige Richtschnur der Politik zu verstehen. Tatsächlich kommt es selten vor, dass Brüssel Vernunft über Ambitionen stellt. Doch der Abschied vom strikten Verbrenner-Aus ist genau das: ein Akt der Einsicht.

Das 2035er-Verbot war von Beginn an überambitioniert und mit erheblichen ökonomischen Risiken verbunden. Das Prestigeprojekt im Namen von Klimaneutralität hatte weniger mit technischer Realität als mit politischer Sehnsucht zu tun. Nun zwingt die Wirklichkeit die EU zur Korrektur.

Denn Innovation lässt sich weder verordnen noch ist sie ein linearer Prozess. Wer sich politisch auf nur eine Antriebstechnologie – nämlich die batterieelektrische – festlegt, riskiert, dass andere Innovationen nie aus den Laboren herauskommen. Wer Klimaneutralität wirklich will, sollte sich nicht auf eine einzige Technologie verlassen.

E-Mobilität noch immer in den Kinderschuhen

Und auch Akzeptanz bei den Bürgern kann man nicht einfach beschließen. Die E-Mobilität steckt trotz Milliardenförderung noch immer in den Kinderschuhen. Wer heute ein Elektroauto kaufen will, fragt nicht nach CO2-Bilanz, sondern nach Reichweite, Lademöglichkeiten und Preis – und entscheidet sich dann doch oft dagegen. Die deutsche und europäische Automobilwirtschaft ringt mit schwachem Absatz, massivem Stellenabbau und ungenutzten Kapazitäten. Energie- und Personalkosten sind international kaum wettbewerbsfähig. Die Korrektur beim Verbrenner-Aus – deren genaue Ausgestaltung noch offen ist, da EU-Parlament und Rat nachsteuern können – verschafft Europas wichtigster Industrie nun etwas mehr Beinfreiheit.

Doch die Gefahr ist offenkundig: Wenn Europa das Strompedal zu früh loslässt, ziehen andere vorbei. Chinas E-Auto-Industrie wächst mit atemberaubendem Tempo. Will Europa nicht zum Absatzmarkt für asiatische E-Autos verkommen, muss die hiesige Industrie beweisen, dass sie Innovation nicht nur dann liefert, wenn Brüssel Druck macht. Denn Klimaschutz bleibt natürlich eine Jahrhundertaufgabe, auch ohne starres Verbrennerverbot. Die Industrie sollte den Kurswechsel nicht als Freibrief verstehen, sich auf dem Erreichten ausruhen zu dürfen – ansonsten droht aus dem Sieg der Vernunft schneller als gedacht ein Pyrrhussieg zu werden.