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Rundschau-Debatte des TagesWer hat das Zeug zur Bundespräsidentin?

Lesezeit 4 Minuten
Kommt Sie zurück? Altkanzlerin Angela Merkel

Kommt Sie zurück? Altkanzlerin Angela Merkel 

Es mehren sich die Rufe nach einer ersten Frau im höchsten Staatsamt. Geeignete Kandidatinnen gäbe es dafür in Deutschland genug. Eine Übersicht von K wie Klöckner bis V wie von der Leyen.

Vermutlich unter dem Eindruck von Koalitionsausschüssen mit nur einer Frau und einem zuletzt gesunkenen Frauenanteil im Bundestag hatte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sich kürzlich empört. „Auf der Liste der Bundespräsidenten stehen seit 1949 zwölf Männer, keine Frau. Das ist das Gegenteil von Gleichberechtigung“, sagte sie dem „Stern“. Und weiter: „Es wird höchste Zeit für Normalität auch im höchsten Staatsamt.“ Seither meldeten sich mehrere Frauen und auch einige Männer zu Wort, die sich für 2027 eine Frau im Schloss Bellevue wünschen. Dorothee Bär, neue Ministerin für Raumfahrt und Forschung von der CSU, meint: „Wahrscheinlich wird eher eine Frau Bundespräsidentin als GTA 6 rauskommt.“ GTA 6 ist ein Videospiel von Rockstar Games, das sich seit Jahren in der Entwicklung befindet.

Doch wer kommt überhaupt für das Amt infrage? Da die Union die stärkste Regierungsfraktion ist und in der Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, eine Mehrheit haben könnte, ist wahrscheinlich, dass sie jemanden aus den eigenen Reihen nominiert. Gesucht wird also: eine Frau mit Format von CDU oder CSU.

Klöckner: Präsidiabel oder polarisierend?

Da fällt der Blick sogleich auf die Frau, die die Debatte angestoßen hat: Julia Klöckner. Als Bundestagspräsidentin hat sie das zweithöchste Staatsamt inne – und schon jetzt einen überparteilichen Job. Sie wird in den nächsten Jahren Staatsgäste empfangen, Reden halten. Bei der Premiere zum Gedenken an 80 Jahre Weltkriegsende hat sie schon mal den richtigen Ton getroffen und mit dem besonderen Blick auf das Leid von vergewaltigten Frauen im Krieg einen eigenen Akzent gesetzt. Im Bundestag hat sie gezeigt, dass sie auf die strikte Einhaltung von angemessenen Umgangsformen achtet.

Auch im Gespräch: Julia Klöckner

Auch im Gespräch: Julia Klöckner

Ob die 52-Jährige Theologin in zwei Jahren als „präsidiabel“ gilt, wird aber wesentlich davon abhängen, wie ihre Amtsführung in der Breite wahrgenommen wird. Schon ihr eher schwaches Wahlergebnis für das neue Amt zeigte, dass Klöckner bislang auch polarisiert. Gerade steht sie in der Kritik, weil sie einen Post in den sozialen Medien weiterverbreitet hatte, in dem sich der Verfasser freut, Friedrich Merz habe die ZDF-Journalistin Dunja Hayali „fertig gemacht“. Freute sich da also auch Julia Klöckner? Polarisierend ist jedenfalls eine Zuschreibung, die so ziemlich das Gegenteil von dem ist, was man von einer Bundespräsidentin erwarten würde.

Von der Leyen: Von Brüssel nach Berlin?

Wenn man nach prominenten Unionsfrauen Ausschau hält, fällt einem natürlich vor Klöckner die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein. Die 66-jährige EU-Chefin bringt sowohl die in dem Amt gern gesehene Seniorität als auch Bekanntheit mit. Aktuell wurde sie mit Preisen geradezu überhäuft: Den angesehenen internationalen Karlspreis der Stadt Aachen erhielt sie für ihre Führung der Mitgliedstaaten zur Einigkeit in Krisenzeiten, das Magazin „Politik und Kommunikation“ zeichnete sie gerade erst vor 400 Gästen in Berlin als „Politikerin des Jahres“ aus.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission.

Auch von der Leyen ist nicht völlig unumstritten – aber wer ist das heutzutage schon? Was einen Wechsel ins höchste deutsche Staatsamt eher unwahrscheinlich macht: Ihre Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission dauert noch fünf Jahre – und eine Frau wie von der Leyen will vielleicht doch lieber Politik gestalten als repräsentieren. Theoretisch möglich wäre es aber: Eine Kommissionspräsidentin kann von ihrem Amt jederzeit zurücktreten und nationale Aufgaben übernehmen.

Prien als erste Jüdin im Schloss Bellevue

Im politischen Berlin trauen einige auch der CDU-Politikerin Karin Prien das Amt zu. Den Ehrgeiz dazu hätte sie. Gerade erst wechselte die stellvertretende CDU-Vorsitzende und schleswig-holsteinische Bildungsministerin ins Kabinett Merz, wo sie ein auf sie zugeschnittenes Ressort Bildung und Familie übernommen hat.

Prien zählt zum liberalen Flügel der CDU, äußert sich oft zu gesellschaftspolitischen Fragen und bringt die notwendige intellektuelle Flughöhe für das Amt mit. Ihre Kandidatur wäre auch ein starkes Zeichen an die jüdische Community in Deutschland. Prien wurde in Amsterdam geboren, wohin ihre jüdischen Großeltern mütterlicherseits im Nationalsozialismus geflohen waren. Sie wäre nicht nur die erste Frau, sondern auch die erste Jüdin im Schloss Bellevue. Wie bei Klöckner gilt für Prien: Die nächsten zwei Jahre der Legislaturperiode müsste sie sich in ihrem aktuellen Job bewähren.

Merkel hat schon abgewunken

Die Frau, die einem beim Stichwort „prominente CDU-Frau“ wohl als erstes einfällt, hat bereits abgewunken. Die langjährige Bundeskanzlerin Angela Merkel steht für weitere politische Ämter nicht zur Verfügung, wie sie selbst sagte. Dass ihr früherer Erz-Rivale Friedrich Merz sie dafür vorschlagen würde, kann man zudem wohl getrost als höchst unwahrscheinlich betrachten.

Zwei Namen aus der CSU

Auch bei der CSU hegt man bekanntlich Ambitionen auf höchste Ämter. Als präsidiabel gilt hier die frühere Landwirtschaftsministerin und heutige bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Warum bisher noch niemand an die frühere CSU-Landesgruppenchefin und heutige DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt gedacht hat, bleibt schleierhaft. Hasselfeldt (74) bringt breite politische Erfahrung mit, gesellschaftliches Engagement und ist eine integre Persönlichkeit.

Oder wird es eine Quereinsteigerin?

Möglich wäre aber auch, dass Union und SPD sich auf eine Quereinsteigerin einigen. Joachim Gauck und Horst Köhler waren nicht die schlechtesten Bundespräsidenten – und hatten zuvor keine lange Politikkarriere hinter sich. Vielleicht überraschen Merz und Klingbeil mit einer Persönlichkeit aus Wissenschaft, Wirtschaft oder Kultur? Einen Namen hat man da bisher nicht gehört.