Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Rundschau-Debatte des TagesSoll ich mir doch ein E-Auto kaufen?

5 min
Strom statt Sprit gibt es in der Großstadt an vielen Stellen.

Strom statt Sprit gibt es in der Großstadt an vielen Stellen. 

Ist ein kleines E-Auto für Mieter in der Stadt – auch ohne Balkonkraftwerk und eigene Wallbox – irgendwie sinnvoll? Ist das billiger oder teurer als ein Benziner? Und was passiert, wenn man mal dringend raus auf die Autobahn muss? Ein Selbstversuch.

Groß ist er nicht, schaut aber fesch und knuffig aus: Mit dem elektrischen R5 hat Renault seinen Kult-Flitzer aus den 70ern neu erschaffen. Und weil der R5 E-Tech nicht nur ein schickes, sondern mit 32.000 Euro auch noch eines der günstigeren und neuesten Batterieautos ist, haben wir den kleinen Franzosen für den Praxistest ausgesucht.

Wie läuft das Stromtanken mit dem E-Auto im Alltag in der Stadt ab?

Beim Stromtanken gehört schon eine Umstellung dazu, wenn man keinen privaten Ladepunkt auf dem Grundstück oder in der Tiefgarage hat. Bei uns im Westen von Berlin-Charlottenburg gilt: Wer suchet, der findet. Die nächstgelegene öffentliche Station ist zwar gerade außer Betrieb. Aber die zweitnächste ist auch nur 300 Meter entfernt in einer Seitenstraße. Und sie ist am Freitagabend, nachdem uns Renault den halbvollen R5 vor die Tür gestellt hat und der Selbstversuch startet, auch nicht belegt. Also: CCS-Kabel aus dem Kofferraum in Säule und Auto gesteckt, per Smartphone den Ladevorgang gestartet, und ab nach Hause. Morgen früh ist der Wagen dann hoffentlich voll.

Ist er. Und über Nacht fallen auch keine Belegungskosten an. Aufgeräumt geht's also am nächsten Tag vollelektrisch zur Arbeit. Das langsame, preiswerte, auch noch den Akku schonende Stromtanken über Nacht und quasi vor der Haustür, das ist für Stadtbewohner sozusagen das Allerbeste. Aber besonders rege ist das Stromtank-Treiben bei den Schnellladern auf dem Parkplatz des Bauhaus-Baumarktes, knapp zwei Kilometer von unserer Wohnung entfernt. Die megaschnellen 300-kW-Säulen sind belegt. Aber auch an den 150-kW-Säulen ist der R5-Akku binnen 15 Minuten von 40 auf 80 Prozent befüllt. Schneller lässt sich kaum einkaufen.

Die Ladepunkt-Dichte ist nicht überall so hoch wie in der Hauptstadt. Aber zum Gedrängel an den verfügbaren Säulen kommt es derzeit höchst selten. Weil die Infrastruktur schneller gewachsen ist als der E-Auto-Absatz, sind die Ladesäulen bundesweit nur zu rund 15 Prozent ausgelastet. Das hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW festgestellt, und das deckt sich mit den Testerfahrungen.

Einen Stau an Stromtankstellen haben wir in den zehn Tagen trotz intensiver Suche nirgendwo entdecken können. Fazit Nummer 1: Das Laden lässt sich in der Stadt auch ohne eigene Station in den Alltag integrieren.

Wie weit kommt man mit dem kleinen E-Auto mit einer Akkuladung?

Das hängt ganz davon ab. Nach offiziellen Angaben fährt der R5 mit dem großen 52 kWh-Akku bis zu 410 Kilometer weit. Im Display wird bei 100 Prozent Akkustand nur eine Reichweite von 336 Kilometern angezeigt. Bei moderatem Fahrstil im Innenstadtverkehr, bei dem die Batterie bei jedem Bremsvorgang geladen wird, wächst die angezeigte Reichweite aber auch immer mal wieder ein paar Kilometer an, so wie bei jedem Elektroauto. Oder sie reduziert sich erst nach vielen Kilometern.

Wir hätten den R5-Akku in der Stadt gern mal fast leer gefahren, um eine reale Reichweite zu ermitteln. Aber stundenlang herumkurven, nur um Energie zu verbrauchen, dafür fehlte die Zeit.

Fazit Nummer 2: Weil sich der Wagen im Alltag – beim Einkaufen, an der Arbeitsstelle oder über Nacht in Wohnungsnähe – problemlos mit Strom betanken lässt, ist das Reichweitenproblem in der Stadt eher nachrangig. Zumindest, wenn man nicht den ganzen Tag mit dem Auto unterwegs ist und hundert oder mehr Kilometer zurücklegt.

Was passiert mit der Reichweite, sobald es auf die Autobahn geht?

Tja, da hörte der Spaß auf. Von uns nach Hamburg sind es 283 Kilometer. Aber schon 150 Kilometer nach dem Start war der Akkustand – trotz maximalem Tempo von 135 – von knapp 80 auf 10 Prozent und die Restreichweite auf 35 Kilometer dahingeschmolzen. Da wird es schon kritisch. Und es dauerte 45 Minuten, bis wir an der Stromtankstelle in Neustadt-Glewe wieder bei gut 90 Prozent sind und weiterfahren können. Noch übler ist die Rückfahrt. Um 21.30 Uhr hängen wir uns in Wittenburg, 70 Kilometer östlich von Hamburg, mit 15 Prozent Akkustand an einen Schnelllader. Nach 35 Minuten, es ist ja schon spät, wollen wir endlich weiter. Aber trotz 90 Prozent Ladestand sagt uns der Bordcomputer, dass die Batterie in Berlin bei -3 Prozent landen würde; dass uns der Strom noch nicht nach Hause bringt.

Mal zum Vergleich: Mit unserem Peugeot 208 Hybrid kommen wir mit einem Tankstopp von Berlin zum Lago Maggiore. Fazit Nummer 3: Auf der Autobahn werden selbst neueste Stadt-E-Autos zum Rohrkrepierer.

Wie fällt der Kostenvergleich des E-Autos gegen einen Benziner aus?

Die Frage ist knifflig, aus zwei Gründen. E-Autos verbrauchen bei hohem Tempo und langen Strecken teils doppelt so viel Strom wie beim Stop-and-Go. Und die Kosten für den Tankstrom variieren je nach Anbieter extrem, das ist kein Vergleich mit den ja ebenfalls schwankenden Spritkosten.

Um es konkret zu machen: Der R5 kommt im Stadtverkehr bei ruhiger Fahrweise mit 11 Kilowattstunden (kWh) bis zu 100 Kilometer weit. Beim Langsam-Lader vor der Tür gibt„s eine kWh für 55 Cent, macht 6,05 Euro für 100 Kilometer. Unser Peugeot Hybrid braucht im Stadtverkehr 4,8 Liter für 100 Kilometer. Bei 1,60 Euro für einen Liter E10 landet man bei 7,52 Euro. Das sind 1,47 Euro mehr.

Beim superschnellen EnBW-Charger hinterm Bauhaus kostet eine kWh allerdings 87 Cent. 100 Kilometer Strecke kosten dann 9,57 Euro Strom. Der Kostenvorteil dreht sich um. Der Strom für 100 Kilometern wird dann 2 Euro und 5 Cent teurer als das Benzin für den kleinen Peugeot.

Fazit Nummer 4: Schnelles Stromtanken an öffentlichen Säulen ist deutlich teurer als Sprit, langsames Laden an öffentlichen Säulen ist etwas preiswerter.

Nach dem E-Auto-Test: Fahren wir bald vorrangig elektrisch?

Keine Frage: Mit dem R5 (und anderen modernen Akkuwagen) in der Stadt unterwegs zu sein, ist ein echtes Vergnügen. Spritzigkeit und die stufenlose Laufruhe, auch die automatische Bremswirkung, sobald man vom Strompedal geht... Wir hätten den E-Renault wirklich liebend gern behalten, auch ohne private Ladesäule. Aber wir mussten ihn wieder abgeben...

Was in unsere Gesamtschau einfließt: Der Strom in Deutschland kommt zunehmend aus erneuerbaren Quellen. Mehr E-Autos bedeutet also, die Emissionen sinken, was zum Bremsen der Erderwärmung notwendig ist. Emissionsfrei fahren kann ein gutes Gefühl geben.

Aber: Den Klimaschutz beim Autofahren gibt's nicht umsonst. Die Verheißung, es werde bald erschwingliche Elektroautos mit ordentlichen Reichweiten auch auf der Autobahn geben, hat sich bislang nicht erfüllt.

Und deswegen vertagen wir die Entscheidung über unser nächstes Auto nochmal. VW hat ja gerade angekündigt, ab Herbst kommenden Jahres einen voll elektrischen Polo für 25.000 Euro zu verkaufen. Denn werden wir dann auch mal testen.