Astro-Alex in KölnDie Mitflieger aus Köln-Porz

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Am Montagmorgen ist der deutsche Esa-Astronaut Alexander Gerst wieder auf der Erde gelandet, am Abend landete er auf seiner „Homebase“, dem Europäischen Astronautenzentrum EAC in Köln-Porz. Seine Rückkehr bedeutet eine Verschnaufpause für die Frauen und Männer in den Kontrollräumen am Standort Köln: die „Eurocoms“ und die „Biomedical Engineers“. Lang ist diese Pause allerdings nicht: Von Porz aus werden alle europäischen Astronauten betreut, und schon am 23. November fliegt die Italienerin Samantha Cristoforetti zur Internationalen Raumstation ISS – dann ist auch am Boden wieder höchste Konzentration gefragt.

Norbert Illmer gehört zum 15-köpfigen Eurocom-Team, das die wissenschaftlichen Aktivitäten im europäischen Columbus-Labor 16 Stunden täglich überwacht und betreut, in ständigem Funkkontakt zu den Astronauten und immer bereit, bei auftretenden Problemen zu beraten oder nach schnellen Lösungen zu suchen. Illmer: „Wir warten nicht ab, wenn unser Astronaut oben auf der ISS einen falschen Handgriff macht – wir sprechen ihn sofort an.“ Denn nirgends ist Zeit so kostbar wie auf der Raumstation – die Europäische Raumfahrtagentur darf beispielsweise als einer der kleineren Partner, der auch weniger Kosten trägt, nur gut acht Prozent der für Wissenschaft vorgesehenen Crewzeit in Anspruch nehmen. Norbert Illmer: „Wir haben hier ja den immensen Vorteil, ein Modell des europäischen Columbus-Moduls in Originalgröße in der Halle zu haben. Dort gehe ich hin, bevor ich in der Schicht den Astronauten unterstütze, und probiere alle Handgriffe.“

Wie viele aus seinem Team, hat auch Illmer viel Erfahrung, arbeitet schon seit den 90er Jahren bei den Eurocoms. Mit der Bodenkontrolle hat Alexander Gerst auch seine „Mac-Gyver-Lösung“ für einen festsitzenden Bolzen am deutschen Experiment „elektro-magnetischer Levitator“ entwickelt hat: Wie der handwerklich begabte Actionheld sägte Gerst den Bolzen mit einer Bügelsäge durch und benutzte Rasierschaum, um die Metallspäne daran zu hindern, sich durch die gesamte Raumstation zu verteilen. Die improvisierte Aktion gelang, der Levitator – ein Ofen, in dem Metalle frei schwebend geschmolzen werden können – ist in Betrieb.

Astronauten-Pflege

Illmer erlebt die unterschiedlichen Charaktere von Astronauten hautnah – die einen seien, sagt er, sehr analytisch, andere verführen eher nach der Devise: „Gib mir das Ding, ich arbeite das ab.“ Natürlich brauche es auch eine gewisse Zeit, erklärt der Fachmann im Kontrollraum, der nebenbei immer ein Auge auf das Geschehen in der Raumstation hat, bis sich ein neuer Astronaut akklimatisiert habe: „Wir machen ja die Tagespläne, eng abgestimmt mit den anderen Raumfahrtagenturen, und wir wissen, dass wir bei neuen Leuten eineinhalb oder zwei Stunden für eine Aufgabe einplanen müssen, die sie nach einigen Wochen in einer Stunde erledigen.“

Illmers Job ist anstrengend, denn er kooperiert nicht nur mit den Esa-Astronauten, er muss auch alle Zeitpläne und Verfahren mit den anderen Raumfahrtagenturen abstimmen. „Wenn man an der Konsole sitzt, muss man zu 100 Prozent fokussiert sein, mit Volldampf dabei“, sagt der Eurocom. Ab und zu, bei nicht ganz so anspruchsvollen Aufgaben, schildert Illmer, habe er auch schon mal ein kleines Schwätzchen mit Alexander Gerst halten können, zuletzt beim Umräumen von Stautaschen und Kontrollieren des Inhalts. Das hautnahe Miterleben dessen, was auf der ISS passiert, hat für ihn seinen Reiz nicht verloren: „Das Mitfliegen ist schon toll“, gesteht Illmer, „und man ist auch stolz, wenn unsere Astronauten ihre Sache gut machen.“

"Biomedical Engineers"

Ein paar Meter weiter sitzen die „Biomedical Engineers“ (BMIs) in ihrem eigenen Kontrollraum an der Konsole. Das Team von Frits de Jong ist womöglich noch näher dran an den Esa-Astronauten, denn seine Aufgabe ist es, ihre körperliche und mentale Gesundheit und Fitness zu überwachen. De Jong: „Wir arbeiten direkt dem verantwortlichen Flug-Mediziner zu, beobachten unsere Astronauten während der gesamten Zeit, in der sie wach sind, und hören genau zu, was sie sagen.“ Der Job der Frauen und Männer, die als „Biomedizinische Ingenieure“ bezeichnet werden, beginnt jedoch weit vor dem Flug, auch Alexander Gerst kennt das Team schon aus vielen Trainingsstunden, die er in Köln-Porz absolviert hat. Im Live-Kontakt zum Astronauten fällt den BMIs als ersten auf, wie es ihrem Astronauten auf der ISS aktuell geht. „Wir haben beispielsweise darauf geachtet, dass Alex nicht zu viel arbeitet, nicht zu viele Wochenenden durchgearbeitet werden“, schildert de Jong, doch aus seiner Erfahrung als „Crew Medical Officer“ weiß er auch: „Für die meisten Astronauten ist es viel schlimmer, zu wenig zu tun zu haben als zu viel.“ Natürlich gibt es regelmäßige Einzelgespräche mit dem verantwortlichen Arzt, doch parallel geben die Frauen und Männer an der „Medizinischen Konsole“ intensives Feedback, beispielsweise darüber, ob der jeweilige Esa-Astronaut auf der ISS gut mit dem vorgesehenen Tagesablauf klarkommt oder nicht.

De Jong: „Alexander Gerst war beispielsweise die halbe Stunde »morning prep«, also morgendliche Vorbereitung, wichtig, die manchmal ausfiel. Dafür haben wir dann mit den Planern der anderen Raumfahrtagenturen verhandelt, bis diese Zeit wieder in das tägliche Zeitraster aufgenommen wurde.“ Der BMI im Kontrollraum hat auch die sportlichen Aktivitäten von Astro-Alex beobachtet und ihn korrigiert, wenn er Übungen falsch gemacht hat.

Aktuell erproben die Kölner Raumfahrtmediziner ein neues System, um die Ernährung der Astronauten zu erfassen und zu verbessern. Frits de Jong: „Beim alten System sollten die ISS-Bewohner nach einer Woche aufschreiben, was sie gegessen haben – da war natürlich einiges längst vergessen. Wir probieren gerade aus, diese Informationen zeitnah und möglichst simpel zu sammeln, im Zweifel mit Fotos.“ Und natürlich sind die BMIs auch bei der Rehabilitation von Alexander Gerst dabei, denn die medizinischen Daten, die vor, während und nach dem Flug erhoben wurden, sind auch für medizinische Forschung sehr wichtig. „Aber im Grunde“, sagt de Jong, „sind wir auch so eine Art Gewerkschaft der Astronauten, passen auf, dass sie im All gesund bleiben und gesund zurückkehren.“

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