Umwelt im Veedel schützenVersiegeltes begrünen und Insekten Gutes tun

Lesezeit 8 Minuten
Ein Fest für Insekten: Christian Althoff arbeitet in einem der Beete, die er auf dem „Deckel“ der A57 angelegt hat.

Ein Fest für Insekten: Christian Althoff arbeitet in einem der Beete, die er auf dem „Deckel“ der A57 angelegt hat.

Ehrenfeld/Altstadt-Süd – Sogar ein kleines Baumbeet kann zum potenziellen Schlachtfeld werden, auf dem sich zwei verfeindete Parteien unversöhnlich gegenüberstehen: „Zwei von uns bevorzugen das Wilde und Wuchernde, die beiden anderen das Geordnete“, erklärt Gabriele Hiller lachend und lässt den Blick vielsagend von der dicht mit Gräsern bewachsenen Seite zu „ihrem“ Bereich wandern, in dem die Chrysanthemen und der Lavendel stehen. „Die Gräser kommen ja in jedem Frühjahr zurück, ich pflanze lieber in jedem Jahr etwas Neues.“

Angelika Beer von der „wilden“ Fraktion quittiert das mit einem verständnisvollen Lachen. Dort, wo Trierer Straße und Pantaleonswall in spitzem Winkel aufeinandertreffen und mit der Straße Am Weidenbach eine Kreuzung bilden, kümmern sich vier Frauen seit ungefähr zwei Jahren um eine Baumscheibe. Und üben sich dabei mit ihren gegensätzlichen Konzepten auch in der hohen Kunst des urbanen Zusammenlebens – des Ausgleichs zwischen unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen.

Wobei die zugrundeliegenden Interessen so unterschiedlich selbstverständlich nicht waren. Den Beteiligten ging es vor allem um eine lebenswerte, auch optisch ansprechende Stadt: „Uns nervte es einfach, dass die Baumscheibe ständig vermüllt war, dass Schrotträder an den umgebenden Metallstangen angekettet waren und ein Abfalleimer direkt davor stand“, so Beer. Missstände, die nach und nach beseitigt werden konnten. Wie? „Durch impertinentes Telefonieren“, sagt Angelika Beer lächelnd.

Hinweise in sechs Sprachen

Da gebe es zwar eine Anlaufstelle für Menschen, die Patenschaften für Baumbeete übernehmen möchten, man werde mit seinen Anliegen auch freundlich und entgegenkommend behandelt. Aber ungeduldige Zeitgenossen müssten sich auf eine harte Probe einstellen: „Irgendwann waren dann zufällig Arbeiter des Grünflächenamtes in der Nähe beschäftigt, die haben dann den Efeu entfernt, der früher im Beet wucherte“, erzählt Hiller. Auch die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) waren nach einigem Zureden bereit, den Abfalleimer an einen anderen Ort zu verlegen. Und der dickste Brocken waren die Radnadeln, die wenige Meter entfernt an der Trierer Straße aufgestellt wurden.

Jetzt ermahnen diverse Schilder die Passanten, doch bitte keinen Müll im Beet zu hinterlassen, keine Räder abzustellen und den Hund an andere Orte zu führen – und das teils in sechs Sprachen. „Das läuft besser, als wir gedacht hätten“, berichtet Angelika Beer von den wenigen Erfahrungen mit Vandalismus, „nur Zigarettenkippen liegen hier immer noch herum.“ Gabriele Hiller schildert die Zustimmung der Nachbarschaft für ihre Aktion: „Wir wohnen ja alle im selben Haus. Eine Frau, die ebenfalls dort lebt und zu der wir wenig Kontakt hatten, hat uns sogar mal zehn Euro für neue Pflanzen gegeben.“ Weil die Vier so nahe beieinander wohnen, gestalte sich auch die Pflege des Beetes sehr entspannt, man könne sich da abwechseln: „Das war in den letzten Sommern sehr wichtig, weil es so trocken war und die Pflanzen jeden Tag Wasser brauchten“, erklärt Beer. „Wegen der Wurzeln im Boden ist ja die Erdschicht an den Baumscheiben nur sehr dünn.“

Transportable Hydranten helfen beim Gießen

Davon kann Christian Althoff ein Lied singen. Er legte vor sechs, sieben Jahren erstmals ein Beet auf dem „Deckel“ über die A57 an der Herkulesstraße an. „Nach etwa 50 Zentimetern Erde kommt da gleich die Betondecke“, weiß er. Kein kleines Problem, weil sich Althoff hier mittlerweile um vier Beete kümmert und im Sommer selbstverständlich ebenfalls jeden Tag gießen musste: „Die Stadt hat aber einen transportablen Hydranten in der Herkulesstraße aufgestellt, das war sehr hilfreich“, sagt er.

Dann gab es ja auch noch die Aktion an Kemals Kiosk ganz in der Nähe: Dort wurde ein Schlauch an die Tür gelegt, jeder Kunde oder Passant konnte Eimer füllen und zum Beispiel die Bäumchen wässern, die in der Grünanlage auf dem „Deckel“ ebenfalls darbten. Das zeige schon, wie wichtig den Bürgern diese Anlagen seien, meint Althoff, der auch regelmäßig Lob und Zuspruch für seine Pflanzungen bekommt.

Dabei hatte er „aus egoistischen Gründen“ und ganz privat mit seiner Pflanzaktion begonnen, wie er freimütig bekennt. Denn damals wohnte er noch in der Herkulesstraße, und die verkümmerten Büsche am Rande des erhöhten „Deckels“, auf die er täglich blickte, störten ihn einfach. So säte er dort Staudenpflanzen an, Herbstanemonen, Flox, Nachtkerzen etwa, zunächst ganz „Guerilla-mäßig“, ohne die Stadt zu informieren. „Nach einiger Zeit wollte ich offiziell die Patenschaft übernehmen, aber Patenschaften gab es damals nur für Baumscheiben“ erzählt er.

Lebensraum für Insekten

Aber die Stadt habe ihn großzügig gewähren lassen, ihm sogar erlaubt, sein Beet als Maßnahme gegen Vandalismus mit einem niedrigen, eher symbolischen Zäunchen zu schützen. „Man hat bei Gesprächen mit der Verwaltung aber auch den Eindruck, dass es dort sehr um die gestalterischen Konzepte der Grünanlagen geht. Dazu passen die bunten Pflanzen nicht immer“, sagt Althoff. Aber die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger könne die Stadt ja auch nicht ignorieren, seit drei, vier Jahren seien auch Beetpatenschaften möglich.

Der Maschinenbauingenieur, der zuletzt an seinem Stand beim Tag des guten Lebens über Energie-Einsparmöglichkeiten in den eigenen vier Wänden beriet, schätzt aber schon seit längerem die willkommenen Nebeneffekte seiner Verschönerungsaktion, die auch gut für das Klima ist und Insekten Lebensraum bietet. Es summt und brummt in Althoffs Beeten. Deshalb arbeitet er auch im „Garten der Welt“ in der Nähe des Hochbunkers mit, der von einer Gruppe betreut wird. Von dort kommen auch viele Sämlinge, die er ins Beet einsetzt. Vorwiegend jene Staudenpflanzen, die Christian Althoff liebt, weil sie so dicht den Boden bedecken, und weil sie alljährlich das Schauspiel des Vergehens und der Wiederkehr bieten. „Im Winter ist hier alles größtenteils platt, und dann wundert man sich, was wieder aufwächst“, sagt er begeistert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Eine Gruppenaktion möchte er aus seinem Deckel-Projekt aber nicht machen, denn dann müsste er sich mit den anderen Beteiligten über die Bepflanzung einigen. In der Anlage gebe es aber noch genug Flächen für Gleichgesinnte. Außerdem brauche er nicht noch einen weiteren festen Termin, derzeit reichten ein bis zwei Stunden zwischendurch, sagt Althoff, der umgezogen ist, aber nicht weit entfernt wohnt. Und seine frühere Wohnung gegenüber wird heute vom Colabor genutzt – Mieter also, die immer ansprechbar sind, wenn mal ein Schlauch verlegt werden muss.

Insektenbuffet auf dem Balkon oder Patenschaft fürs Baumbeet

Angelika Beer und Gabriele Hiller gießen „ihre“ Baumscheibe, die sie gemeinsam mit zwei weiteren Mitstreiterinnen regelmäßig pflegen.

Angelika Beer und Gabriele Hiller gießen „ihre“ Baumscheibe, die sie gemeinsam mit zwei weiteren Mitstreiterinnen regelmäßig pflegen.

Insekten brauchen reichlich Nahrung. Leider gibt es in unserer Landschaft für Biene, Schmetterling, Feuerkäfer und Co. immer weniger Blüten und Gräser. Um das zu ändern, kann jeder etwas tun – zum Beispiel mit einem blütenreichen Insektenbuffet auf dem Balkon, dem Baumbeet oder im Vorgarten. Wer hier aktiv werden möchte, sollte allerdings einige wenige Dinge beachten.

Achtung: Bunte Blüten können völlig nutzlos sein

Zahlreiche beliebte Blumenarten wie zum Beispiel Geranien, Tagetes, Fleißige Lieschen und Forsythien sind so hochgezüchtet, dass sie Insekten keine Nahrung mehr bieten. Auch solche Sorten von Pfingstrosen, Rosen, Rittersporn, Dahlien und Astern, die sehr üppige geschlossene Blütenköpfe bilden, sind für Insekten völlig nutzlos, weil diese vor lauter Blätterwänden keinen Weg in die Blüte hineinfinden.

Große Auswahl an insektenfreundlichen Blumen

Als nahrhafte Pflanzen eifrig umschwärmt werden dagegen Löwenmäulchen, Männertreu, Wandelröschen, Kapuzinerkresse, Verbene, Duftwicke,

Akelei, Glockenblume, Gelber Lerchensporn, Wald-Erdbeere, Große Sternmiere, Blutroter Storchschnabel, Katzenminze,

Moschusmalve, Polsterseifenkraut, Gold-Aster, Küchenschelle, Gewöhnliche Kuhschelle, Kleines Mädesüß oder Echte Kamille.

Was uns schmeckt, ernährt auch die Insekten

Küchenkräuter wie Lavendel, Bohnenkraut, Thymian, Minze, Basilikum, Küchen-Salbei, Schnittlauch, Ysop und Zitronenmelisse nutzen auch den Insekten: Wichtig ist, immer genug davon blühen zu lassen und die Blüten nicht abzuschneiden.

Ein kleines Schälchen mit Wasser wird von den Sechsbeinern gerne angenommen, Kieselsteine erleichtern ihnen das Herauskrabbeln.

Insekten brauchen Nahrung vom Frühjahr bis Spätherbst

Die ausgewählten Pflanzen sollten möglichst so zusammengestellt sein, dass immer etwas blüht. Das ist schön fürs Auge und für Bienen und Co. lebenswichtig – sie benötigen Nahrung vom Frühjahr bis zum Spätherbst.

Auf den Internetseiten der Naturschutzverbände gibt es Informationen dazu, was wann blüht und welche Pflanzen einen sonnigen oder schattigen Standort brauchen.

www.nabu.de/Insektenbuffet

www.bund.net/Schmetterlingsfreundliches Gärtnern

Einfach und sehr hilfreich: Wilde Ecken stehen lassen

Alle Pflanzempfehlungen gelten natürlich auch für den eigenen Garten. Gartenbesitzer können Insekten aber auch noch zusätzlich ganz einfach etwas Gutes tun, indem sie eine wilde Ecke stehen lassen, die weder gemäht noch betreten wird. Hier finden Brennnesseln, Gräser und Klee ihren Raum, die für viele unserer Insektenarten überlebenswichtig sind.

Paten für Baumbeet oder Grünflächen gesucht

Wer gerne eine Baumscheibe in seiner Nachbarschaft gestalten und pflegen möchte, kann sich an die Stadtverwaltung wenden: Herr Böckmann unter Telefon. 0152 545 486 71. Wer Kreisverkehre begrünen möchte, wähle die Rufnummer 0221-221/24 985, oder die Mail-Adresse gruenflaechenamt@stadt-koeln.de. Wer Interesse hat, kann sich auch unter der E-Mail-Adresse 67-Ehrenamt@stadt-koeln.de melden.

Ansprechpartner und hilfreiche Tipps zur Bepflanzung gibt es unter dem Stichwort „Patenschaften für Baumbeete und Grünflächen“ auch auf der Internetseite der Stadt.

www.stadt-koeln.de

Gärtnern auf öffentlichen Flächen

Für das Gärtnern außerhalb von Kleingartenanlagen stellt die Liegenschaftsverwaltung beispielsweise stadteigene Grundstücke gegen Entgelt vorübergehend so lange zur Verfügung, bis die Grundstücke für einen anderen Zweck benötigt werden. Kontakt: Amt für Liegenschaften, Vermessung und Kataster, E-Mail liegenschaften@stadt-koeln.de, Fax-Nr. 0221-221/26 627.

Rundschau abonnieren