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Neues BuchDem Geschmack auf den Grund gegangen

Lesezeit 3 Minuten

Gewürze machen ein Gericht erst so richtig lecker.

Wenn ein Gastroredakteur gemeinsam mit einem Professor für theoretische Physik ein Kochbuch schreibt, kann man schon mal neugierig werden. Thomas A. Vierich und Thomas A. Vilgis haben ein außergewöhnliches Gewürz- und Kräuterlexikon erstellt und gehen dem Geschmackserlebnis auf den Grund. Die Innenseite des Buchdeckels lässt schon auf eine Menge Chemie schließen, das erste Kapitel bestätigt die Vermutung - vorerst. Die zwei Autoren erklären bis ins kleinste Detail, wie Geschmack entsteht. Was passiert auf der Zunge? Was passiert in der Nase und welche Stoffe sind dafür zuständig?

"Aroma - Die Kunst des Würzens" ist aber mehr als eine wissenschaftliche Abhandlung. In den folgenden Kapiteln geht es um gängige Zubereitungsarten, die Geschichte der Haute Cuisine und der Gewürze und natürlich deren Verwendung.

Lexikon der Küchenkräuter

Kernstück des 500 Seiten schweren Wälzers ist das alphabetisch geordnete Lexikon. Küchenklassiker wie Rosmarin und Petersilie, exotische Gewürze wie Annatto und Nigella, sämtliche Algenarten, fast vergessene Kräuter und Nüsse werden genau unter die Lupe genommen. Warum schmecken sie, wie sie schmecken? Was passt dazu? Dazu kommen Herkunft, Lagerung, Einkauf und nicht zuletzt: originelle Rezepte (siehe Kasten).

Spätestens bei der Zubereitung wird allerdings klar: Dieses Buch richtet sich an Profis oder passionierte Laien mit beträchtlichem Budget. Einige Rezepte gehen davon aus, dass man Gerätschaften wie einen Thermomix, einen Dehydrator, ein Vakuumiergerät und einen Sous-Vide-Garer nicht nur besitzt, sondern auch routiniert bedienen kann. Das dürfte in der Mehrzahl der Privatküchen allerdings nicht der Fall sein. Diese professionelle Ausstattung steht im Kontrast zu so manchen Rezeptangaben. Dem Profi läuft es eiskalt den Rücken runter wenn Zwiebelgewächse oder Kräuter "gehackt werden" und "400 Gramm bestes Rindfleisch" sagt leider nichts über das benötigte Teilstück aus.

Trotzdem ist "Aroma - Die Kunst des Würzens" eine tolle Mischung aus Sach- und Kochbuch. Die ausführliche Aromenbeschreibung der einzelnen Gewürze und Kräuter wird immer wieder von interessanten Grafiken und Tabellen aufgelockert: In welchen Lebensmitteln Glutamat steckt, die Rauchpunkte sämtlicher Öle, die Süßkraft der verschiedenen Zuckerarten. Kurze Exkurse über Salz, Pfeffer, botanische Familien und Schärfegrade ergänzen die Informationsflut. Hinter den fast 300 Seiten Lexikon verstecken sich noch drei wunderbare Kapitel. Unter den Gewürzmischungen werden sowohl Klassiker wie das Bouquet garni als auch Exoten wie Dukka genau erläutert. Den Masalas, umgangssprachlich auch Currys genannt, wird sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Das Spiel mit den Aromen steht immer im Vordergrund.

Kulturübergreifend

Umso mehr Spaß macht das Kapitel Saucen und Pasten. Von Marinaden über Beizen und mexikanische Moles bis hin zur Sauce hollandaise - jede Geschmacksrichtung und Kultur wird berücksichtigt. Karibische Würzsaucen, Sambal aus Indonesien, katalonische Salsa, Zhug aus dem Jemen, Pesto, Pistou, Sauce Gribiche - die Autoren haben wirklich nichts vergessen und die Rezepte lassen sich auch ohne gastronomische Ausbildung oder Zubehör nachkochen. Den Abschluss bildet die kleine Geruchsschule. Frei nach dem Motto "Schlag dem Sommelier ein Schnippchen" werden Begriffe wie toluolig, mimosenartig oder medizinal eingeordnet und mit Beispielen erklärt.

Insgesamt ist "Aroma - Die Kunst des Würzens" ein ausgezeichnetes Fachbuch und eine Hommage an den Geschmack. Sowohl wissenschaftlich als auch kulinarisch.

Thomas A. Vierich und Thomas A. Vilgis: "Aroma - Die Kunst des Würzens", Stiftung Warentest, 512 Seiten, 39,90 Euro.