Interview mit Andrea Blome„Die Bilder am Elften Elften sind brutal“

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Junge Leute tümmeln sich im Kwartier Latäng an der Absperrungen zur Zülpicher Straße.

Die Zülpicher Straße ist für viele junge Leute am Elften Elften Anziehungspunkt Nummer eins.

Mit einem neuen Sicherheitskonzept versucht die Stadt Köln am Elften Elften die Feiernden auf der Zülpicher Straße in den Griff zu bekommen. Ingo Schmitz und Simon Westphal sprachen mit Stadtdirektorin Andrea Blome über den anstehenden Sessionsauftakt.

Frau Blome, der Elfte Elfte steht bevor. Sind Sie froh, wenn der Freitag rum ist?

Das würde ich so nicht sagen. Es gibt dabei den karnevalistischen Blick auf den Tag, aber natürlich auch die Betrachtung, wie der Tag in der Stadt insgesamt läuft, allen voran das neue Sicherheitskonzept für die Zülpicher Straße. Wir haben gerade erst die Bilder aus Südkorea gesehen (dort kamen in der Halloween-Nacht bei einer Massenpanik mehr als 150 Menschen ums Leben, Anmerkung der Redaktion). Das verdeutlicht, wie groß die Verantwortung der Stadt ist. Dabei ist aber klar, dass wir nicht alle Interessen der Anwohnenden oder der Wirtegemeinschaft berücksichtigen können. Dafür das Verständnis zu wecken, ist eine kommunikative Herausforderung.

Ist die Situation um die Zülpicher Straße vergleichbar mit der in Seoul?

Alles zum Thema Elfter Elfter

Nein, soweit man das aus der Ferne beurteilen kann. Die Bilder zeigten, dass es doch eine andere räumliche Situation ist als bei uns hier. Die Tragödie in Seoul macht nochmal besonders deutlich, wie wichtig ein behördliches Sicherheitskonzept ist, wie wir es für den 11.11. im Zülpicher Viertel haben.

Was muss passieren, dass Sie am Ende des Tages sagen: Das neue Sicherheitskonzept hat funktioniert oder war sogar erfolgreich?

Nicht passieren darf natürlich, dass Menschen zu Schaden kommen. Und Menschen, die gar nicht zum Feiern kommen, sondern nur auf Krawall aus sind, sollen dort keinen Raum finden. Es soll friedlich und respektvoll gefeiert werden, das ist die große Botschaft, auch der Polizei.

Werden Sie sich auch selbst ein Bild von der Lage machen?

Ja, ich bin sowohl im Rathaus im Koordinierungsstab als auch unterwegs, um mir ein persönliches Bild der Lage zu machen. Und wenn Zeit ist, werde ich auch die Feuerwehr-Leitstelle besuchen.

Elfter Elfter: Sessionsauftakt fällt auf einen Freitag

Der Elfte Elfte fällt in diesem Jahr auf einen Freitag. Dazu kommt immer noch ein gewisser Feierstau nach Corona. Kann man prognostizieren, wie viel Menschen kommen?

Die Schätzungen gehen da immer sehr auseinander. Es gibt Wirte, die sagen, dass an Weiberfastnacht 30 000 Leute im Viertel gewesen seien. Das können wir so nicht bestätigen. Wir beobachten die Situation mit Kameras an den Einlassstellen und auch innerhalb der Feierzone. Die Kommunikation zwischen dem Koordinierungsstab hier im Haus und den Kolleginnen und Kollegen und der Sicherheitsfirma vor Ort funktioniert dabei sehr gut. So können wir etwa auch reagieren, wenn wir auf Kameras sehen, wenn beispielsweise Menschen über Absperrungen klettern wollen.

In den vergangenen Jahren war die Feierzone in der Regel am Mittag voll, dann kam erst mal niemand mehr rein. Angenommen, es strömen dann weitere Menschen von allen Seiten in Richtung einziger Einlassstelle an der Unimensa. Was passiert mit diesen Menschen?

Wir sind in Sachen Kommunikation und Information besser aufgestellt und werden in diesem Fall beispielsweise schon am Barbarossaplatz über digitale Infoscreens informieren, dass kein Einlass mehr möglich ist. Noch bevor die Menschen über die Luxemburger Straße dorthin laufen. Diese Leute müssen sich dann umorientieren. Da müssen wir natürlich schauen, dass diese Menschen dann nicht mitten auf der Straße feiern. Aber auch da haben wir entsprechende Kräfte, die das steuern werden.

Das heißt, die Gefahr, dass die Masse sich im Bereich der Unimensa staut, besteht nicht?

Es ist alles immer eine Frage dessen, wie man sofort mit Gegensteuerungsmaßnahmen reagiert, sei es mit Sicherheitspersonal oder kommunikativ. Man darf das gar nicht erst aufkochen lassen und muss dafür sorgen, dass die Feiernden schon weit vor der Einlassstelle umgeleitet werden. Das ist auch Inhalt des Konzepts. Es soll nicht sein, dass da Tausende stehen und sich beschweren, nicht mehr reinzukommen. Wir haben aber auch eine gewisse Pufferzone vor der Einlassstelle. Ein zusätzliches Festivalgelände wird dort natürlich nicht entstehen.

Die Bilder, wenn die Feier dann abgeklungen ist, sind brutal.
Stadtdirektorin Andrea Blome

Was wird innerhalb der Zone in diesem Jahr anders sein?

Dass auf der Zülpicher Straße gefeiert wird, ist ja grundsätzlich nicht falsch. Nur die Hinterlassenschaften, dieser unglaublich hohe Alkoholkonsum und Menschen, die sich in den Hauseingängen der Nebenstraßen erleichtern und dann am Ende auch noch die Toiletten umwerfen – das geht gar nicht. Die Bilder, wenn die Feier dann abgeklungen ist, sind brutal. Das neue Konzept ist daher auch ein Anwohnerschutzkonzept. Deswegen werden die Straßenstücke ohne Gastronomie abgesperrt.

Eine richtige Entlastungsfläche gibt es in diesem Jahr nicht. Beim Runden Tisch der Rundschau im März klangen sie noch nicht abgeneigt, eine solche Fläche zu suchen – etwa auf den Ringen. Was hat sie umgestimmt?

Wir haben dafür keinen Veranstalter gefunden. Niemand war bereit, eine Veranstaltungsfläche zu bespielen. Das Absperren und die Ordnungskräfte kosten sehr viel Geld, das junge Publikum der Zülpicher Straße bevorzugt jedoch kostenloses Feiern im öffentlichen Raum und Selbstverpflegung, so dass sich damit nur schwer Gewinne erzielen lassen. Und dann ist natürlich auch unklar, ob die Menschen dort überhaupt hinkommen. Angenommen, es hätte sich ein Veranstalter gefunden.

Weiberfastnacht: Pläne abhängig von Ereignissen am Elften Elften

Wäre eine Entlastungsfläche auf den Ringen Ihre favorisierte Lösung gewesen?

Ich halte diese Fläche auf den Ringen nach wie vor für geeignet. Da ist die Stadtbahn unten und dort hat man auch schon in der Vergangenheit erfolgreich Veranstaltungen angeboten und durchgeführt.

Wird das aktuelle Konzept auch an Weiberfastnacht zum Einsatz kommen?

Wir werden uns nach dem Elften Elften anschauen, wie es gelaufen ist. Das machen wir intern, aber auch gemeinsam mit der Wirtegemeinschaft und den Anwohnenden. Dann schauen wir, wo wir nachsteuern und verbessern müssen.

Kommt dann auch das Konzept einer möglichen Entlastungsfläche wieder auf den Tisch?

Auch das ist abhängig von dem, was wir am Elften Elften erleben. Sollte es doch noch einen Veranstalter geben, dann würden wir das dankend aufgreifen.

Ist die Stadt als Veranstalter dafür noch eine Option?

Stand heute nicht. 


Sessionsauftakt: Kampagne für mehr Respekt beim Feiern an Karneval

Mit einer breit angelegten Kampagne will die Stadt gemeinsam mit Gastronomen und Anwohnern für einen respektvollen Umgang miteinander werben. „Im Getümmel rumgrapschen? Mach’s nicht! Aus Respekt“, lässt die Stadt etwa Oma-Kleinmann-Wirtin Maureen Wolf zu Wort kommen.

Auch Claudia Wecker, Geschäftsführerin vom Studentenclub „Das Ding“ wird auf einem Plakat zitiert: „Security anpöbeln? Mach’s nicht! Aus Respekt.“

Ein Straßenreiniger der AWB fordert den Betrachter auf, seinen Dreck nicht mitten auf der Straße loszuwerden, ein Rettungssanitäter rät eindrücklich vom Komasaufen ab. Die Kampagne läuft überall in der Stadt, ist allerdings klar auf die Probleme auf der Zülpicher Straße zugeschnitten. Auch die Testimonials, die auf den Plakaten zu Wort kommen, kommen aus dem Bereich der Zülpicher Straße.

„Vermüllung, Wildpinkeln und übermäßiger Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit haben nichts mit Karneval oder Feiern zu tun“, stellt Stadtdirektorin Andrea Blome klar. Die Phänomene seien Ausdruck von mangelndem Respekt gegenüber dem Recht aller, die Straßen, Plätze und den öffentlichen Raum in zumutbarer, sauberer Form nutzen zu können.

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