Ausbildungsmarkt in Corona-ZeitenViele Lehrstellen in Köln bleiben unbesetzt

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Das Handwerk bleibt in der Ausbildung stabil. Dennoch wird auch hier Nachwuchs gesucht.

Das Handwerk bleibt in der Ausbildung stabil. Dennoch wird auch hier Nachwuchs gesucht.

Köln – Auf den ersten Blick wirken die Zahlen erschreckend. Knapp zehn Prozent weniger Bewerber auf einen Ausbildungsplatz, gute 17 Prozent weniger Stellenangebote zur Ausbildung. Doch auch wenn Corona hier einen Teil beigetragen hat, warnt Johannes Klapper – Vorsitzender der Agentur für Arbeit Köln – vor zu viel Pessimismus: Auch wenn 2032 junge Menschen noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, stehen dem 2242 aktuell unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. Und noch etwas stellt Klapper fest: Die Berufswünsche haben sich während der Pandemie kaum verändert. Auch in der Gastronomie, der Hotellerie und selbst in der Veranstaltungsbranche wird weiter nachgefragt – und angeboten.

Das kann auch der „Gastgeber“ der virtuellen Runde aus Arbeitsagentur, Industrie- und Handelskammer (IHK) und Handwerkskammer bestätigen: Markus Stefer, Geschäftsführer des Veranstaltungs-Dienstleisters Expose Media, bildet auch über Corona weiter aus, hat sogar Ausbildungsverträge verlängert, um seinen Leuten über die nächsten Monate zu helfen. Und das, obwohl die Veranstaltungsbranche seit einem Jahr am Boden liegt. „Wir spüren eine wahnsinnige Leidenschaft für den Beruf, und die brauchen wir auch, wenn es wieder losgeht. Wir alle lernen im Moment viel Neues, können viel probieren, intensivieren die Ausbildung. Damit sind wir auch für neue Formate wie Hybrid-Veranstaltungen gewappnet“, sagt er.

Corona zwingt viele zum Branchenwechsel

Viele Freiberufler hätten zwangsweise die Branche wechseln müssen – „die werden uns fehlen, sie sind weg vom Markt“. „Seine“ Azubis haben die Zeit etwa genutzt, um im leer stehenden Lofthaus Düsseldorf einen Live-Stream aufzubauen, in dem sich Künstler präsentieren können – vom Bühnenbild über das Booking bis hin zur gesamten Technik alles von den Azubis selbst auf die Beine gestellt: „Unsere Ausbilder haben nichts gefunden, was sie hätten besser machen können.“ Als Erfahrung und Referenz unschätzbar, im „laufenden Betrieb“ allein schon aus Zeitmangel unmöglich.

Zahlen zur Ausbildungssituation

628 neue Ausbildungsverträge wurden in Köln bei Mitgliedsunternehmen der IHK in Industrie-, Handels- und Dienstleistungsberufen vereinbart – knapp elf Prozent weniger als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte aller Betriebe bieten so viele Ausbildungsstellen an wie im Vorjahr.

234 offene Ausbildungsstellen gibt es laut Handwerkskammer Köln in Handwerksberufen. Die meisten als Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk, als Bäcker/in und Anlagenmechaniker/in. Aber auch als KFZ-Mechatroniker/in oder als Elektroniker/in sind Stellen offen.

100 Ausbildungsbewerbern stehen rein rechnerisch aktuell

110 freie Stellen gegenüber. In den vorigen beiden Jahren lag die Quote bei 100 Bewerbern zu 143 Stellen. Gerade in kleinen und mittleren Betrieben werde intensiv nach Azubis gesucht, so die Agentur für Arbeit. (two)

Den Fachkräftemangel über Corona hinaus haben auch Christopher Meier von der IHK und Garrelt Duin von der Handwerkskammer im Blick. Zwar stehe gerade das Handwerk stabil da, so Duin. Einen Rückgang der Ausbildungsplätze habe man nicht beobachten können, eher sogar einen leichten Anstieg. „Gerade die Klein- und mittelständischen Unternehmen haben eine große Widerstandsfähigkeit bewiesen.“ Aber es gebe nach wie vor offene Stellen in der ganzen Breite des Handwerks: „Diese Menschen werden definitiv gebraucht, sie werden nicht auf der Straße stehen.“ Er warb dafür, sich nach dem Abitur nicht automatisch fürs Studium einzuschreiben, sondern sich auch über eine duale Ausbildung zu informieren: „Studieren kann man danach immer noch. Aber gerade praktische Erfahrung wird in vielen Betrieben hoch geschätzt.“

Weiterbildung auch in der Kurzarbeit

Christopher Meier warb ebenfalls für Aus- und Weiterbildung auch in Zeiten des Lockdowns und vielleicht auch der Kurzarbeit: Duale Ausbildung sei auch in der Pandemie gut machbar. „Die Unternehmen halten, wenn es irgend möglich ist, an vorhandenen Ausbildungsangeboten fest.“ Das Problem des Facharbeitermangels werde bleiben, gerade jetzt böten sich viele Chancen für eine zusätzliche Qualifizierung.

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Ein Ansatz, den auch Johannes Klapper von der Arbeitsagentur aufnahm: „Die Programme laufen weiter, und sie werden ja auch schon gut genutzt.“ Aus der vermeintlich zweitbesten Lösung – Videokonferenzen und digitale Beratungsgespräche der Agentur – sei eine Tugend geworden: „Das ist ein gutes Training für spätere Vorstellungsgespräche, wie präsentiert man sich vor einer Kamera, wie verhält man sich bei Video-Meetings.“ Unabhängig davon biete man bei der Arbeitsagentur auch individuelle Trainings hierfür an.

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