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Cold Case KölnKölner Studenten ermitteln in echtem Mordfall mit

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Im Fall der vor über dreißig Jahren getöteten Seckin Caglar (16) aus Poll sucht die Kölner Polizei weiter den Mörder.

Im Fall der vor über dreißig Jahren getöteten Seckin Caglar (16) aus Poll sucht die Kölner Polizei weiter den Mörder.

Eine „Ermittlungskommission“ der Universität Köln hat seit Januar 2025 Zugang zu echten Polizeiakten eines ungelösten Mordfalls erhalten. 15 angehende Juristen analysierten unter strengster Geheimhaltung Tatortfotos und Zeugenaussagen. 

Mord verjährt nicht. Dies sollte auch ein brutaler Angreifer oder eine Verbrecherin nicht vergessen, nach denen in Köln mal ganz anders gefahndet wurde. Eine „Ermittlungskommission“ der Kölner Universität heftete sich seit Januar 2025 auf die Fersen der Täter. In einem wissenschaftlichen Projekt des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminalpolitik bekamen 15 Mitglieder der „Kommission“ Zugang zu den Akten von Polizei und Staatsanwaltschaft. Die neuartige Suche fand unter großer Geheimhaltung statt, selbst die Angehörigen der Opfer wissen noch nichts von der ungewöhnlichen Aufarbeitung. Um welchen ungelösten Kriminalfall es sich handelt, teilten die Polizei und die Kölner Uni nicht mit. Vor dem Einblick in die Ermittlungsakten mussten die Beteiligten eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben. Das Innenministerium wurde über das ehrgeizige Projekt informiert und musste grünes Licht geben. „Es ging für uns um einen neuen Blickwinkel auf das ungeklärte Verbrechen“, sagte Mordermittler Markus Weber, der die „Cold Case“-Abteilung für ungeklärte Mordfälle bei der Kölner Polizei leitet. In Nordrhein-Westfalen gibt es 1160 ungelöste Tötungsdelikte seit 1970. In Köln gibt es etwa 200 Fälle aus 55 Jahren.

Die angehenden Juristen durften die Akten des mehrere Jahrzehnte alten ungelösten Kriminalfalls studieren, Tatortfotos in Augenschein nehmen und die Zeugenaussagen durchgehen. „Es wurden Opferprofile erstellt und eine Fallrekonstruktion durchgeführt“, beschrieb Staatsanwältin Jane Wolf die Arbeit der Projektgruppe. Für Projektleiterin Selin Özyildirim war das Streben nach Gerechtigkeit der Antrieb für die Arbeit. Max Marchi von der Projektgruppe geht es um die Stärkung der Opferrechte: „Ihre Stimme muss weiter gehört werden“. Laura Lougu von der Kölner Uni überraschte der Umfang der Aktenberge: „Das hat mich erstmal umgehauen“. Der Inhalt der Akten sei eine spannende Lektüre gewesen. Das ganze Team von „Cold Case Lab Köln (CCLK) Wissenschaft trifft Praxis – Aufklärung ungelöster Verbrechen im Raum Köln“ hofft inständig, dass der Kriminalfall eines Tages aufgeklärt wird.

Widersprüchliche Zeugenaussagen

Eine schnelle Festnahme stellte Mordermittler Markus Weber nicht in Aussicht. Einen Ermittlungserfolg habe es durch die wissenschaftliche Analyse nicht gegeben, aber Denkanstöße. So hätten die angehenden Juristen bei ihren Recherchen Widersprüche bei den Zeugenaussagen ausgemacht. Dies werde nun überprüft. Wann Polizei und Staatsanwaltschaft eine Öffentlichkeitsfahndung starten, ist demnach völlig unklar.

Ein Cold Case, in dem die Ermittler nochmals aktiv die Öffentlichkeit suchen, ist der seit über dreißig Jahren ungeklärte Mordfall um die damals 16-jährige Seckin Caglar. Im März 2023 vor drei Jahren ging die Polizei damit erstmals an die Öffentlichkeit und startete einen DNA-Massengentest. Mehrere hundert Speichelproben wurden genommen , doch der Mörder nicht gefunden. Das Opfer hatte am 16. Oktober 1991 um 18.40 Uhr ihre Arbeitsstelle in einem Coop-Supermarkt an der Siegburger Straße verlassen und war nie zu Hause angekommen. Familienangehörige suchten die 16-Jährige und fanden ihre Leiche schließlich am nächsten Tag in einem Gebüsch nahe der Haltestelle „Poll-Autobahn“. Am Abend zuvor war sie getötet worden. „Sie ist einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen“, sagte Mordermittler Weber. Bei der ZDF-Fahndungssendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ soll der tragische Fall gezeigt werden — vermutlich erst im Jahr 2026.