Ein Alltag voller BarrierenRundschau unterwegs mit Kölner Rollstuhlfahrer

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Rollstuhlfahrer Horst Ladenberger setzt sich für Barrierefreiheit ein.

Köln – Stufen an Eingängen, Hubbel auf Straßen und Gehwegen, Lücken zwischen Bahnsteigen und ebenerdigen Fahrzeugtüren: Solche Hürden überwindet Horst Ladenberger spielend mit seinem Rollstuhl. Eine leichte Gewichtsverlagerung nach hinten, sodass sich die Vorderräder ein wenig heben, und schon ist der 62-Jährige drüber hinweg. „Naja, man darf nicht abgelenkt sein, wenn man unterwegs ist“, räumt der Mitgründer des Arbeitskreises Barrierefreies Köln ein.

Am 5. Mai ist Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, und der Geschäftsführer des Zentrums für selbstbestimmtes Leben (ZsL) ist dabei. Er wird Aufkleber mit dem Leitspruch „Sei kein Behinderer!“ verteilen. „Wir brauchen ein klares Umdenken, damit wir Barrieren beseitigen können“, erklärt er.

„Werde barrierefrei“

Ein Aufkleber richtet sich als freundlicher Brief an Fahrzeughalter, die Autos, Fahrräder oder E-Scooter achtlos so abstellen, dass Rollstuhlfahrern, aber auch Menschen mit Rollator oder Kinderwagen der Weg versperrt ist. Humorvoll spricht der Aufkleber „Wir müssen draußen bleiben“ Geschäftsleute an. Statt des bekannten Hundes, der nicht mit in den Laden darf, ist darauf ein durchgestrichenes Rollstuhlfahrer-Symbol zu sehen, darunter die ermunternde Aufforderung: „Werde barrierefrei“.

Barrierefrei mit der KVB

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) haben speziell für Rollstuhlfahrer im Dezember 2018 das Faltblatt „Touren ohne Treppen?“ herausgegeben. Enthalten ist ein Stadtplan, in den barrierefreie, eingeschränkt barrierefreie und nicht-barrierefreie Haltestellen in den Ampelfarben Rot, Grün und Gelb eingezeichnet sind.

Behinderten-Vereine wie das Zentrum für selbstbestimmtes Leben bemängeln bis heute, dass 20 Prozent der Stationen noch immer nicht umgestaltet sind. Auch die grün markierten Haltestellen bieten keine Garantie für volle Barrierefreiheit. Denn Aufzüge oder Rolltreppen können kurzfristig außer Betrieb geraten oder durch Vandalismus beschädigt sein.

Deshalb werden gehbehinderte Nutzer des ÖPNV gebeten, sich immer tagesaktuell im Internet zu informieren. (uwe)

Weil sich manche Hindernisse schon zwischenmenschlich beseitigen lassen, hat sich Horst Ladenberger rund um seinen Arbeitsplatz in der Südstadt eine persönliche Karte von zugänglichen Läden, Restaurants, Kneipen und Cafés erarbeitet. „Da kann ich auf Hallo-Tour gehen“, scherzt er. „Hallo“, das ist der fröhliche Ruf, mit dem er sich an Eingängen bemerkbar macht, damit jemand die kleine Hilfestellung gibt, die oft genügt, um ihn einzulassen. „Drink doch ene met“ heißt es jetzt in einer Eckkneipe für alle Gäste gleichermaßen einladend, seit der Wirt eine Außenwand durch große Fenster ersetzte. Diese ebenerdige Glasfront lässt sich zur Straße hin leicht öffnen und wird gerne aufgemacht für Rollstuhlfahrer.

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Barrieren zu verhindern kann einfach sein: Autotüren schließen. Scooterbesser abstellen oder Lego-Rampen nutzen.

„Wir dürfen allerdings nicht ignorieren, dass Umbau im Bestand oft teuer, wenn überhaupt baulich möglich ist“, sagt Ladenberger. Behindertenrechtler fordern deshalb Förderung für Bestandsimmobilien, für Neubauprojekte aber ein Gesetz, das Barrierefreiheit zwingend vorschreibt. Lange musste das ZsL selbst nach Räumen suchen, fand sie beim Deutschen Roten Kreuz, An der Bottmühle 2. Das im Stil einer alten Mühle 1923 von Wilhelm Riphahn errichtete Gebäude durfte trotz Denkmalschutzes an die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern angepasst werden. Ladenberger, seit einem Halswirbelbruch vor 41 Jahren querschnittsgelähmt, gelangt über eine Rampe und elektronische Türöffner in sein Büro. Vom Wohnort Finkenberg mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Arbeitsstelle zu erreichen, ist für den Rollstuhlfahrer allerdings umständlich.

Ein Heimweg mit langen Umwegen

Am Ubierring verkehren die Stadtbahnlinien 15 und 16, nutzbar sind für ihn nur die Niederflurwagen der 15. Am Rudolfplatz müsste er in die Linie 7 Richtung Zündorf umsteigen – ein langer Heimweg von etwa eineinhalb Stunden.

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Die alternative Route, mit der 16 zum Hauptbahnhof zu fahren und dort in die S-Bahn umzusteigen, scheitert an fehlender Barrierefreiheit. Ladenberger wäre auch mit seinem Auto aufgeschmissen, hätte er keinen garantierten Parkplatz vor der Bottmühle. Denn nicht einmal jeder Behindertenparkplatz ist für ihn nutzbar. Weil Ladenberger nicht aufstehen, seine Arme nur eingeschränkt benutzen und mit den Händen kaum greifen kann, braucht er beim Umsteigen vom Auto in den Rollstuhl ausreichend Seitenfläche.

Wie leicht es sein kann, vom Behinderer zum Barrierefreiheit-Macher zu werden, führte der Verein Junge Stadt Köln vor, der Geschäftsleuten mobile Minirampen aus Legosteinen anbot. Zu den wenigen, die zugriffen, gehörte Michaela Grilec, Inhaberin des Skatesport-Ausstattungsladens „Tante Skäte“. Obwohl sie keine körperlich beeinträchtigten Kunden hat. Aber die Geschäftsfrau erinnerte sich noch ungut daran, wie beschwerlich es schon war, sich mit Kinderwagen ungehindert durch die Stadt zu bewegen.

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