Das geplante Zentrum in Deutschland könnte die Holocaust-Bildungsarbeit erweitern und wäre das erste seiner Art weltweit.
Holocaust-GedenkenKöln könnte zum Standort eines Bildungszentrums werden

Bundesaußenminister Johann Wadephul (l.) bei einer Gedenkzeremonie in Yad Vashem in Israel.
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Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel haben einen besonderen Stellenwert, insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Der millionenfache Mord des NS-Regimes an Jüdinnen und Juden bleibt unvergessen. So ist es auch kein Wunder, dass eine der ersten Auslandsreisen nach Amtsantritt den Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) unter anderem zu einer Zeremonie in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem führte.
Seit vielen Jahren gibt es in Yad Vashem auch Bildungsprogramme. Lehrerinnen und Lehrer werden hier geschult in der Vermittlung des Holocaust, aus Nordrhein-Westfalen kommen beispielsweise Richter, Staatsanwälte und Polizisten, um Hintergründe zu dem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte zu erkunden.
Es ist freilich immer recht aufwendig, dafür nach Israel zu reisen. Vereinzelt kommen auch Dozentinnen und Dozenten aus Israel nach Deutschland, aber auch diese Möglichkeiten ist begrenzt. Deshalb ist die Idee entstanden, ein „Yad Vashem Education Center“ in der Bundesrepublik zu etablieren.
Chef der Staatskanzlei spricht sich für Köln als Standort aus
Dieses politische Ziel hat es nun sogar in den Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD zur Bildung der aktuellen Bundesregierung geschafft. Dem klaren Bekenntnis zu einer solchen Einrichtung waren intensive Gesprächskontakte auch der Vorgängerregierung vorausgegangen. Eine Machbarkeitsstudie sieht nach Informationen der Rundschau Potenzial an vier Standorten. Die wohl aussichtsreichsten Chancen, zur Heimat des Bildungszentrums werden zu dürfen, hat NRW.
Das liegt auch daran, dass der Chef der Staatskanzlei Nathanael Liminski (CDU) bei dem Thema besonders umtriebig ist und mit Abraham Lehrer einen fleißigen Mitstreiter hat. Lehrer ist Vorsitzender der Kölner Synagogengemeinde und Vizepräsident des bundesweiten Zentralrats der Juden.
Auf Anfrage nennt Liminski Köln als „richtigen Zielort“ für das Education Center: „Diese Stadt, in der jüdisches Leben seine tiefsten Wurzeln in ganz Deutschland hat, wäre der richtige Standort, um Bildungsarbeit zum Thema Holocaust zu betreiben.“
Im NRW-Landeshaushalt habe man bereits finanzielle Mittel für eine Machbarkeitsstudie reserviert, so Liminski: „Damit wir in dem Moment handlungsfähig sind, in dem die Gedenkstätte Yad Vashem sich für eine Stätte in Europa und Deutschland entscheidet – und sagt, was gebraucht wird.“
Der CDU-Politiker hatte selbst in einer Arbeitsgruppe für den Koalitionsvertrag in Berlin gesessen und dort Druck für das Thema gemacht. Bereits vor zwei Jahren hatte er für die NRW-Landesregierung beim Kanzleramt hinterlegt, „dass wir bereitstehen und eine solche Einrichtung auch fördern würden“. Die grundsätzliche Entscheidung aber liege bei Yad Vashem in Jerusalem.
Mehr Menschen über den Holocaust informieren
Vor zwei Jahren habe er mit Dani Dayan, dem Präsidenten der Einrichtung, vor Ort gesprochen und die Bereitschaft zur Unterstützung mitgeilt. Eine wichtige Rolle spielten in diesem Zusammenhang auch der deutsche „Freundeskreis Yad Vashem“ und der Zentralrat der Juden.
Dessen Vizepräsident Abraham Lehrer hatte schon 2021 dazu beigetragen, den Stein ins Rollen zu bringen. Beim Antrittsbesuch von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in der Kölner Synagaoge habe er selbst die Idee eines Bildungszentrums eher am Rande erwähnt, erinnert sich Lehrer im Gespräch mit der Rundschau: „Ich verbinde damit die Hoffnung, dass wir die Zahl der Menschen, die nach dem Konzept von Yad Vashem informiert werden können, deutlich erhöhen können.“
Unter anderem könnte ein solches Zentrum auch Fortbildungen für Pädagoginnen und Pädagogen anbieten, die so den Umgang mit antisemitischem Mobbing an Schulen lernen könnten., meint Abraham Lehrer: „Die dürfen gar nicht erst auf die Idee kommen, so etwas unter den Teppich zu kehren. Damit muss man sich aktiv auseinandersetzen.“ Die Zusage der NRW-Landesregierung zur auch finanziellen Unterstützung sei in der Argumentation gegenüber der Bundesregierung und auch den in Israel Verantwortlichen sehr hilfreich, betont Lehrer.
Schließlich ist NRW und somit Köln nicht der einzige Standort, der in der Politik derzeit diskutiert wird. Unter anderem bemüht sich Hamburg um die mögliche Ansiedlung. Im rot-grünen Koalitionsvertrag in der Hansestadt von Ende April heißt es dazu, man habe „großes Interesse, als zukünftiger Standort zur Verfügung zu stehen“. Man werde wird sich bei den zuständigen Institutionen aktiv darum bewerben. Zudem sollen zwei ostdeutsche Bundesländer ebenfalls Interesse angemeldet haben.
Doch Nathanael Liminski ist gut vernetzt und sichtbar beseelt von der Idee, konsequent auf Köln zu setzen. Wo konkret ein solches „Yad Vashem Education Center“ in der Stadt entstehen könnte, ist allerdings noch völlig offen.
Um etwa eine konkrete Liegenschaft identifizieren zu können, müsse man den Flächenbedarf kennen und wissen, ob es zum Beispiel auch Ausstellungsräume geben soll. Erst wenn diese Informationen vorliegen, könne man darüber nachdenken, ob das in einem bestehenden Bau möglich ist oder ein Neubau zu errichten wäre.
In Köln könne man die Bildungsarbeit nicht nur in viel größerem Umfang betreiben, so Liminski, sondern auch gezielten Gruppen wie etwa Schülerinnen und Schüler ansprechen: „Ich denke etwa an all die jungen Menschen, die den Holocaust aufgrund ihrer Migrationsgeschichte als Thema der deutschen Geschichte ansehen – und damit keines für sie.“
Liminski erwartet einen künftigen „Kampf um die Deutung“
Die Bildungsarbeit dazu werde „massiv an Bedeutung gewinnen“, so der Chef der NRW-Staatskanzlei: „Wenn eines Tages keine Holocaust-Überlebenden mehr unter uns sind, wird der Kampf um die Deutung einsetzen, was der Holocaust war.“ Heute schon sei zu beobachten, wie weit Desinformation und Geschichtsklitterung getrieben werden. Yad Vashem habe hier eine zentrale Rolle, so Liminski, als Hüterin der Erinnerung, Pflegerin des Gedenkens und Mahnerin für die Zukunft.
Im Mittelpunkt einer solchen Einrichtung in Deutschland soll laut Koalitionsvertrag die „Education“ stehen, also die Bildung. Ob dazu weitere Elemente kommen, wie sie auch an der internationalen Gedenkstätte Yad Vashem in Israel angeboten werden, ist noch völlig unklar.
Schließlich wäre ein solches Haus in Deutschland eben weltweit das erste, das in Anlehnung an und womöglich auch Zusammenarbeit mit Yad Vashem errichtet würde. Es gibt also kein Vorbild dafür, an dem man sich orientieren könnte.
Im Jahr 1953 hatte das israelische Parlament Knesset ein Gesetz zur Einrichtung der Gedenkstätte im eigenen Land beschlossen. Deren Hauptaufgabe besteht darin, das Gedenken an den Holocaust dauerhaft wachzuhalten. Das geschieht durch die Dokumentation der Ereignisse, der Erforschung und der Vermittlung von Wissen.Yad Vashem erstreckt sich über eine Fläche von etwa achtzehn Hektar auf dem Berg des Gedenkens in Jerusalem und besteht aus verschiedenen Museen, Forschungs- und Schulungszentren, Denkmälern und Gedenkorten, darunter dem Museumskomplex, der Halle des Gedenkens, dem Tal der Gemeinden und einer Kindergedenkstätte.
Jedes Jahr besucht etwa eine Million Menschen Yad Vashem in Israel. Die Internetseite steht mittlerweile in acht Sprachen – darunter auch deutsch – zur Verfügung . Unter anderem sammelt das Zentrum Dokumente, Zeugenaussagen, Fotos, Archivfilme und andere Gegenstände.
Wann eine konkrete Entscheidung daüber getroffen wird, ob in Deutschland ein Yad Vashem Center eröffnet werden kann, ist nicht absehbar. Führende Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Politik arbeiten daran genauso wie engagierte Privatpersonen und Organisationen.