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JahresberichtAntisemitische Vorfälle in Köln erreichen neuen Höchststand

Lesezeit 3 Minuten
Die Synagoge an der Roonstraße in der Kölner Innenstadt.

Die Synagoge an der Roonstraße in der Kölner Innenstadt.

Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Köln ist im vergangenen Jahr um 30 Prozent angestiegen.

Auf der Brüsseler Straße wird ein Passant von einem Mann nach dem Weg zum Rathenauplatz gefragt. Er erklärt den Weg und weist darauf hin, dass der Platz gegenüber der Synagoge liegt. Daraufhin erwidert der Mann: „Ah, genocide central!“ (Genozid-Zentrale). Und er fügt hinzu, dass Israel keine Legitimation habe.

Der erschreckende Vorfall von Ende November ist nun als Beispiel im Jahresbericht 2024 der Fachstelle gegen Antisemitismus beim städtischen NS-Dokumenationszentrum aufgeführt. Um rund 30 Prozent ist die Zahl festgehaltener judenfeindlicher Vorfälle im Stadtgebiet angestiegen auf nun 229 – ein Höchstwert seit Beginn der Erfassung im Jahr 2021. Die Dunkelziffer sei aber wohl hoch, heißt es von den Verantwortlichen, weil nicht alle Taten gemeldet würden.

Immerhin ist die Zahl konkreter Angriffe (4) und Bedrohungen (10) recht niedrig. In den meisten Fällen (172) geht es um „verletzendes Verhalten“. Dazu zählen nach der Definition der Statistik zum Beispiel „gezielt böswillige oder diskriminierende Äußerungen gegenüber jüdischen Personen und Organisationen“. Aber auch Schmierereien im öffentlichen Raum werden in diese Kategorie gezählt.

Einen besonderen Anstieg verzeichnete die Meldestelle auch bei antisemitischen Vorfällen in Einrichtungen und Institutionen – inklusive dem NS-Dokumenationszentrum selbst. So würden sich in dessen Gästebuch immer wieder problematische Einträge finden, die von den Mitarbeitenden mit ablösbaren Stickern überklebt werden. Mit einem Text würden die Gründe für das Überkleben erläutert. Es werde bewusst nichts „versteckt“, interessierte Besucher könnten die überklebten Stellen bei Interesse immer noch lesen. „Ich hasse Juden“ sei dort beispielsweise im vergangenen Jahr von jemandem ins Gästebuch geschrieben worden.

Trend setzt sich fort

Der Konflikt zwischen Israel und Palästina stehe häufig im Zusammenhang mit antisemitischen Äußerungen, so auch bei einem Protestcamp an der Universität im April 2024.

Daniel Vymyslicky, Mitarbeiter der Fachstelle, die den Bericht herausgibt, betonte auf Anfrage, dass sich das hohe Niveau der antisemitischen Vorfälle in der Stadt in den ersten Monaten des laufenden Jahres gehalten habe. Unter anderem seien auf der Ehrenstraße und in Lindenthal im April 29 Stolpersteine, die an Opfer des Holocaust erinnern, mit schwarzer Farbe übersprüht worden. Anfang Mai sei nahe dem Klingelpützpark eine Schmiererei festgestellt worden, mit der Jüdinnen und Juden pauschal als „Mörder“ bezeichnet wurden.

Zwar sei es inzwischen bedauerlicherweise zu einer Routine geworden, judenfeindliche Vorfälle zu dokumentieren, erläutert Vymyslicky: „Es gibt aber immer wieder Vorfälle, die uns aufs Neue schockieren.“ Das sei insbesondere der Fall, wenn konkrete Personen angegriffen würden. So sei es gerade für Schülerinnen und Schüler wichtig, dass von Seiten der Lehrkräfte solche Vorfälle ernstgenommen und nicht heruntergespielt werden. Vymyslicky betont aber auch, dass Kritik am Staat Israel oder seiner Regierung nicht automatisch antisemitisch sei.

Gemeinde für bessere Bildung

„Köln kommt immerhin besser weg als andere Kommunen“, sagte der Vorsitzende der örtlichen Synagogengemeinde, Abraham Lehrer, der Rundschau zu den Ergebnissen des Jahresberichts. In anderen Städten und Gemeinden liege der Anstieg antisemitischer Vorfälle bei bis zu 50 Prozent. Gleichwohl sei es traurig, eine solche Entwicklung ausgerechnet bei den Rheinländerinnen und Rheinländern zu beobachten, die sonst „so fröhlich und gerecht zu ihren Mitmenschen“ seien. Nun müsse darüber nachgedacht werden, wie dem Trend im Bereich der Bildung entgegenwirkt werden könne, forderte Lehrer: „Was hat sich bewährt, was können wir verbessern, um solches Gedankengut zu überwinden?“

Der gesamte Jahresbericht kann auf der Webseite antisemitismus-melden.koeln heruntergeladen werden. Hier finden sich auch Hinweise, wie Betroffene selbst entsprechende Vorfälle melden und Beratung erhalten können.