Enttäuscht, frustriert, kein VeränderungswilleFestkomitee-Präsident kritisiert Stadt Köln vor Elften im Elften

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Die Zülpicher Straße wird am Samstag erneut zur Sperrzone, der Bereich wird weiträumig abgegittert, der Zugang wird kontrolliert. Hier feiert vor allem ein junges Publikum.

Die Zülpicher Straße wird am Samstag erneut zur Sperrzone, der Bereich wird weiträumig abgegittert, der Zugang wird kontrolliert. Hier feiert vor allem ein junges Publikum.

Der Frust beim Festkomitee über die Außenwirkung des Karnevalsauftakts im Univiertel ist groß. Als Festkomitee-Präsident hat Kuckelkorn noch große Ziele. 

Als die Willi-Ostermann-Gesellschaft kürzlich die Planungen für den Elften im Elften in der Altstadt vorgestellt hatte, haben Sie die professionelle Herangehensweise an dieser Stelle gelobt. Und damit indirekt auch die Stadt für ihr Konzept rund um die Zülpicher Straße kritisiert. Was stört Sie am meisten?

Wir treffen uns seit Jahren am Runden Tisch und sind enttäuscht über das, was sich jetzt wieder abzeichnet. Jeder weiß, dass die Sessionseröffnung auf einen Samstag fällt, und bei halbwegs trockenem Wetter dürften wir eine Rekordbeteiligung erleben. Das wäre eine gute Chance gewesen, alternative Konzepte auszuprobieren, die jungen Menschen in Feiern ermöglicht. Das ist aber nicht der Fall. Alle Ideen, die in den Arbeitsgruppen des Runden Tischs erdacht worden sind, wurden mit der Begründung abgelehnt, dass die Kapazitäten bei Rettungsdiensten und Polizei nicht ausreichen. Unter dem Strich heißt das aber: Es gab nie die Möglichkeit, etwas anders zu machen. Und das ist nach einem Jahr Arbeit sehr frustrierend. Wir werden das Geschehen am Samstag sehr kritisch und wachsam beobachten.

Die Leiterin des Ordnungsamts argumentiert, die Zeit für Alternativen sei zu knapp gewesen. Das verwundert, weil schon sehr lange feststeht, dass der 11. November 2024 ein Samstag sein wird.

Christoph Kuckelkorn wurde gerade erst fütr weitere fünf Jahre  als Präsident des Kölner Festkomiteesgewählt.

Christoph Kuckelkorn wurde gerade erst fütr weitere fünf Jahre als Präsident des Kölner Festkomiteesgewählt.

Wenn man jedes Jahr aus den Sommerferien kommt und sich dann die ersten Gedanken macht, ist es halt zu knapp. Das ist logisch. Wir planen den Rosenmontagszug auch nicht erst zwei Wochen vorher. Das ist ein Ganzjahresprojekt. Zum Teil sind wir jetzt schon bei den Planungen für 2025. Über den Arbeitsrhythmus der Stadt sind wir enttäuscht. Jetzt hat die Stadt eine Chance verpasst, das war ein verschenktes Jahr. Die Stadt muss jetzt klären, was am Elften im Elften generell möglich ist, vorher brauchen wir nichts mehr zu planen. Wir hoffen jetzt schon seit sieben Jahren immer auf das nächste Jahr. Da sehen wir sehr wenig Veränderungswillen.

Nun werden vermutlich wieder die Bilder von den Feierauswüchsen im Univiertel die nationale und internationale Wahrnehmung vom Kölner Karneval prägen. Und nicht die offiziellen Feierlichkeiten auf dem Heumarkt.

Wir werden zu Sessionsbeginn und auch Weiberfastnacht wunderbare Veranstaltungen in der Stadt haben, wo Jecke friedlich feiern und das Brauchtum perfekt zelebriert wird, sei es auf der Straße oder in den Kneipen. Ich fürchte, dass der WDR seine Übertragung vom Heumarkt immer wieder unterbrechen wird und ins Krisengebiet Kwartier Latäng schaltet. Die Außendarstellung unserer Stadt und unseres Karnevals wird unterlaufen, und das tut weh, wenn man ein ganzes Jahr als Ehrenamtler investiert.

Direkt neben der Feierzone an der Zülpicher Straße liegt die Synagoge. Befürchten Sie hier auch unschöne Bilder?

Generell empfinde ich es als schockierend nach dem Angriff auf Israel einen aufflammenden Antisemitismus beobachten zu müssen. Damit kann ich überhaupt nicht leben. Ich dachte, diese Zeiten sind endgültig vorbei. Jetzt ist die Zeit für Zivilcourage, es geht darum, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Zwei Tage vor dem Sessionsbeginn gedenken wir in der Stadt der Reichsprogromnacht – da treffen verschiedenste Stimmungslagen aufeinander. Ich wünsche mir eine friedliche Stimmung an der Synagoge.

Der Präsident der Kölschen Kippa Köpp, des jüdischen Karnevalsvereins, hat jüngst gefordert, auch Karnevalsvereine und Künstlerinnen und Künstler sollten nun stärker Präsenz zeigen. Hat er Recht?

Wir sind mit den Kippa Köpp fast täglich im Austausch. Ich glaube, viele Karnevalisten sehen den Karneval noch als sehr unpolitisch. Es tut sich was, die Arsch huh AG formiert sich, ich habe zuletzt mit vielen Vertreterinnen und Vertretern der Musikszene gesprochen und sie eingestimmt, ihnen Rückhalt zugesichert und verdeutlicht, dass wir uns als Festkomitee klare Statements erwarten. Das wird hoffentlich auch passieren.

Kuckelkorn: „Mir schwebt eine Erlebniswelt vor “

Sie sind kürzlich als Präsident des Festkomitees wiedergewählt worden. Welche Ziele verknüpfen Sie mit der nächsten Amtszeit?

Wir haben in der schwierigen Corona-Zeit und auch danach viele Projekte begonnen, die ambitioniert sind.

Welche Projekte sind das?

Ganz wichtig ist mir für das Karnevalsmuseum ein Standort in der Innenstadt – ein ambitioniertes Projekt. Mir schwebt eine Erlebniswelt Karneval vor, die auch für Kölnbesucher interessant ist. Wir planen eine zeitgemäße Inszenierung, die das Gefühl von Karneval transportiert. Und es gilt den Karneval, den wir über eine schwierige Zeit gerettet haben, ans Laufen zu bringen.

Gerade kleine Vereine hatten Schwierigkeiten, die Säle zu füllen.

Wir sehen einige Vereine, die Schwierigkeiten haben, weil das Publikum offenbar auch bei Sitzungen immer größere Professionalität erwartet. Es muss sich für Vereine wieder lohnen, eine Veranstaltung anzubieten. Momentan fressen die Preissteigerungen jeden Ertrag auf. Die großen Gesellschaften sind getrieben und machen immer mehr Veranstaltungen, die kleinen kapitulieren irgendwann. Der Schulkarneval ist mir wichtig, eine der vordringlichsten Aufgaben. Und wir brauchen durchlässige Zugangsmöglichkeiten zum Karneval. Für den jüdischen Karneval war das kein Problem, für den großen Anteil islamisch geprägter Menschen in Köln ist der Zugang aber nicht gegeben. Daran wollen wir arbeiten.

Neues Team für die Proklamation

Muss der Karneval nicht deutlich diverser werden? Nichts für Ungut, aber bei den regelmäßigen Präsidentenabenden sitzt doch der Prototyp des alten weißen Mannes am Tisch.

Ich denke der Karneval als großer Organismus ist glaube ich so divers wie noch nie. In den 1950er und -60er Jahren war er ausschließlich durch die Alte-weiße-Männer-Welt geprägt. Jetzt gibt es jedwede Ausprägung und unterschiedlichste Formate. Es gibt keine Alterslücke mehr, in der Karneval als uncool empfunden wird. Aber natürlich kann der Karneval an vielen Stellen noch diverser werden. Als Festkomitee wünschen wir uns beispielsweise mehr Frauen in verantwortlichen Positionen.

Schwierig ist seit Jahren der Fernsehkarneval, egal ob Proklamation oder Sitzung. Stehen hier auch Veränderungen an?

Bei der Proklamation des Dreigestirns im Gürzenich versuchen wir eine Veranstaltung zu präsentieren, die einer Dramaturgie folgt und einen roten Faden hat. Das ist in den vergangenen Jahren nicht immer so gut gelungen, jetzt haben wir ein neues Team installiert. Bei den Sitzungen ist es schwierig, die grundverschiedenen Bedürfnisse des Saalpublikums und der Fernsehzuschauer zu vereinen. Wir wollen das Kölner Gefühl transportieren, so dass es auch in Nord- oder Süddeutschland verstanden wird. Das ist eine große und schwierige Herausforderung.

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