Karneval in KölnPuppensitzung im Hänneschen-Theater zeigt sich politisch und provokant

Lesezeit 3 Minuten
Die Zukunft hat im Hänneschen-Theater schon begonnen. In der Puppensitzung taucht das erste weibliche Kölner Dreigestirn auf.

Die Zukunft hat im Hänneschen-Theater schon begonnen. In der Puppensitzung taucht das erste weibliche Kölner Dreigestirn auf.

Im Jubiläumsjahr präsentiert das Hänneschen-Theater eine sehr meinungsstarke Puppensitzung. Die Skandal-Band Rammstein wird persifliert. Außerdem ist die dreistündige Aufführung ein starkes Bekenntnis gegen Rechts.

Es knallt und zischt ganz fürchterlich, draußen vor Mählwurm Pitters Kneipe, wo sich halb Knollendorf versammelt hat. Weil ein Rohrbruch den Veranstaltungssaal flutet, wird der Sitzungskarneval ordentlich durcheinandergewirbelt. Diese widrigen Umstände sind der Ausgangspunkt der Hänneschen-Puppensitzung, die im Jubiläumsjahr des Theaters so politisch wie selten zuvor ausfällt. Intendantin Mareike Marx und ihr Team setzen mit dem erstmals von einem „Kreativ-Team“ geschriebenen Stück ein starkes Zeichen für Demokratie, gegen die AfD und für mehr Weiblichkeit im Karneval.

Nach dem Rohrbruch-Desaster beginnt die Puppensitzung mit einer demokratischen Abstimmung. „Solle mer die Sitzung he mache?“, fragt Schäl ins Publikum. Die Antwort ist lauter Applaus. Fortan spielt so ziemlich jeder mal den Sitzungspräsidenten, Röschen schreit nach „Revolution“ und dann betritt tatsächlich das erste weibliche Dreigestirn die Bühne und wird geradezu frenetisch gefeiert. Im dazugehörigen Krätzchen werden die Reaktionen besungen: „Selbst im hillije Sartorty-Saal - drissejal.“ Und weil das Ensemble gerade so schön in Fahrt ist, bekommt auch der Kardinal eine gereimte Abreibung. „Mer han vun ihm die Schnauze voll - Maria 2.0“.

Beifall für „Nazis raus“

Das Konzept der Puppensitzung ist denkbar einfach, die Kneipe ist einziger Schauplatz, einen Kulissenwechsel gibt es nicht. Stattdessen entfaltet sich ein munteres Rein und Raus, Menschen verschiedenster Nationalitäten, Hautfarben und Berufe sind beim Karneval dabei. Zänkmanns Kätt und Köbeschen betreiben einen engagierten Wahlkampf für ihre „Ajuja“-Partei, was in diesem Fall für Alt-und-Jung-Jameinsam stehen soll. Die Puppen tragen lustige Alu-Mützen zum Schutz gegen rechte Hetze. „Verhütung durch Verhutung“, lautet ihr Motto. Später folgt ganz offensiv die Frage. „Hüre mer jetzt Applaus für ‚Nazis raus‘?“. Die Antwort ist sehr lauter Beifall.

Bauernprotest und Rammstein-Persiflage

Aber der Schrei nach Feminismus wird noch deutlich aggressiver herausgebrüllt. In einer wunderbaren Rammstein-Persiflage eskaliert Zänkmanns Kätt als Sängerin der Band „Zahnstein“ auf der Bühne, Feuer speiht und Funken sprühen, dann wird eine riesige „Titte“ hereingeschoben, aus der Wasser ins Publikum gespritzt wird. Provokanter war Puppentheater wohl noch nie. Nebenbei solisarisiert sich Speimanes auch noch mit den demonstrierenden Landwirten, knattert mit einem grünen Traktor auf die Bühne und präsentiert sein Protest-Banner: „Es ist uns eine Ähre“.

Bei aller politischer Brisanz und gesellschaftlicher Schräglage wird das kölsche Liedgut ausführlich als großer identitätsstiftender Mutmacher eingesetzt. Zur Melodie des Bläck Fööss-Klassikers „Dat Wasser vun Kölle“ singen die Puppen „Die Oper vun Kölle weed jood“. Sogar „Mottoqueen“ Marie-Luise Nikuta ersteht als Engel auf und darf singen. In der umjubelten Premiere spricht Büttenredner Marc Metzger seine eigene Puppe und präsentiert einige Kalauer aus älteren Reden.

Die Regie führt Silke Essert, an der Puppensitzung ist das gesamte Ensemble beteiligt. Alle Aufführungen sind bereits ausverkauft. Der Vorverkauf für die Puppensitzung 2025 beginnt am 3. April.

Rundschau abonnieren