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Welttag der sexuellen GesundheitKölner Arzt über Sex im Alter – „Leider oft ein Tabuthema“

3 min
Damit Menschen jeder Altersklasse ein gesundes Sexleben führen können, fordert Dr. Johan Denil mehr Aufklärung.

Damit Menschen jeder Altersklasse ein gesundes Sexleben führen können, fordert Dr. Johan Denil mehr Aufklärung. 

Laut dem RKI nehmen die Syphilis-Fälle bei Ü-60-Jährigen zu. Köln sei zudem eine der deutschen Städten mit den meisten Infektionen. 

„Sie werden es nicht glauben, aber ich habe jemanden kennengelernt.“ Wenn er Patienten im höheren Alter in seiner Praxis am Neumarkt berät, vertrauen sich manche Dr. Johan Denil gegenüber mit diesem Satz an. Als Urologe behandelt unter anderem das männliche Geschlechtsorgan und sei deshalb Ansprechpartner, wenn sexuelle Kontakte aus körperlichen Gründen nicht mehr so klappen wie früher. „Es ist ein Mythos, dass ältere Leute nur selten sexuell aktiv sind. Gleichzeitig ist das Thema in dieser Altersklasse leider oft ein Tabuthema.“

Noch größer sei die Scham jedoch beim Thema sexuell übertragbare Infektionen (STI). Den heutigen Welttag der sexuellen Gesundheit will der Kölner Arzt im Namen der in Köln ansässigen Gesellschaft „Uro-GmbH Nordrhein“ deshalb dafür nutzen, Vorurteile abzubauen. Denn die Fallzahlen der STIs unter älteren Menschen steigen. Und in Großstädten wie Köln kommt es zu besonders viele Infektionen.

Dr. Johan Denil

Dr. Johan Denil arbeitet in einer Praxis in der PAN Klinik am Neumarkt

Das legen zumindest aktuelle Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts (RKI)  zu der sexuell übertragbaren Krankheit Syphilis, einer der verbreitetsten STIs in Deutschland, nahe. Zwischen 2013 und 2023 wuchs die Infektionszahl bei den über 60-Jährigen von 326 gemeldeten Fällen auf  930 Fälle. Vor allem Männer waren betroffen. Zudem gibt das RKI an, dass es in Köln im Jahr 2023 rund 43 Fälle auf 100.000 Einwohnende gab. Damit ist die Domstadt einer der Spitzreiter der deutschen Städte. Die Dunkelziffer aller STIs könnte laut Denil jedoch deutlich höher sein.

Syphilis sei mittels Antibiotika zwar heilbar, werde aber oft verschleppt: „Das primäre Symptom ist bei Männern und Frauen meist eine kleine offene Wunde im Genitalbereich, die oft eitert, aber nicht besonders wehtut. Nach rund einer Woche verschwinden sie wieder. Andere Symptome gibt es dann erstmal nicht. Die Krankheit besteht aber weiterhin. Wenn sie unentdeckt bleibt, kann sie neben den Geschlechtsorganen auch andere Organe befallen und schließlich das Nervensystem angreifen.“ Es sei deshalb sehr wichtig, schon zum Arzt zu gehen, wenn die Wunden im Genitalbereich entdeckt werden. Diese tauchen laut dem Arzt meist zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Infektion auf. 

Zudem werde Syphilis oft durch gleichgeschlechtliche Sexualkontakte unter Männern übertragen. Das hänge mit der Verfügbarkeit des Medikaments „Prep“ zusammen, das die Übertragung von HIV verhindert. „Die Männer fühlen sich dann sicher und benutzen kein Kondom mehr.“

Kölner Arzt wünscht sich mehr Aufklärung unter älteren Menschen

Was andere STIs betrifft, variieren die Symptome natürlich. Eine einfache Faustregel gebe es trotzdem: „Die Leute sollten immer dann einen Arzt aufsuchen, wenn etwas nach dem Geschlechtsverkehr nicht mehr so ist wie davor“, empfiehlt Denil. „Das kann ein Ausfluss oder ein Brennen beim Wasserlassen sein.“ Im Zweifel sei ein Gang in die Praxis immer ratsam. Auch wenn man glaubt, vor einer Übertragung sicher zu sein. „Es können auch in festen Partnerschaften und auch beim oralen und analen Verkehr Krankheiten übertragen werden“, sagt Denil. 

Laut Denils Erfahrungen sorgen vor allem Online-Portale dafür, dass ältere Menschen immer öfter wechselnde Geschlechtspartner haben. „Menschen über 70 sind da keine Ausnahme“. Gleichzeitig mangele es in dieser Altersgruppe an Aufklärung. Das unterstützen auch Zahlen des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit (BIÖG):  So fühlt sich laut einer Studie der Initiative „Liebesleben“ von 2024 unter den Personen ab 66 Jahren jeder Dritte schlecht informiert, während es unter den 26 bis 65-Jährigen lediglich jeder Fünfte ist.

Der Kölner Mediziner wünscht sich deshalb, dass Sex im Alter in der Öffentlichkeit ein größeres Thema wird und in Praxen proaktiv auf ältere Patientinnen und Patienten zugegangen wird. Auch in Pflegeheimen sollte sich mehr um Aufklärung bemüht werden, sagt der Arzt. „Da könnte es nicht schaden, auch Kondome auszulegen. Jeder hat das Recht auf ein gesundes Sexualleben, das sagt auch die Weltgesundheitsorganisation.“