Serie

100 Jahre Kölner Messe
Wie die Messe sich nach dem Krieg wieder berappelte

Lesezeit 5 Minuten
Messe Historie 1947 - 2000

Ein Bild mit Symbolkraft: 1950 eröffnet die erste Photokina in Köln ihre Pforten, im Jahr darauf auch für internationale Aussteller.

Zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg öffnete die Messe wieder ihre Pforten – heute zählt sie zu den Großen ihrer Branche. Teil zwei unserer Serie.

Ab 1942 flogen die alliierten Bomber heftige Luftangriffe auf Köln. Was die Luftwaffe im von Nazi-Deutschland entfesselten Krieg anrichtete, schlug auf die deutschen Städte zurück. Bis 1945 sollen rund 1,5 Millionen Bomben auf Köln gefallen sein, Tausende Kölnerinnen und Kölner verloren ihr Leben. Die Stadt glich nach ihrer Befreiung einem einzigen Trümmerfeld, nur der Dom ragte noch trotzig über die Steinwüste hinaus.

Messe Historie 1947 - 2000

Die Zestörung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auch das Messegelände wurde schwer getroffen und praktisch völlig zerstört. Und doch begannen schon kurz nach Kriegsende die ersten Überlegungen, die zerstörte In-frastruktur wenigstens provisorisch wieder aufzubauen. Die Rheinmetropole sollte schnell wieder seine Bedeutung als zentraler Handelsplatz des Westens erlangen. Bereits am 14. September 1947 fand die erste Herbstmesse statt, wenn das Gelände auch mehr einem Flickenteppich denn einem veritablen Präsentationsareal glich. Die 450 inländischen Aussteller verzeichneten immerhin schon 60.000 Gäste.

Die liebevolle „Standgestaltung“ der Wiederaufbau-Jahre.

Die liebevolle „Standgestaltung“ der Wiederaufbau-Jahre.

Die Währungsreform 1948 sollte enorme Auswirkungen auf die faktisch bereits bestehende Teilung Deutschlands haben. Sowohl mit der Währungsreform nach amerikanischem Vorbild in den westlichen Besatzungszonen wie mit der vier Tage darauf folgenden Geldreform auf sowjetischer Seite. Ludwig Erhard, damals „Direktor der Verwaltung für Wirtschaft“ auf westlicher Seite, postulierte das „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“, das in großen Teilen der amerikanischen und britischen Zone eine marktwirtschaftliche Ordnung garantierte mit knappen, aber stabilen Geldwerten. 100 Reichsmark wurden zu 6,50 D-Mark, die wiederum im Verhältnis eine Mark zu 30 amerikanischen Cent stand. Die Gefahr einer Geldentwertung war gebannt, es lohnte sich, zu produzieren. „Eine auf Gedeih und Verderb in die Weltwirtschaft eingegliederte Volkswirtschaft bietet für politische Abenteurer und Abenteuer keinen Spielraum mehr“, erkannte Erhard 1948.

Die goldenen Jahre erfassen auch die Messe

Der rasant einsetzende Wirtschaftsaufschwung zu Beginn der 1950er Jahre ließ auch Köln wirtschaftlich aufleben, und mit der Stadt die Messe. Die sollte bereits Anfang des neuen Jahrzehnts eine ihrer großen Erfolgsstorys schreiben dürfen: 1950 kam die Photokina erstmals nach Köln, damals noch ausschließlich mit deutschen Ausstellern. Doch bereits mit der ersten internationalen Photokina ein Jahr darauf sollte sich in Köln eine der großen Leitmessen etablieren.

100 000 Besucher verzeichnete die Messe damals. Im Zwei-Jahres-Rhythmus gab es technische Neuerungen zu bewundern: Der erste Kleinbild-Farbfilm, Vierbilder-Kameras für Passfotos, die erste Spiegelreflex-Kamera, Super-8-Kameras mit Ton. Heute gibt es sie nicht mehr: Die Photokina allerdings wurde 2018 eingestellt.

Heute ist die Messe geprägt von moderner Architektur etwa am Südeingang.

Heute ist die Messe geprägt von moderner Architektur etwa am Südeingang.

Spätestens mit der Wiederaufnahme der Allgemeinen Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung (Anuga) war die Messe wieder das, was sie vor dem Krieg schon war: ein international geachteter und respektierter Handelsplatz.

Konrad Adenauer schaut genau hin

Konrad Adenauer, einer der großen Initiatoren der Kölner Messe, war zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr Oberbürgermeister der Stadt, beobachtete aber mit Argusaugen, was sich in „seinem“ Rheinland tat. Und mischte sich bisweilen tatkräftig ins Tagesgeschehen ein, wie Zeitzeugen berichteten: Der Regierungssitz war schließlich nicht weit weg und die Wortgewalt des „Alten“ respektiert bis gefürchtet.

Moderne Architektur auch am Nord-Portal

Moderne Architektur auch am Nord-Portal

1956 hatte das Messegelände wieder annähernd die Größe von 1928 erreicht, und es ging weiter rasant bergauf. 1962 beginnt eine zweite Baustufe, die die Hallen 5, 12 und 13 mit dem Haupteingang Osthallen sowie die Erweiterung der Halle 11 umfasst. Zu Beginn der 1960er-Jahre ist der vorläufige Höhepunkt erreicht: Gut eine halbe Millionen Besucher strömten in die Messehallen, knapp 9000 Aussteller präsentieren sich. Waren es 1958 noch neun Veranstaltungen, organisiert die Messegesellschaft 1963 bereits 13 Fachmessen und Ausstellungen. Fast 200 Mitarbeiter sind für die Kölner Messegesellschaft tätig. 1967 ist die Baustufe abgeschlossen, aber nicht zuletzt die Bundesgartenschau 1957 am Rheinpark trug schon dazu bei, dass die Messe von den Kölnerinnen und Kölnern als zentrales Element ihrer Stadt wahrgenommen wurde.

Derweil etablierten sich immer mehr kleine und große Fachmessen, die „Herren-Mode-Woche“ und die „Baby“ als Vorläufer der Kind und Jugend feierten Premiere, die Haushalts- und Eisenwarenmesse wurde zum Branchentreffpunkt. 1968 wurde der im Krieg schwerbeschädigte Messeturm wieder eröffnet, und knapp eine Dekade später wird der Neubau der Osthallen mit rund 45.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche sowie dem Congress-Centrum Ost abgeschlossen. Die Messe hatte nun eine direkte Anbindung des Geländes an die Autobahn, ab 1983 auch eine deutlich verbesserte Anbindung an den   Nahverkehr. Die Hallenfläche war weiter gewachsen auf 230.000 Quadratmeter. 1998 beginnt die Ära der Popkomm mit 1000 Ausstellern aus aller Welt und über 500 Konzerten. Es ist die größte Musikmesse der Welt.

Erfolgreich und immer wieder zukunftsgewandt verteidigte Köln seinen Platz unter den Großen des Geschäfts. Dann kam das Jahr 2003, und Köln machte seinem Laissez-Faire-Ruf wieder einmal alle Ehre. Die Stadt bot dem Fernsehsender RTL die Messehallen am Deutzer Ufer an, um dessen Wegzug zu verhindern. Unter enormem Zeitdruck musste passender Ersatz für die Messe selbst gefunden werden, und zunächst schien auch alles wie am Schnürchen zu laufen.

Der kölsche Klüngel schlägt zu

Im Dezember 2003 wurde der Auftrag für den Neubau der Nordhallen an den Oppenheim-Esch-Fond beschlossen. Allerdings ohne Ausschreibung. Was die Stadt nach Einschätzung der EU-Kommission beträchtliche Millionen Euro kostete und unter anderem dem damaligen OB Fritz Schramma ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue einbrachte. Das Verfahren wurde später eingestellt, Köln aber hatte einmal mehr seinen Ruf als Klüngel-Hauptstadt zementiert.

Der Standort und die neuen Hallen selbst dagegen sollten sich als Volltreffer erweisen. Zu Beginn des Jahres 2006 wird die neue „Koelnmesse“ pünktlich zur internationalen Möbelmesse „Imm cologne“ eröffnet. In 16 Monaten Bauzeit sind vier neue Messehallen mit neuem Congress-Centrum entstanden. Die Arbeiten am Gelände enden im Sommer 2006 mit der Fertigstellung des neuen Messeingangs Süd, der die Hallen an den ICE-Bahnhof Köln Messe/Deutz anbindet.

Ein echter Coup gelang 2009 mit der Gamescom: Die weltgrößte Messe für interaktive Unterhaltungselektronik kommt nach Köln. Zur Eröffnung spielen die Toten Hosen, die Messe jubelt über eine Viertelmillion Besucher und an manchen Ständen bilden sich bis zu 60 Meter lange Schlangen. Im gleichen Jahr startet auch die „dmexco“, die Leitmesse für digitale Industrie. Mit der „Koelnmesse 3.0“ startet im Jahr 2015 das umfangreichste Modernisierungsprogramm der eigenen Unternehmensgeschichte: mit neuen Formaten, zunehmender Digitalisierung, parallel stattfindenden Fachmessen – und nicht zuletzt mit der für Juni 2024 geplanten Eröffnung des „Confex“, einem weltweit einmaligen Mix aus Ausstellungsfläche, Kongresszentrum und Eventlocation.

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