Zum Auftakt der Interview-Serie „Das andere Gespräch“ spricht Kabarettist und Stunksitzungs-Gründungsmitglied Didi Jünemann über Rugby.
Das andere GesprächDidi Jünemann über Rugby - „Ich bin flink wie ein Wiesel“

Voller Körpereinsatz: Didi Jünemann mit dem Rugby-Ei.
Copyright: Nabil Hanano
Sie möchten über Rugby sprechen. Warum haben Sie sich dieses Thema ausgesucht?
Weil ich Rugby als Zuschauer für mich vor ein paar Jahren entdeckt habe. Mehr oder weniger per Zufall über die Patentochter meiner Frau. Als meine Frau sie das erste Mal spielen sehen hat, hat sie zu deren Mutter gesagt: „Wie kannst du es deiner Tochter erlauben, so ein Raufsport mitzumachen?“
Wann haben Sie das erste Rugbyspiel von ihr gesehen?
Sie hat für den SC Neuenheim in Heidelberg gespielt, das ist DIE Rugbystadt in Deutschland. 2019 hat sie mit ihrem Team in Hürth gespielt, es war das entscheidende Spiel um die Meisterschaft. Der RSV Köln hat gewonnen und war Deutscher Frauenmeister im 15er-Rugby.
Was hat sie so fasziniert am Rugbysport?
Die Mischung aus totalem Aufeinanderprallen und der notwendigen Spritzigkeit hat mich begeistert. Und dann ist da dieses verrückte Ei, dieser Anarcho-Ball. Das Ding kann keiner berechnen. Wenn der einmal auftippt, weiß keine Sau, was passiert. Ein totaler Anarchist.
Um für das Foto ein Rugby-Ei zu besorgen, habe ich die ganze Stadt abgegrast. Das sagt schon viel darüber aus, welchen Stellenwert Rugby hier hat.
Rugby kommt in Deutschland in der Öffentlichkeit nicht vor. Der Stellenwert ist unter aller Sau. Und das, obwohl die Rugby-Weltmeisterschaft vom Zuschauerinteresse und den Einschaltquoten das drittgrößte Sportereignis der Welt ist. Erst kommt die Fußball-WM, dann die Olympischen Spiele und dann die Rugby-WM.
2023 fand die WM in Frankreich statt. 80.000 Menschen sahen das Finale im Stade de France. Warum interessiert das in Deutschland kaum jemanden?
Das wäre mal eine wissenschaftliche Untersuchung wert. Ende des 19. Jahrhunderts wurden diese ganzen Ballsportarten modern. Warum der Rugby hier nicht in die Pötte kam und der Fußball stattdessen alles übernommen hat, ist eine gute Frage. In England, Frankreich, aber auch in Südafrika, Australien oder Neuseeland ist Rugby dagegen riesig.
Auch in Köln ist Rugby ein totaler Nischensport. Der RSV Köln spielt am Alten Militärring in Klettenberg immerhin Bundesliga.
Es gab mal eine Hochzeit, zwischen 2017 und 2019 stand Köln bei den Frauen drei Mal in Folge im Finale. Die Zeiten sind mittlerweile vorbei. Aber ich kann nur empfehlen, mal bei einem Spiel zuzuschauen.
Haben Sie selbst mal Rugby gespielt?
Ehrlich gesagt nicht. Ich hatte von Anfang an viel Bezug zum Fußball, auch mein Vater hat Fußball gespielt. Ich habe auf Fußball gesetzt, aber mittlerweile denke ich: Wäre ich von Anfang an auf Rugby gegangen, hätte ich womöglich größere Triumphe feiern können.

Didi Jünemann war auch beim Fußball immer der flinke Spieler.
Copyright: Nabil Hanano
Wie kommen sie darauf?
Als ich mein erstes Rugby-Spiel gesehen habe, hat eine Spielerin das Spiel mit ihren flinken Läufen entschieden. Das ist etwas, was ich auch total beherrsche. Ich bin flink wie ein Wiesel, ich springe, ich kann mich drehen und wenden. Mit dem Ei Haken zu schlagen, sich gegen alle Gegenspieler durchzusetzen und den Ball über die Linie zu retten, muss sich wie ein Super-Triumph anfühlen.
Ist das wohl besser als ein Tor im Fußball?
Ja, ich glaube, das ist noch größer. Ein richtig geiles Tor im Fußball ist auch großartig – wenn das Netz sich wölbt und das Stadion tobt. Aber dieses Hakenschlagen und damit Durchkommen – das stelle ich mit persönlich noch größer vor.
Waren Sie beim Fußball auch ein Spieler, der sich überall durchgewieselt hat?
Ja, ich erinnere mich an ein Spiel in der C-Jugend, ein schweres Auswärtsspiel. Die ersten Jungs waren schon 1,80 Meter groß und dann kam ich mit meinen 1,50 Metern. Nach einer gegnerischen Ecke bekam ich den Ball, stürmte auf das gegnerische Tor zu und hatte nur noch einen großen Verteidiger vor mir. Als der sich breitbeinig vor mir aufbaute, habe ich ihm erst den Ball durch die Beine gespielt und bin dann selbst durch seine Beine durch.
Die Geschichte haben sie sich doch ausgedacht.
Nein, die ist wirklich so passiert. Als Stürmer musst du dahin, wo die Lücke ist. So ist das beim Rugby auch.
Spannend beim Rugby sind auch die körperlichen Unterschiede der Spieler. Es gibt die wieseligen, es gibt aber auch die breitschultrigen Zwei-Meter-Hünen.
Genau, das Mannschaftsgefüge ist total wichtig, vielleicht noch wichtiger als beim Fußball. Jeder hat seine klare Rolle, die er erfüllen muss. Und dazu kommt: Obwohl Rugby hart ist, ist es ein extrem fairer Sport. Natürlich gibt es Blessuren und blaue Flecken, aber richtig schlimme Verletzungen gibt es selten. Die Spieler respektieren sich und halten sich an die Regeln.
In England sagt man, Rugby sei „a game for hooligans played by gentlemen” - ein Hooligan-Sport also, betrieben von Gentlemen.
Das passt gut. Beim Rugby steht die Fairness über allem. Das finde ich gerade in diesen Zeiten wichtig, in denen die Welt die Fairness vergisst, in der die mächtigsten Führer von Fairness überhaupt nichts wissen wollen.
Rugby ist also hart in der Sache, aber fair im Miteinander. So wie Kabarett?
Ja, richtig. Das kann man durchaus vergleichen.