Der Kölner Gesundheitsdezernent plant drei neue Suchthilfezentren nach Schweizer Vorbild. Die Standortfrage und explodierende Kosten sorgen für eine kontroverse Debatte.
Drogenprobleme am NeumarktMillionen-Projekt für Drogenhilfe spaltet Stadtrat

Die Drogenszene am Neumarkt ist in Köln ein Problem, das immer größere Dimensionen annimmt.
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Die Auswirkungen der offenen Drogenszene auf den Neumarkt und seine Umgebung sorgen nach wie vor für Diskussionen. Auf Antrag des Ratsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt fand am Montag im Rahmen einer Aktuellen Stunde im Hauptausschuss eine Lagebesprechung und Diskussion über mögliche Maßnahmen statt. Im vollen Konrad-Adenauer-Saal hatten auch betroffene Anwohnende und Geschäftsleute Platz genommen. Im Anschluss an die Aktuelle Stunde wurde ein Antrag von Grünen, Linken, SPD, Volt und Klimafreunden zur Findung eines alternativen Drogenkonsumraums am Neumarkt beschlossen. Dieser soll den aktuellen Raum in der Lungengasse ablösen. Der Antrag sprach sich „prioritär“ für eine Nutzung der ehemaligen Kaufhof-Zentrale in der Leonhard-Tietz-Straße als Standort aus. Kurz vor dem Beschluss stellte Stadtentwicklungsdezernent Andree Haack jedoch klar: „Der Vermieter stimmt einer Nutzung des Gebäudes als Drogenkonsumraum nicht zu.“
Die Aktuelle Stunde eröffnet hatte Gesundheitsdezernent Harald Rau (Grüne) mit der Vorstellung des vom Dezernat erstellten Konzepts „Weiterentwicklung des Kölner Suchthilfekonzepts“. Crack und Fentanyl, aber insbesondere Crack, seien in Köln noch „jung“. Der Crack-Konsum zeichne sich durch eine noch schwerere Verelendung und einen noch stärkeren Konsumdruck aus als bei Heroin. Die Drogenkonsumräume der Stadt würden deshalb in ihrer bisherigen Funktionsweise nicht mehr genügen.
Drogenprobleme am Neumarkt: Suchthilfe nach dem Zürcher Modell
Um die Situation in den Griff zu bekommen, will Rau drei „Suchthilfezentren“ bauen lassen, die dem „Zürcher Modell“ folgen. Zwei Drogenkonsumräume gibt es bereits am Neumarkt und am Hauptbahnhof, ein weiterer solle im Januar 2026 in Kalk eröffnet werden. Für drei Suchthilfezentren würden laut dem Konzept rund 17 Millionen Euro pro Jahr fällig. Das würde den Haushaltsplan 2025/26 der Stadt um rund 14 Millionen Euro pro Jahr übersteigen. Die Zentren sollen in der Nähe der Drogenkonsumräume entstehen.
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Dass die Zentren nahe des Stadtkerns geplant sind, damit sie „szenenah“ sind, sorgte für Kritik. CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau erklärte: „Die Kernannahme, dass eine Szene am Neumarkt gottgegeben ist“ sei fehlgeleitet. Die Szene sei stattdessen zu lange toleriert worden. Die Idee, die ehemalige Kaufhofzentrale an der Leonhard-Tietz-Straße zu einem Suchtzentrum zu machen, hinke auch, weil sie zu nah am bisherigen Drogenkonsumraum in der Lungengasse ist. FDP-Chef Volker Görzel wies schon während der Debatte darauf hin, dass der Vermieter des Ex-Kaufhof-Areals ausschließlich einer Nutzung als Bürogebäude zustimmt.
Viola Recktenwald von der SPD ist selbst Ärztin in einer Suchtklinik. Sie gab zu bedenken, dass sich Konsumierende oft an Verkehrsknotenpunkten wie dem Neumarkt aufhalten. Keine zentralen Angebote zu machen, würde deshalb zu einer Verlagerung führen. SPD-Fraktionschef Christian Joisten stellte mit Blick auf das Konzept vor allem die Frage der Folgefinanzierung des kostspieligen Betriebs der Zentren. Von Rau wollte er den genauen Eröffnungstermin des Drogenkonsumraums in Kalk wissen. Dieser verspäte sich wegen baulicher Schwierigkeiten, so Rau. Ein genaues Datum könne er nicht nennen.
Das „Zürcher Modell“ befürwortete auch Manuel Froh von Volt. Dazu gehört auch der Mikrohandel in den Drogeneinrichtungen, wie er auch im Konzept des Gesundheitsdezernats gefordert wird. Die Leonhard-Tietz-Straße sei ein Strohhalm bei der Standortsuche. Einen perfekten Platz gebe es in einer Millionenstadt nicht.
Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister der Innenstadt, machte auf die Dringlichkeit des Problems aufmerksam. Seit über zehn Jahren gebe es ein Drogenproblem am Neumarkt. Von neuen Entwicklungen könne keine Rede sein. Nun sei es „55 Minuten nach 12 “. Er sprach sich für Konsumeinrichtungen aus, die „dezentral“, also abseits der Neumarkt-Umgebung liegen. Nur so lasse sich das Problem in der Innenstadt reduzieren.