Am Tag nach seinem Sieg in der Stichwahl spricht Kölns neuer Oberbürgermeister Torsten Burmester über seine Pläne.
Kölns neuer OB Torsten Burmester„Wir müssen schnell Lösungen finden“

Torsten Burmester auf dem Weg ins Rundschau-Haus.
Copyright: Nabil Hanano
Nach seinem Sieg in der Stichwahl gegen Berivan Aymaz war die Nacht kurz für den künftigen Oberbürgermeister Torsten Burmester (62, SPD). Gestern besuchte er die Rundschau-Redaktion, seine Pläne vorzustellen.
In der Wahlnacht hat die SPD Ihren Sieg mit einer großen Party in der Malzmühle gefeiert. Wie lange waren Sie dabei?
Gegen 22.30 Uhr bin ich von der Party weg, war dann gegen elf zu Hause. Ich habe noch ein bisschen mit meinen Töchtern geredet, die noch wach waren. Danach musste ich unzählige E-Mails, SMS-, WhatsApp- und Signal-Nachrichten checken.
Wer waren Ihre prominentesten Gratulanten?
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat mir gratuliert, der Chef der NRW-Staatskanzlei Nathanael Liminski, Vizekanzler Lars Klingbeil, Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig. Aber auch Ford-Betriebsräte, KVB-Mitarbeiter und viele andere wie die „gute Seele“ Resi vom Gremberger Treff. Ich habe es leider noch nicht geschafft, allen zu antworten. Gegen 0.30 Uhr bin ich ins Bett gegangen und um vier Uhr wieder aufgewacht.
Wie haben Sie den Wahlabend erlebt?
Es war ein sehr emotionaler Abend. Ich bin ja aus der zweiten Position in die Stichwahl gestartet, war mir aber sicher, dass ich eine Aufholjagd schaffen werde. Der Abend hat mich erinnert an die Situation 2002, als die SPD auf den letzten Metern noch die Bundestagswahl gewonnen hat und ich damals Gerhard Schröder begleitet habe. Frau Aymaz kam später noch vorbei, um mir persönlich zu gratulieren. Das war eine großartige Geste und hat mich sehr gefreut. Wir haben heute Morgen noch mal telefoniert, weil es an dem Abend so laut war.

Der neue Oberbürgermeister Torsten Burmester beim Besuch in der Rundschau-Redaktion.
Copyright: Nabil Hanano
Haben Sie insgeheim mal gedacht: Oh Mann, da habe ich mir aber einiges aufgehalst?
Der Gedanke kam mir schon während der Kandidatur, als ich das Gefühl hatte, dass die Menschen mir immer mehr Themen draufpacken. Und dann schläft man schlecht, weil die Erwartungshaltung so groß ist, man als OB aber kein Allheilmittel für jedes Problem hat. Am Wahltag bin ich nachmittags von zuhause mit dem Bus ins Rathaus gefahren, mit der Linie 106 von Bayenthal zum Heumarkt. Ein Autofahrer hat angehalten, das Fenster aufgemacht und gesagt: „Ich habe dich gewählt. Mach' was draus!“ Das beschreibt die Stimmung in dieser Stadt: Mach was draus! Löse Probleme, packe es an!
Was war Ihrer Meinung nach ausschlaggebend für Ihren Wahlsieg?
Die große Herausforderung war, in die Stichwahl zu kommen. Ich wusste, die CDU hat mit Markus Greitemann einen starken Kandidaten. Er ist eine sehr respektable Persönlichkeit, auch wenn man ihn oft kritisiert hat. Ich wusste, dass Berivan Aymaz als Grüne in Köln aus dem Stand heraus um die 25 bis 28 Prozent holt. Das ist eingetreten. Insofern ging es für mich darum, Menschen außerhalb der Sozialdemokratie zu gewinnen. Das war die Voraussetzung dafür, dass ich in die Stichwahl kommen konnte. Das habe ich geschafft. In der Stichwahl geht es, glaube ich, in erster Linie um eine Persönlichkeitswahl. Und da haben sich viele für eine Persönlichkeit entschieden, die erfahren, kompetent und zuverlässig ist.
Mit welchem Bündnis möchten Sie im Stadtrat regieren?
Es gibt mehrere Optionen. Man kann versuchen, ein festes Bündnis zu schmieden. Auf der kommunalen Ebene ist es aber durchaus möglich, mit einem Kernbündnis und wechselnden Mehrheiten zu agieren. Also gibt es verschiedene Möglichkeiten, die in Betracht kommen. Und man muss die beste Lösung suchen, die den Problemen dieser Stadt gerecht wird und möglichst viele dieser Probleme lösen kann.
Sagen Sie als SPD-OB klipp und klar: Im neuen Rat kann es kein Bündnis ohne die SPD geben?
Das hängt ja nicht von mir ab. Ich werde natürlich versuchen, ein Bündnis mit SPD-Beteiligung durchzusetzen. Wenn Sie sich die Mehrheitsverhältnisse anschauen, ist ein Bündnis ohne die SPD auch schlecht möglich.
In der Vergangenheit hatte man nicht immer den Eindruck, dass die Ideen und Wünsche der Oberbürgermeisterin in politischen Entscheidungen sichtbar werden. Wie sehen Sie das?
Ich finde, die Vorstellungen eines OB müssen auf jeden Fall deutlich werden. Auf meinem Berufsweg habe ich noch nie so eine Situation vorgefunden, bei der so viele Entscheidungsvorlagen aus der Verwaltung vom eigenen Bündnis abgelehnt und zurückgewiesen worden sind. Man sorgt hier untereinander für eine Bürokratie, die ausufert. Man muss vorher intensiver diskutieren und die Stadtratspolitik besser planen. Dazu gehört, im Vorfeld die Fraktionen einzubinden. Ich glaube, das hat bisher nicht in dem Maße stattgefunden, wie es notwendig ist.
Was nehmen Sie sich zuerst vor?
Zu meiner Vereidigung im November werde ich über mein 100-Tage-Programm sprechen. Meine Themen habe ich ja schon vorgestellt: Dazu zählen Sicherheit und Sauberkeit, insbesondere das Thema Neumarkt, aber auch in allen Veedeln. Eine spürbare Entlastung für die Anwohnerinnen und Anwohner und zugleich auch ein Hilfsangebot für die offene Drogenszene hinzubekommen – das müssen wir jetzt schnell schaffen, weil der Aufschrei der Menschen im Umfeld des Neumarkts immer größer wird. Das merke ich an vielen Zuschriften und auch an der Art und Weise der Zuschriften.
Die Stadt hat vor einigen Tagen in einem Leitfaden zum Umgang mit Drogenabhängigen erklärt, Drogenkonsum in der Öffentlichkeit sei nicht verboten. Aber man könnte doch auch die Stadtordnung ändern.
Wir müssen wegkommen von der Kultur des Wegschauens. Wir müssen hinschauen und den Menschen helfen, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass im öffentlichen Raum kein offener Drogenkonsum mehr stattfindet. Ich habe ja am Freitag zwölf Stunden auf dem Neumarkt verbracht, um mit Anwohnern und Betroffenen über die Probleme und mögliche Lösungen zu diskutieren. Und alle sagen: Macht sofort was. Das muss man einfach ernst nehmen. Den Menschen muss man zeigen, dass sich in der Kölner Politik etwas tut, dass Entscheidungen getroffen werden und dass man versucht, Lösungen zu erreichen.
Sie haben den Vorschlag des Polizeipräsidenten für die schnelle Einrichtung eines Drogenhilfezentrums in Kalk begrüßt.
Ich bin pragmatisch, und wir müssen jetzt wenigstens eine temporäre Lösung haben. Wenn wir erst in die Standortdiskussion gehen, dann verlieren wir wieder Zeit, und diese Zeit haben wir nicht. Das nehmen uns die Menschen auch nicht ab, sondern sie erwarten, dass wir schnell eine Lösung finden.
Um die Probleme in der Stadt zu lösen, müssen Sie als OB mit den neun Beigeordneten zusammenarbeiten. Bei einigen Dezernenten gibt es Kritiker, die sagen: Die haben die Probleme in den letzten fünf Jahren nicht gelöst bekommen. Wie wollen Sie diese Dezernate flottmachen, sozusagen?
Flott machen würde ich jetzt nicht sagen. Aber ich maße mir schon an, gemeinsam mit den Dezernenten über gute Lösungen für Köln zu sprechen. Und eine erratische Verkehrspolitik wird es mit mir nicht geben.
Sondern?
Eine geplante Verkehrswende unter Berücksichtigung aller Verkehrsträger.
Sie wollen, dass der FC seine fehlenden Trainingsplätze bekommt. Die Grünen wollen jegliche Bebauung auf der Gleueler Wiese verhindern. Wie wollen Sie diesen Konflikt in einem möglichen Bündnis ausräumen?
Es liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, den man mit etwas gutem Willen hätte umsetzen können, was man aber nicht getan hat. Es geht aktuell nur noch um diese zwei Kunstrasenplätze im erweiterten Bereich des Grüngürtels. Die ursprüngliche Bauplanung mit den Kunstrasenplätzen auf der Gleueler Wiese liegt beim Oberverwaltungsgericht. Ich werde mich diese Woche mit dem neuen Präsidium des FC treffen, um zu erfahren, wie sie das Thema sehen, damit wir endlich zu einer Lösung kommen. Klimaschutz und Sport sind kein Gegensatz. Und das muss auch die andere Seite anerkennen, die dogmatisch sagt: Im Grüngürtel oder auf der Wiese darf nichts gebaut werden. Für dieses Thema muss man eine politische Lösung finden. Das kann nicht wieder bis zum Sankt Nimmerleinstag verschoben werden.
Haben Sie Sorge, dass Sie als OB in den nächsten Jahren ein fremdbestimmtes Leben werden führen müssen, das kaum Zeit fürs Private lassen wird?
Nein. Man muss sich seine eigene Persönlichkeit erhalten. Ich bin am Wahltag mit der 106 ins Rathaus gefahren, und das werde ich auch weiterhin tun. Warum? Warum soll jemand mit dem Auto vorbeikommen und mich abholen, wenn ich mit dem Bus dahinfahren kann? Das funktioniert super und ich bin schnell da. Dabei bist du auch unter den Menschen und führst Gespräche. Also insofern werde ich das weiterhin tun. Die eine oder andere Ausnahme, wenn man direkt zum Termin fährt, sei erlaubt. Ich glaube nicht, dass man ausschließlich fremdbestimmt sein wird. Über den Terminkalender ist man das natürlich. Aber ich werde weiterhin ein Familienleben haben. Ich werde weiterhin einen Freundeskreis haben. Da lege ich auch Wert drauf. Ich bleibe der Mensch, der ich bin.