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Zeitreise in die SixtiesWDR Retro zeigt Schätze aus historischem Archiv

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Der Dom noch ohne Platte 1960.

  1. Vom Interview auf Wasserskiern über den Kölner Frikadellenstreit bis zum Kennedy-Besuch: Blicke in die Retro-Schatzkiste des WDR.

Köln – Um die Kunst zu erlernen, ein vollendeter Gentleman zu sein, braucht es anno 1965 nur einen sechswöchigen Kurs, man zahlt 150 Mark und fertig ist der Herr, endlich ganz souverän der Damenwelt gegenüber. Bei der Eröffnung der Internationalen Herrenschule in Köln gibt Marlies Scholz vor laufender WDR-Kamera einen Einblick, wie man es in gepflegter Atmosphäre lernt, sich zu benehmen. Toupiertes Haar und wagenradgroße Kragen trägt die Dame von Welt, der Herr Schlips zum Anzug. Auf dem Lehrplan zur persönlichen Vervollkommnung stehen damals Konversation, Benehmen, ein Candlelight- Dinner und als Krönung eine Jagd. „Auch wenn man kein eigenes Revier besitzt, sollte man mitreden können!“

Der Beitrag aus den Archiven des WDR ist einer von rund 200 Filmschätzchen aus den Archiven des Kölner Senders, durch die man sich in der ARD Mediathek klicken kann. Es gibt viel zu entdecken. Die WDR Retro-Reihe bietet Zeitgeschichte, Informatives, Skurriles. Wenn Kölner Grazien zeigen, wie man man Twist und Hully Gully tanzt, ist das heute ebenso zum Lachen wie zum Wundern.

Manches ist auch eher zum Fürchten, wie die Ansichten einer Schulrätin, die vor dem schlechten Einfluss von engen Röcken auf die Schulnoten warnt. Ein ganz besonderes Zeitdokument auch der Bericht über die Weihe von VW-Käfern vor dem Kölner Dom, mit denen Glaubensboten ausgesandt werden für ihren Einsatz in nicht-katholische Gegenden. Der Singsang von Kardinal Frings ist im O-Ton zu erleben, wie er die Geistlichen ähnlich wie die Heiligen Drei Könige „in die äußersten Winkel ihrer Sprengel“ schickt, mit viel PS unter der Haube statt auf Dromedaren und Kamelen. Lustige Lichtblicke in Coronazeiten für Zwischendurch .

Doch die Reise in die mediale Vergangenheit hatte so ihr Tücken. Nur etwa ein Drittel der Filme sei für das Projekt brauchbar gewesen, so der Sender. Mal wurde zu viel Musik verwendet, mal fehlte der Ton. Aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen seien vorerst nur Beiträge der Jahre 1957 bis Ende 1965 in die Mediathek aufgenommen. Gedreht wurde früher auf robustem 16mm-Film, der wurde dann aus der Region mit Motorradkurieren zum Entwickeln nach Köln ins eigene Kopierwerk gebracht.

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Damen- und Herrenmode in den Sixties.

Nicht allein technisch, sondern auch inhaltlich sei das Material eine Herausforderung: „Die Berichterstattung zu bestimmten Themen, etwa zur Rolle der Frau oder die Anwesenheit der damals so genannten „Gastarbeiter“ lässt uns heute manchmal zusammenzucken. Wortwahl und Formulierungen in einigen dieser Beiträge sind aus heutiger Sicht völlig unakzeptabel“, sagt Andrea Stoll, stellvertretende Leiterin der WDR Mediathek.

Ein paar Klicks, und schon kann man sich für ein paar Minuten auf eine Zeitreise in die 50er- und 60er-Jahre begeben, in Köln und der Region. Der Sesssionsauftakt 1958 zum Elften im Elften am Ostermannbrunnen, der Kennedybesuch 1963, das Porträt der Schallplattenfirma Emi Electrona von 1959 finden sich auch im Angebot. Dass es schon 1959 größte Not für Studierende auf Budensuche gab, dokumentiert ein Beitrag über die Universität, Zimmer waren ab 45 Mark zu mieten.

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Wer wissen will, wie über die Pläne zur Neugestaltung der Domumgebung mit der Domplatte früher diskutiert wurde, der kann das im Interview verfolgen. Dann sind da noch der Frikadellenstreit, Willy Millowitsch im Gespräch mit Werner Höfer zu Geldsorgen, das Torwarttraining mit Hennes Weisweiler bei Viktoria Köln, das Tauchen nach Flachbällen, das Fest des Cowboy- und Indianer-Clubs, die erste Straßenbahnfahrerin in Köln – und, und, und.