Museumsdienst-Leiterin Barbara Foerster spricht im Interview über die Aufgaben, Projekte und Herausforderungen des Dienstes.
Kölner Museumsdienst-Leiterin„Gedanken über die Geschichten hinter der Kunst anregen“

Barbara Foerster leitet den Museumsdienst Köln.
Copyright: Costa Belibasakis
Vor 60 Jahren gründete Köln als erste Stadt in Deutschland eine museumspädagogische Vermittlungsstelle. Darüber, wo der Museumsdienst Köln heute steht, sprach Diana Hass mit seiner Direktorin Barbara
Was ist Aufgabe des Museumsdienstes?
Im Grunde genommen geht es darum, den Menschen nahezubringen, was Museen mit ihren Ausstellungen interessant macht und warum sie sie besuchen sollten. Unsere Aufgabe für die Museen ist, ganz nahe an den Besucher*innen dran zu sein. In unseren Vermittlungsprogrammen – in Führungen, Workshops oder Outreach-Veranstaltungen – gehen wir mit Menschen in den Austausch. Dabei wollen wir so viele unterschiedliche Menschen wie möglich erreichen. Dafür überlegen wir uns, wie wir Inhalte so rüberbringen können, dass sie ankommen, dass sie verstehbar sind. Wir erleichtern also Zugänge und vermitteln Menschen, was die Inhalte des Museums mit ihnen und ihrer Lebenswirklichkeit zu tun haben. Oder ganz konkret: Unsere Aufgaben sind die kulturelle Bildung in den Museen und die Kommunikation für den Standort Museen Köln.
Wie schaffen Sie das?
In unseren Vermittlungsprogrammen ist es im besten Falle so, dass durch Freude Inhalte vermittelt werden. Wir regen an, dass sich die Museumsbesucherinnen und -besucher Gedanken über die Geschichten machen, die hinter den Kunstwerken oder historischen Ausstellungsstücken stecken. Wir haben jährlich rund 5.500 Veranstaltungen mit mehr als 110.000 Besuchenden. Unsere sehr unterschiedlichen Angebote richten sich an alle Altersgruppen, Menschen mit verschiedenen Herkunftssprachen, mit Beeinträchtigungen oder diversen sozialen Hintergründen. Das reicht von der Kinderführung durch Kinder selbst im Rautenstrauch-Joest-Museum bis zum Tuschekunst-Workshop im Museum für Ostasiatische Kunst.
Wie ist der Museumsdienst organisiert?
Wir arbeiten mit fast 130 freien Guides, hoch ausgebildete Expertinnen und Experten. Für jedes Museum hat der Museumsdienst eine wissenschaftliche Referent*in, die*der Programme und Veranstaltungen konzipiert, sie auf den Weg bringt und in den Museen die*der Botschafter des Publikums ist. Dies beginnt in vielen Häusern bereits bei der Konzeptionierung von Ausstellungen oder geht auch ein in die Texte, die den Besuchenden die Themen einer Ausstellung erläutern.
Wir haben eine Buchungsabteilung, die oftmals der erste Kontakt zur interessierten Öffentlichkeit ist. Diese bucht Plätze in Veranstaltungen und organisiert für Gruppen Führungen zum Wunschtermin. Ein sehr wichtiger Job ist das. Und wir haben unsere Kommunikationsabteilung, die Verantwortung trägt für die mediale Präsenz und öffentliche Wirkung des Museumsstandortes. Und natürlich haben wir unsere Verwaltung, die unserer Organisation Struktur gibt.
Was hält Menschen davon ab, ein Museum zu besuchen?
Bei Bevölkerungsbefragungen werden verschiedene Gründe genannt wie: hier werden Themen behandelt, von denen ich keine Ahnung habe und die nichts mit mir zu tun haben. Ein Museum sei nur etwas für Expertinnen und Experten. Deswegen sind aus meiner Sicht auch partizipative Projekte wie der neue Kinder- und Jugendbeirat im Rautenstrauch-Joest-Museum so wichtig. Sie vermitteln an den Nachwuchs: Deine Meinung über die Institution Museum ist extrem wichtig und sie interessiert uns.
Was ist Ihnen lieber: Ein Lob von einem Kunstprofessor oder eine Familie vom Kölnberg, die ins Museum kommt?
Definitiv die Familie, wobei es unwichtig ist, woher sie kommt. Am besten ist, wenn wir Leute für ein Museum begeistern, die vorher nicht begeistert waren. Erstbesucher, die wiederkommen, die zeigen uns doch besonders, dass die Angebote und Themen in den Museen als relevant und spannend wahrgenommen werden. Der Förderverein des Museumsdienstes, die Museumspädagogische Gesellschaft, hat Botschafter. Einer ist Sternekoch Nelson Müller. Er ist als Botschafter ein sehr überzeugendes Beispiel dafür, wie Menschen, die in der Öffentlichkeit ganz anderen Szenen (hier der Gastro- und Food-Szene) zugeordnet werden, sich für Museen begeistern und engagieren.
Warum macht Nelson Müller das?
Er hat erzählt, wie seine Eltern ihn als Kind immer in Museen mitgenommen haben und er das damals noch eher langweilig fand. Heute aber ist er begeistert von Kunst. Der frühe Zugang zu den Inhalten von Kunst- und Kulturmuseen ist eben extrem wichtig, deshalb ist kulturelle Bildung für Kinder so wertvoll. Kulturelle Bildung heißt aber ebenso, einen Menschen mit 75 Jahren, der noch nicht viel Museumserfahrung hat, dafür zu begeistern – auch im Sinne von lebenslangem Lernen.

Barbara Foerster leitet den Museumsdienst Köln.
Copyright: Costa Belibasakis
Was kann Kunst leisten?
Kunst und Kultur kann so vieles, sie kann zum Beispiel auch Seelentröster sein. Wir bieten etwa auch Projekte für Demenzkranke an: Menschen, die Demenz haben, erinnern sich bei einem Bild an bekannte Dinge von früher. Jeder hat seinen eigenen Zugang zu einem Objekt in einer Ausstellung.
Und wenn jemand zu weit weg ist, also gar nicht auf die Idee käme, ins Museum zu gehen?
Dann gehen wir eben zu den Menschen. Unsere Outreach-Projekte kommen zu den Menschen, holen sie da ab, wo sie stehen – physisch, intellektuell und emotional. Wir haben mit „museenkoeln – in der Box“ ein ganz besonderes Projekt. Wir fahren mit einem Bus voller Exponate und Objekte in die Veedel zu Vereinen, die vor Ort mit Anwohner*innen arbeiten und bieten Workshops an. Gerade sind wir mit einem Kooperationspartner dabei, es weiterzuentwickeln.
In den Museen reicht das Angebot von Führungen bis hin zu Workshops. Haben Sie Favoriten?
Ich finde eigentlich alle Projekte schön. Bei den Führungen schaffen es unsere Guides, die Leute zu begeistern, indem sie Wissen vermitteln, eine extrem wichtige Aufgabe von Museen. Manche Guides sind so gut, dass die Leute an ihren Lippen kleben. Wir haben auch tolle kreative Workshops. Dabei geht es um Kreativität, also darum, etwas selbst zu erschaffen und dadurch Themen oder auch Ästhetiken aus den Museen sinnlich zu erleben.
Gibt es auch neue Projekte?
Immer wieder. Anfang Juni hat „Art Dating“ begonnen, im Wallraf-Richartz-Museum. Dahinter steht die Idee des Museums als dritter Ort, wo die Leute sich begegnen und miteinander in Kontakt treten. Solche Projekte sind großartig, weil sie andere Zugänge zur Kunst und zum Ort Museum schaffen. Es geht dabei natürlich auch um die Vermittlung von Kunst, aber eben auch um das soziale Miteinander.
Wir erleben gerade viele Krisen. Rücken die Museen da in den Hintergrund?
Im Gegenteil, ich finde, dass Kunst und Kultur in Zeiten von Krisen umso wichtiger sind. Weil in ihnen auch kritische Entwicklungen in der Gesellschaft angesprochen werden, und zwar nicht so verkürzt wie zuweilen auf Social Media, sondern differenziert, mit Blick auf die Ambivalenzen eines Themas oder einer gesellschaftlichen Entwicklung, vielleicht auch mit Ironie. Und Museen setzen aktuelle Themen in geschichtliche oder thematische Kontexte, so wird es möglich, dass Menschen Themen einordnen können. Nicht immer nur intellektuell, sondern auch emotional und visuell. Allein die Tatsache, dass extremistische Parteien gerade bei Kunst und Kultur den Rotstift ansetzen wollen, zeigt doch, wie wichtig Kultur für die Demokratiebildung ist.
Was ist aktuell die größte Herausforderung?
Ich fürchte, es ist schlicht das Geld. Über Jahre hinweg knappe Budgets beschneiden unsere Möglichkeiten ganz konkret - das lässt sich nicht schönreden. Wir haben uns genau überlegt, wo wir kürzen, ohne unser Vermittlungsprogramm sofort zu gefährden. Wir haben den Druck unseres Museumsmagazins ausgesetzt und verlagern übergreifende Themen ins Digitale. Wenn es bei den Kürzungen bleibt oder neue hinzukommen, werden wir auch beim Vermittlungsprogramm empfindliche Einschnitte erleben. Was mir wichtig ist: Öffentliche Gelder für Museen sind keine klassischen Subventionen, sondern Investitionen in Menschen, in Bildung, in gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das, was wir in Museen tun, erhält die öffentliche Hand mit Zinsen zurück – in Form von Programmen, die Menschen stärken, ihnen Selbstwirksamkeit geben, ihnen zeigen, wie wir über Jahrtausende hinweg als Gesellschaft trotz Kriegen, Katastrophen, Diktaturen überleben. Unsere Arbeit schafft Räume für Selbstwirksamkeit und Resilienz. Und diese Räume sind heute wichtiger denn je.