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Kölner Wegewartin läuft 800 Kilometer„Ich wollte wissen, wofür ich zuständig bin“

Lesezeit 6 Minuten
Die Kölner Wegewartin Renate Buchwald-Rzezonka nennt sich selbst ein „Gesundheitsapostel“.

Die Kölner Wegewartin Renate Buchwald-Rzezonka nennt sich selbst ein „Gesundheitsapostel“.

Köln – Unser Treffen findet an der legendären Schmitzebud Ecke Rather Mauspfad und Rösrather Straße statt. Weil sich hier neben Wanderern auch traditionell viele Radfahrer für eine Tour durchs Bergische verabreden, steht hier einer der raren Kölner Fahrradschlauch-Automaten.

Was verbinden Sie mit diesem Ort?

Für mich ist die Schmitzebud der Eingang zum Königsforst, der ein stadtnaher und doch recht ursprünglicher Wald ist.

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Warum mögen Sie ihn?

Der Königsforst bietet wunderschöne, abwechslungsreiche Wanderungen. Denken Sie an den Waldlehrpfad, die Wassertretstelle oder an das Gebiet rund um die Forsbacher Mühle.

Nicht zu vergessen den Monte Troodelöh!

Genau, Kölns mit 118 Metern höchste Erhebung, die ja übrigens auch Teil des Kölnpfades ist.

Wie sind Sie von Overath hier hin gekommen?

Mit dem Auto. Von uns aus sind das ungefähr 16 Kilometer, zu Fuß hätte ich für die Strecke wohl dreieinhalb Stunden gebraucht.

Die hüpfen Sie auf einem Bein, oder?

Als Wanderführerin beim Kölner Eifelverein mache ich fast immer die Strecken ab 20 Kilometern.

Warum so lange Distanzen?

Ich liebe die Herausforderung. Und erst auf längeren Strecken kann man richtig entspannen. Man wandert in einen Flow hinein, der den Kopf freimacht. Und ganz nebenbei sammelt man so viele Eindrücke: Orte, Wiesen, Felder und natürlich der Wald.

Kölner Wegewartin: „Beim Wandern in der Natur löst sich der Kopf“

Hat Wandern für Sie auch etwas Therapeutisches?

Die Psychologin in unserer Wandergruppe sagt: Wenn alle Leute wandern würden, wäre ich arbeitslos. Man setzt einen Fuß vor den anderen, entfernt sich vom Alltag mit seinen Problemen und baut Stress ab.

Maulen die Teilnehmer schon einmal, wenn die Tour zu lang wird?

In meiner Gruppe nicht! Mit denen kannst du über Stock und Stein gehen und sogar mal den Bus verpassen. (lacht)

Wer wandert mit dem Eifelverein?

Vor allem Frauen ab 50 aller Bildungsschichten und Berufe. Ich glaube, Männer benutzen lieber Geräte, fahren Rad oder gehen in die Muckibude. Es ist immer wieder spannend, welche Gespräche sich auf solchen langen Wanderungen entwickeln.

Im Wald diskutiert man anders als am Stammtisch?

Ja. Im Wirtshaus stoßen die Meinungen aufeinander. Da sucht man die einfache Lösung, die selten die richtige ist. Die Welt ist grau schattiert, die eine Wahrheit gibt es nicht. Beim Wandern in der Natur löst sich der Kopf, und man nähert sich mit seinen Meinungen eher einander an.

Vielleicht sollte man so manchem Politiker empfehlen, mehr zu wandern.

Bestimmt wäre das hilfreich, die kämen mal ins Nachdenken über ihre Entscheidungen. (lacht)

Mussten Sie als Kind mit Ihren Eltern im Urlaub wandern und haben es gehasst?

Nein, wir sind eigentlich nie gewandert. Mein Vater hat auf dem Bau gearbeitet, der wollte in seiner Freizeit nicht auch noch laufen.

Wie haben Sie für sich entdeckt, dass Wandern schön sein kann?

Anfangs durch meinen Hund, mit dem ich viel unterwegs war. Mit Mitte 50 habe ich dann gemerkt: Für jeden steileren Hügel brauche ich ein Sauerstoffzelt, so kann das nicht weitergehen.

Früher Roth-Händle geraucht?

Nein, gar nicht, ich bin eher der Gesundheitsapostel. Ich rauche nicht und trinke nicht.

Kölner Eifelverein betreut 800 Kilometer Wanderwege

Seit einem Jahr fungieren Sie als Wegewartin des Vereins und betreuen 800 Kilometer Wanderwege.

Aber nicht alleine! Mit dem Ehepaar Kießig bilde ich das „Wegewartteam“. Zusammen koordinieren wir die Arbeit von rund 25 ehrenamtlichen „Wegezeichnern“. Gut die Hälfte davon kümmert sich um den Kölnpfad. Weil ich nach meiner Wahl wissen wollte, wofür ich zuständig bin, bin ich die 800 Kilometer in der Corona-Zeit größtenteils abgelaufen.

Das Wegezeichen Ihres Vereins ist der gekippte Winkel.

Genau. Und die Wegezeichner sind dafür zuständig, dass sie an den richtigen Stellen angebracht sind. Der Wanderer soll ohne Hilfsmittel wie Karten oder Handys auskommen, das ist unser Ziel.

Zur Person

1955 wurde Renate Buchwald-Rzezonka in Brühl geboren. Nach der Hauptschule machte sie eine Lehre als Technische Zeichnerin. Auf die Weiterbildung mit Fachhochschulabschluss folgte ein Maschinenbau-Studium. Sie bekam zwei Kinder und begann wieder zu arbeiten: bei Schneidersöhne und als Buchhalterin bei der Gebäudewirtschaft der Stadt (bis 2021).

Schon 2015 war die passionierte Wanderin dem Kölner Eifelverein beigetreten. Ein Jahr später führte sie ihre erste Wandergruppe, seit 2021 fungiert sie als Wegewartin des Vereins. Damit ist sie mit ihren Mitarbeitern verantwortlich für rund 800 Kilometer Wanderwege.

Unter anderem betreut sie das Wegenetz des beliebten Kölnpfades, der einmal um die Stadt herum führt. Renate Buchwald-Rzezonka wohnt in Overath. www.koelner-eifelverein.de

Gehen Sie stets mit Schaufel und Besen durch den Wald?

Seit ich das Amt im Kölner Eifelverein übernommen habe, wandere ich tatsächlich mit anderen Augen. Oft denke ich, Mensch, jetzt müsste ich meine Gartenschere dabeihaben. Und fürs Gröbste habe ich mir letztens eine Sichel gekauft. Vergangenen Sommer hat es durch den vielen Regen so gewuchert, dass man auf manchen Wegen sogar eine Machete hätte brauchen können.

Welcher Ärger ist menschengemacht?

Wo viele Menschen sind, haben wir auch viel Arbeit. Unsere Wegezeichen werden abgerissen, manchmal schon am nächsten Tag. Oder überklebt, dann steht da plötzlich „Fortuna“, „FC“ oder „Wilde Horde“. Das ist schon manchmal ärgerlich.

Wegewartin beim Eifelverein, Kassenwartin beim Aggersauna e.V. Und beruflich haben Sie zuletzt als Buchhalterin gearbeitet: passt irgendwie alles zusammen.

Stimmt. Mit Zahlen konnte ich immer gut, mir liegt das Handfeste. Wenn ein Wegezeichen weg oder beschädigt ist, muss ein neues da hin.

Wird man über die Naturarbeit auch zu einer kleinen Greta Thunberg?

So weit würde ich nicht gehen. Aber ich achte schon darauf, dass ich nachhaltig lebe. Ich kaufe zum Beispiel nur im Unverpackt-Laden in Bensberg ein. Ich laufe mit meinen gespülten Gläsern da hin und fahre mit dem Bus zurück.

Und woher wissen Sie, dass die Ware nicht vorher verpackt war?

War sie bestimmt. Aber es ist doch ein Unterschied, ob man 20 Kilo oder nur ein paar Gramm verpackt. Ich habe auch schon immer weitgehend vegetarisch gelebt.

Nie wieder Currywurst-Pommes?

Pommes esse ich schon gern, und bei meiner Mutter tue ich mir auch hin und wieder Fleisch auf den Teller. Aber zuhause esse ich inzwischen sogar vegan. Habe ich im Lockdown ausprobiert, tut mir gut.

Woran merken Sie das?

Ganz einfach: Ich bin fitter geworden und habe durch zusätzliches Intervallfasten zehn Kilo abgenommen.

Kölnpfad: „So haben wir Köln noch nie gesehen“

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kölner Eifelvereins?

Wir freuen uns über jeden neuen Wanderführer oder Wegezeichner. Je mehr Helfer, desto besser können unsere Wege gepflegt werden. Und wer einfach nur Spaß am Wandern hat, kann gerne Mitglied werden. Immerhin existiert dieser traditionsreiche Verein schon seit 1888!

Inwiefern war die Einrichtung des Kölnpfades im Jahr 2008 eine gute Idee?

Ich treffe immer wieder Leute, die sagen: So haben wir Köln noch nie gesehen! Ich bin ihn ja auch abgelaufen und war überrascht, was diese Stadt alles zu bieten hat an Denkmälern und Naturschönheiten. Durch Corona ist der Kölnpfad noch einmal beliebter geworden, wir mussten das Buch und die Tourenkarte neu auflegen.

Haben Sie auf dem Kölnpfad einen Lieblingsabschnitt?

Das sind die beiden Touren im Bergischen Land: hier von der Schmitzebud über den Monte Troodelöh bis nach Bensberg. Und vom dortigen Schloss Bensberg zur Grube Cox, einem renaturierten ehemaligen Steinbruch.

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