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Interview

Oberbürgermeisterwahl
Berivan Aymaz will Köln mit Haltung und Tatkraft führen

7 min
Berivan Aymaz hat eine revitalisierte Industriehalle in Kalk als Gesprächsort ausgesucht.

Berivan Aymaz hat eine revitalisierte Industriehalle in Kalk als Gesprächsort ausgesucht.

Berivan Aymaz (53) will als OB auch unbequeme Themen anpacken und Entscheidungen konsequent umsetzen. Teil 2 unserer Interview-Serie mit Kölner OB-Kandidierenden.

Am 14. September wird eine neue Oberbürgermeisterin oder ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Wir haben die drei aussichtsreichsten Kandidaten zum Interview gebeten – an einem Ort ihrer Wahl. Heute: Berivan Aymaz (53, Grüne).

Warum haben Sie das „Machwerkhaus“ in Kalk als Treffpunkt gewählt?

Ich lebe seit meinem achten Lebensjahr im rechtsrheinischen Köln, bin in Kalk auf die Kaiserin-Theophanu-Schule gegangen und kenne den Stadtteil gut. Im Machwerkhaus wurden stillgelegte Industrieanlagen zu einem vibrierenden Zentrum für Kreativität und Produktion umgebaut. Produzierendes Gewerbe und Designerwerkstätten haben sich hier angesiedelt, hier entstehen unter anderem regionale Sneaker. Es ist gut, dass Produktionsstätten zurück in die Stadt geholt werden, um kurze Wege zwischen Herstellern und Verbrauchern zu ermöglichen. Früher wurden hier Dieselmotoren produziert, heute liegt der Fokus auf Nachhaltigkeit. Das Machwerkhaus zeigt, welche Chancen im Strukturwandel liegen und was in Köln alles möglich ist.

Wollen Sie als OB einen besonderen Fokus auf das Rechtsrheinische legen?

Als Oberbürgermeisterin werde ich die gesamte Stadt im Blick haben. Dabei ist mir besonders wichtig, auf die Stadtteile zu schauen, die in vielen Bereichen bisher nicht dieselbe Berücksichtigung hatten wie andere. Im Rechtsrheinischen gibt es zu wenig Radwege, viele sind marode. Und auch beim KVB-Netz gibt es hier Nachholbedarf. Kalk und Mülheim sind stark versiegelt, hier braucht es viel mehr Grünflächen.

Ich will die Lebensqualität im Rechtsrheinischen stärken und dafür sorgen, dass es stärker als Teil der Gesamtstadt wahrgenommen wird – mit kulturellen Angeboten, die auch für Menschen aus dem Linksrheinischen interessant sind.

Und was die Stadtteile betrifft, die stark von Armut betroffen sind – auf beiden Seiten des Rheins –, da braucht es gute soziale Angebote, Kitaplätze und vieles mehr, um Missständen frühzeitig zu begegnen.

Sie sind seit Monaten in Köln unterwegs, haben unzählige Menschen getroffen. Welche neue Erkenntnis haben Sie im Wahlkampf gewonnen?

Neben den drängendsten Themen wie bezahlbares Wohnen und verlässliche Mobilität ist Sauberkeit ebenso ein zentrales Thema in unserer Stadt. Aus den vielen Gesprächen, die ich dazu führen konnte, habe ich mitgenommen, dass viel mehr dahinter steckt als nur der Blick auf dreckige Straßen. In einer Zeit weltweiter Krisen, Konflikte und Kriege, angesichts der wirtschaftliche Lage und des Auseinanderdriftens unserer Gesellschaft wächst die Sehnsucht nach einem Ort, an dem man sich wohlfühlen kann. Und zum Wohlbefinden gehören Sauberkeit und Sicherheit dazu, keine Frage. Deswegen nehme ich das so ernst.

Wenn Sie einer Bürgerin oder einem Bürger in einem Satz erklären müssten, warum man Sie wählen soll, was sagen Sie?

Köln steht vor großen Herausforderungen, ich habe langjährige politische Führungserfahrung und werde als Oberbürgermeisterin alle Menschen mitnehmen, mit Empathie und Gespür für diese Stadt.

Auf Ihren Wahlplakaten sprechen Sie von Haltung und „Jeföhl“. Was wollen Sie damit ausdrücken? Wie würden Sie Ihre Herangehensweise, Ihren Stil beschreiben?

Ich trete mit Haltung an. Haltung bedeutet für mich vor allen Dingen, Verantwortung zu übernehmen, auch in schwierigen Zeiten. Und auch Entscheidungen zu treffen, die manchmal unbequem sind. Mit Tatkraft bedeutet, diese Entscheidungen auch konsequent umzusetzen, Mehrheiten dafür zu gewinnen. Und Mitgefühl bedeutet, Empathie für das Gegenüber zu entwickeln. Für die gesamte Stadtgesellschaft, auch für die Menschen, die nicht immer hörbar sind. Für die Menschen, die wir in der Verwaltung haben und in unseren städtischen Unternehmen. Mein Ziel ist, all die klugen Köpfe in der Stadt zu motivieren. Außerdem möchte ich mehr Transparenz schaffen.

Was schwebt Ihnen konkret vor?

Ich möchte in regelmäßigen Abständen gemeinsam mit dem Verwaltungsvorstand die Öffentlichkeit über den Stand großer Projekte in unserer Stadt informieren. Was läuft gut? Was läuft schlecht? Welche Schlüsse ziehen wir daraus und was muss angepasst werden? Ich nenne es das Rathausbarometer.

Was würden Sie als OB als Erstes in Angriff nehmen?

In der Stadtverwaltung werde ich mir sofort einen Überblick über die laufenden Maßnahmen geben lassen, ein Monitoring machen und ganz schnell mit den Führungskräften der Verwaltung zusammenkommen. Denn Fortschritt ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Und selbstverständlich werde ich umgehend das Thema aufgreifen, das unsere Stadtgesellschaft gerade sehr stark beschäftigt: die Situation mit der offenen Drogenszene. Es braucht sehr schnell Hilfsangebote für Drogenabhängige und einen Ansatz, der die Probleme nicht in andere Stadtteile verdrängt, sondern echte Lösungen bietet. Denn nur so können wir auch den öffentlichen Raum entlasten.

Verbesserungen in der Drogenhilfe nach dem Zürcher Modell würden die Stadt rund 15 Millionen Euro mehr pro Jahr kosten. Würden Sie als OB dieses Geld ausgeben wollen, auch wenn dafür andere Bereiche zurückstecken müssten?

Wir müssen das Geld dafür in die Hand nehmen, weil es zum einen um Menschen in großer Not und zum anderen um unsere öffentliche Räume geht. Vor dem Hintergrund der Haushaltslage, das sage ich sehr offen und ehrlich, werden wir uns natürlich auch bemühen müssen, neue Finanzierungswege zu finden. Das bedeutet, auch zu versuchen, Unterstützung aus der Kölner Stadtgesellschaft zu erhalten, die sich schon in vielen Bereichen hervorragend engagiert.

Im Bund wird über Steuererhöhungen nachgedacht. Müssen wir uns nach der Wahl auch in Köln auf höhere Steuern, Abgaben und Gebühren einstellen?

Ich denke, dass es vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltslage realistischerweise niemand ausschließen kann. Für mich geht es insbesondere darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Stadt sicherzustellen. Für Projekte im sozialen Bereich, aber auch für die Kultur brauchen wir Geld – auch um unsere Demokratie zu schützen.

Wie wollen Sie den Haushalt sanieren?

Wir müssen uns die Einnahmen und Ausgaben genau anschauen und die Prozesse optimieren, um Kosten und Ressourcen einzusparen. Außerdem werde ich Wert darauf legen, Fördermittel von Bund, Land und EU konsequenter einzuwerben. Als Oberbürgermeisterin einer Millionenstadt werde ich mich auch stärker in die politischen Debatten mit Bund und Land einbringen mit dem Ziel, die Finanzierung der Kommunen zu stärken.

Alle Parteien sind sich einig, dass in Köln mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden sollen. Was unterscheidet Ihren Ansatz von anderen?

Für mich ist der zentrale Hebel eine sozial orientierte Flächenpolitik. Das bedeutet, dass ich baureife städtische Grundstücke zukünftig insbesondere gemeinwohlorientierten Projekten und Genossenschaften über das Erbbaurecht vergeben möchte, um sicherzustellen, dass die Mieten auch in 30, 40 und 50 Jahren noch sozial sind. Außerdem muss der Anteil des geförderten Wohnraums beim kooperativen Baulandmodell von 30 auf 50 Prozent erhöht werden. Und die Stadt muss das Bauen intensiver selbst in die Hand nehmen, am besten über eine neue 100-prozentige eigene Wohnungsbaugesellschaft. Im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern halte ich nichts davon, die Baustandards pauschal zu senken. Billiges Bauen um jeden Preis gewährleistet nicht, dass Mieten günstiger werden.

Sie sind strikt gegen einen Tunnel auf der Ost-West-Achse. Wären Sie das auch, wenn Bund und Land ihn komplett finanzieren würden, bis auf den letzten Euro?

Ja, auch dann. Und zwar, weil ein Tunnel gewaltige Ressourcen verschlingen würde. Ein Bau würde enorme planerische Kapazitäten beanspruchen, die uns in anderen Bereichen fehlen werden. Unsere Innenstadt würde sich über Jahrzehnte in eine gigantische Baugrube verwandeln und wäre damit lahm gelegt. Von den klimaschädlichen Emissionen ganz zu schweigen…

Am Wochenende haben 3000 FC-Fans für mehr Trainingsplätze im Grüngürtel demonstriert. Ist die Gleueler Wiese für die Grünen so sakrosankt, dass keinerlei Kompromiss möglich ist?

Es gibt ja eine Kompromisslösung, die den Bau eines Leistungszentrums und die Bereitstellung von weiteren Trainingsflächen für den FC vorsieht. Ich erwarte, dass dieser Beschluss jetzt auch umgehend umgesetzt wird. Der Grüngürtel ist die grüne Lunge unserer Stadt und ein wichtiges Naherholungsgebiet für alle Kölnerinnen und Kölner. Auch vor dem Hintergrund des Klimawandels sind wir darauf angewiesen, dass der Grüngürtel geschützt bleibt.

Wer kommt in die Stichwahl?

Ich bin angetreten, um zu gewinnen, und möchte am 28. September die erste grüne Oberbürgermeisterin einer Millionenstadt werden.

Was ist, wenn Sie OB werden, aber sich im Rat ein Bündnis aus SPD und CDU bildet?

Alle Umfragen zeigen, es wird kein Bündnis ohne die Grünen geben können. Die Grünen sind weiterhin stärkste Kraft in Köln. Das gibt mir Rückendeckung.