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Interview

Kölns OB-Kandidat Greitemann
„Das kölsche Lebensgefühl muss wieder für alle erlebbar sein“

7 min
Vor dem Dom wollte sich Markus Greitemann zum Gespräch treffen.Meike Böschemeyer

Vor dem Dom wollte sich Markus Greitemann zum Gespräch treffen.Meike Böschemeyer

Markus Greitemann (65) will als OB die Stadt nicht nur aufräumen, er will sie wieder sicherer machen für alle Kölnerinnen und Kölner. Wir haben mit ihm gesprochen.

Am 14. September wird eine neue Oberbürgermeisterin oder ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Wir haben die drei aussichtsreichsten Kandidaten zum Interview gebeten — an einem Ort ihrer Wahl. Den Anfang macht Markus Greitemann (CDU).

Sie haben den Dom als Ort ausgewählt. Warum?

Im Domumfeld sieht es nicht so aus, wie wir es uns in Köln vorstellen oder wie ich es mir vorstelle. Insbesondere, weil man ein Umfeld vorfindet, das in großen Teilen ungeordnet, unordentlich und auch ungepflegt wirkt. Dazu haben wir einen hohen Anteil an Menschen in prekären Lebenssituationen und Obdachlose, die sich im Umfeld bewegen und das Bild prägen. Wir müssen daran arbeiten, dass diese Menschen andere und bessere Aufenthaltsmöglichkeiten bekommen.

Als wir eben am Dom vorbeigingen, haben Sie den vielen Müll angesprochen.

Das Umfeld ist so für eine Metropole wie Köln nicht akzeptabel. Ein Verbesserungsvorschlag ist, die Reinigungszyklen zu erhöhen, damit insbesondere der Dreck und der Müll auf der Domplatte und auch im Bahnhofsumfeld entfernt werden. Es gilt genauso, Ordnungskräfte aufzubauen, die Ordnungswidrigkeiten und das Verletzen von Regeln ganz klar ahnden. Ordnungskräfte, die demjenigen, der den Müll fallen lässt, auch eine entsprechende Strafe zukommen lassen. Ich halte es für extrem wichtig, dass wir von beiden Seiten drangehen.

Und die Obdachlosigkeit?

Wir müssen Möglichkeiten für die Obdachlosen finden, damit sie nicht im Domumfeld lagern müssen. Wir müssen mehr Anlaufstellen haben, wo sie versorgt werden.

In Ihrem Programm stehen 300 neue Stellen für das Ordnungsamt. Können Sie das präzisieren?

Ich möchte diese Stellen im Außendienst. Sie sollen keine falsch parkenden Autos ahnden, sondern die Dinge, die deutlich im Außenbereich wirken. Damit es in dieser Stadt wieder ordentlich, sauber und gepflegt aussieht.

Und wie schaffen Sie das am Neumarkt?

Nach meinem Besuch in Zürich möchte ich gerne auf Basis des Zürcher Modells einen Kölner Weg entwickeln. Das heißt, dass wir sozial, aber insbesondere auch repressiv vorgehen. Ich möchte dezentrale Anlaufstellen für Obdachlose und insbesondere Drogenabhängige schaffen, wo die Menschen eben nicht nur Drogen konsumieren. Ein reiner Konsumraum ist der völlig falsche Ansatz. Wir benötigen Räume, in denen diese Menschen betreut werden, wo sie beraten werden, gesundheitlich, juristisch und auch in der Lebensberatung.

Die Abhängigen sind meist dort, wo sie Drogen kaufen können. Was sagt Ihr Kölner Weg dazu?

In den beschriebenen Räumen sollen die Abhängigen Drogen konsumieren, aber auch niederschwellig kaufen können. Allerdings nur notgedrungen von anderen Abhängigen. Drogendealer sind dort vollkommen ausgeschlossen.

Wie viele Räume sind nötig?

In Zürich waren es im Jahr 2000 sieben Anlaufstellen, heute sind es nur noch drei. Wir sind noch nicht bei dem Zustand, in dem Zürich damals war, als die offene Drogenszene die Stadt dominiert hat. Wir benötigen auf jeder Rheinseite zwei Anlaufstellen, also vier. Und die müssen 15 bis 20 Minuten von zentralen Orten entfernt sein, Fußweg oder mit dem ÖPNV. Wir müssen die Drogenszene auseinanderziehen. Dezentral bedeutet für mich aber nicht in den Außenstadtbezirken.

Wie bekommen Sie die Drogenabhängigen dorthin?

Die Menschen in diesen prekären Lebenssituationen werden einmal vom Sozialdienst angesprochen, dabei werden ihnen die Möglichkeiten aufgezeigt. Beim zweiten Mal wird das repressiv gemacht. Sozialdienst, Ordnungsamt und Polizei müssen in der Sache zusammenarbeiten. Als ich in Zürich mit dem Chef des Sozialdienstes gesprochen habe, habe ich gedacht, ich spreche mit dem Leiter des Ordnungsamts und dem Polizeichef in einer Person. Diese Art des Miteinanders ist zielführend.

Wie sieht das Ziel aus?

Wir wollen keinen Drogenkonsum mehr im öffentlichen Raum, keinen Verkauf, keine Drogenkriminalität. Und wir wollen kein unerlaubtes Lagern mehr im öffentlichen Raum. Dafür brauchen wir ein Miteinander, der Deal muss sein: Wir helfen den Drogenabhängigen, aber wir holen sie zugleich auch aus dem Raum heraus. Und das muss möglichst gleichzeitig passieren, sonst verdrängen wir nur.

Nicht nur Drogen-Hotspots und Obdachlose sorgen für Unsicherheit. Wir haben eine Reportage über das Sicherheitsgefühl einer 19-Jährigen veröffentlicht. Haben Sie das wahrgenommen?

Ich habe am Wahlkampfstand mit jungen Frauen gesprochen, die genau das auch gesagt haben: ,Wir trauen uns nicht mehr auf die Ringe, wo wir früher gerne gefeiert haben.' Vor allem nach dem Feiern würden sie kein gutes Gefühl mehr haben. Viele trauen sich nachts nicht, in die KVB-Tunnel zu gehen und an der Haltestelle zu warten, weil sie sich nicht sicher fühlen. Das liegt daran, dass sie in diesen Feier-Zonen mit den Themen Obdachlosigkeit und Drogenabhängigkeit konfrontiert werden.

Diese Angsträume sind aber nur eine Seite, Belästigungen auf offener Straße die andere.

Die jungen Frauen berichten, dass sie auf den Ringen inzwischen aggressiv angesprochen werden. Da müssen wir mehr Präsenz zeigen. Die Polizei arbeitet im Innenstadtbereich im Moment sehr stark mit Präsenz. Das wird noch zunehmen müssen, um diese Situation zu verbessern und zurückzudrängen. Und: Ich werde als OB die Gastronomie-Szene auf den Ringen und in der Altstadt und auch im Umfeld des Neumarkts prägen. Ich werde mit den Protagonisten in Gesprächen herausfinden, wie wir die Situation verbessern können.

Die Außengastronomie haben Sie als Baudezernent bereits mit dem Gestaltungskonzept geprägt. Aktuell werden Ihnen viele Baustellen zur Last gelegt. Beeinflusst das Ihren Wahlkampf?

Nein. Ich bin ein Mensch, der Verantwortung übernimmt und auch heiße Eisen mit Mut zum Risiko anpackt. Die Oper zum Beispiel und auch die Kaufhof-Zentrale. Wir können durch diese Anmietung ineffiziente Liegenschaften mit bis zu 75.000 Quadratmeter Fläche abstoßen. Dadurch sparen wir mittelfristig 20 Millionen Euro pro Jahr ein.

Neben den Vorwürfen der Konkurrenz gab es auch gefälschte Wahlplakate. Gefährden Fake-News und auch der Vandalismus an Plakaten die Demokratie?

Das ist einer der Gründe, warum ich mich zur Wahl gestellt habe: Ich sehe die Demokratie in Gefahr. Als Oberbürgermeister dieser Stadt ist es wichtig, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen. Das schaffen wir aber nicht mit Worten, sondern nur mit lösungsorientierter, ehrlicher Arbeit.

Welche Gründe hatten Sie noch, zu kandidieren?

Ich mag Menschen. Ich spreche gerne mit Menschen. Ich nehme mir sachliche Kritik zu Herzen. Und das Schöne am Wahlkampf ist, dass ich mit so vielen Menschen sprechen kann, mit denen ich sonst nie in Kontakt gekommen wäre. Das ist sehr inspirierend.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich habe intensive Gespräche mit der Aids-Stiftung geführt, mit dem SKM (Sozialdienst katholischer Männer), aber auch mit Unternehmen, die in Köln echte „hidden Champions“ sind und ich gar nicht kannte. Aber auch viele Gespräche mit dem Ehrenamt: Schützenvereine, Sportvereine und Karneval.

Wie erleben Sie diese Gespräche?

Der Umgang war weitestgehend respektvoll. Das Aggressivste war mehrfach der Vorwurf, warum ich denn glauben würde, es als OB besser machen zu können, wenn ich als Baudezernent schon nicht die Ergebnisse gebracht hätte.

Ihre Antwort darauf?

Als Dezernent war ich einer von neun. Das Beispiel der Verfahren, die zu lange dauern: Für eine Baugenehmigung brauche ich fünf Dezernate. Als OB will ich von oben einwirken, dass es schneller geht.

Nochmal zurück zu den Anfeindungen der anderen Parteien. Wie haben Sie den Wahlkampf in den Sozialen Medien erlebt?

Es macht mich traurig und in Teilen wütend. Es werden Unwahrheiten verbreitet und mit KI respektlose Reels erstellt. Damit fördern wir aber nur den rechten Rand. Und der kann die ganze Zeit still beobachten, wie wir etablierten Parteien so unklug sind und auf Social Media aufeinander rumhacken.

Über welche Unwahrheiten sprechen Sie?

Beispielsweise ich wäre verantwortlich für das Operndesaster. Richtig ist, dass ich die Verantwortung für das Projekt vor einem Jahr übernommen und wieder ans Laufen gebracht habe. Heute ist die Oper zu 96 Prozent fertig und im letzten Quartal dieses Jahres baulich komplett fertiggestellt.

Viel deutet auf eine Stichwahl für den oder die neue OB hin. Wie wollen Sie die Wähler der anderen Parteien für sich gewinnen?

Ich gehe grundsätzlich sach- und lösungsorientiert vor und bin nicht ideologisch geprägt. Ich höre mir immer alle Belange und Seiten an, um dann gemeinsam eine Lösung und eine Entscheidung zu erarbeiten. Eins ist klar: Ich will Oberbürgermeister für alle Kölnerinnen und Kölner sein.

Ein Satz zum Abschluss?

Sicherheit und Ordnung in dieser Stadt sind für mich das Wichtigste. Wer sich nicht an die Regeln hält, hat mit Konsequenzen zu rechnen. Dazu gehört: Null Toleranz für die Drogenkriminalität. Mein Ziel ist, dass in Köln wieder jeder das kölsche Lebensgefühl leben kann, ob im Zentrum oder in seiner Eckkneipe im Veedel, und sich dabei auch nachts auf dem Heimweg sicher fühlt.

Interview: Moritz Rohlinger