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Interview

OB-Kandidat Torsten Burmester
„Die Kölner Veedel stärker in den Blick nehmen“

5 min
Torsten Burmester in der Tür seines Wahlkampfbüros auf der Kalker Hauptstraße.

Torsten Burmester in der Tür seines Wahlkampfbüros auf der Kalker Hauptstraße.

Am 14. September wird eine neue Oberbürgermeisterin oder ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Wir haben die drei aussichtsreichsten Kandidaten zum Interview gebeten – an einem Ort ihrer Wahl. Heute: Torsten Burmester (62, SPD).

Warum haben Sie als Treffpunkt die Kalker Hauptstraße gewählt?

Ich habe von vornherein gesagt, ich will die ganze Stadt im Blick haben und damit auch das Rechtsrheinische. Hier ist mein Bürgerbüro, am Eingang zum Kalker Stadtgarten. Wenn ich hier bin, kommen oft Menschen herein und fragen: „Kannst du mir helfen? Kannst du mir den GEZ-Antrag ausfüllen? Hier ist ein Antrag vom Jobcenter. Ich schaffe das nicht. Ich habe Schulden. Was soll ich tun?“ Das zeigt mir, wie sehr Menschen in dieser Stadt auf Unterstützung angewiesen sind und dass wir dringend Beratungsstellen brauchen.

Sie wohnen in Bayenthal, haben Ihr Wahlkampf-Hauptquartier bewusst in Kalk aufgeschlagen.

Ich bin angekommen auf der Kalker Hauptstraße, habe viel Kontakt mit den Menschen und den Geschäftsleuten. Man wird hier schnell akzeptiert. Das Leben ist bunt. Manchmal auch schwierig. Die Kalker Hauptstraße muss sauberer werden, sie hat die üblichen Probleme dieser Stadt, über die alle sprechen. Insofern ist dieser Stadtteil wie Köln unter dem Brennglas, mit den zentralen Fragen: Wie gelingt Integration? Wie gelingt Geschäftsleben in einer stark befahrenen Straße? Wie lösen wir die Konflikte zwischen Fahrradfahrern, Autofahrern und Fußgängern auf? Wie können wir diese Straße weiterentwickeln?

Wird das Rechtsrheinische in Köln vernachlässigt?

Ja, klar. Und im Übrigen auch der Kölner Norden.

Was wollen Sie dagegen tun?

Mehr für das Rechtsrheinische und den Norden, natürlich. Wir müssen die Stadtpolitik in Zukunft anders denken. Wir müssen sie von außen nach innen denken, von den Veedeln in die Innenstadt. Bisher hat man in Köln die Stadtpolitik genau umgekehrt gedacht: von der Innenstadt in die Veedel. Und das ist der falsche Weg.

Was möchten Sie konkret ändern? Ein Beispiel, bitte.

Es geht darum, die Veedel besser zu erschließen, den Menschen die Möglichkeit zu geben, zum Beispiel mit dem Fahrrad einzupendeln. Wir müssen die Verkehrsverbindungen in die Veedel stärken. Wir haben gerade die Debatte über die Linie 18. Und da ist klar: Der Grundversorgungsauftrag der KVB gilt auch in Dünnwald und Dellbrück. Es ist wichtig, die Veedel mehr in den Blick zu nehmen und sie zu stärken.

Sie haben im Wahlkampf auf Ihrer „Veedelsschicht“ viele Betriebe besucht, unzählige Menschen getroffen und zahlreiche Podien absolviert. Welche neue Erkenntnis haben Sie gewonnen?

Was mich überrascht hat, war die Leidenschaft, mit der die Kölner trotz aller Resignation, die manchmal herrscht, über die Zukunft von Köln sprechen wollen. Die Diskussionsveranstaltungen waren immer sehr gut besucht – und das trotz einer angeblichen Politikverdrossenheit. Die Menschen äußern viel Kritik daran, was in Köln alles schiefläuft, aber sie sind auch sehr daran interessiert, die Zukunft dieser Stadt zu gestalten und besser zu machen. Diesen Erwartungen gerecht zu werden, ist eine spannende und große Aufgabe, der ich mich widmen will.

Wenn Sie einer Bürgerin oder einem Bürger in einem Satz erklären müssten, warum man Sie wählen soll, was sagen Sie?

Gerecht und besser.

Viele Ihrer Plakate tragen den Slogan Sicherheit und Sauberkeit. Warum haben Sie das zu Ihrem zentralen Wahlkampfhema gemacht?

Ich habe ja drei zentrale Themen. Da ist einmal das Thema bezahlbares Wohnen – ein Thema mit sozialem Sprengstoff, mit dem Potenzial, die soziale Frage schlechthin in Köln zu werden. Und das zweite ist Sicherheit und Sauberkeit, weil die Kölnerinnen und Kölner davon im wahrsten Sinne des Wortes betroffen sind. Deswegen ist es wichtig, dieses Thema nicht nur nach vorne zu setzen, sondern auch in den ersten 100 Tagen nach der Wahl konsequent anzugehen. Mein drittes Thema ist der soziale Zusammenhalt, den diese Stadt braucht.

Sie haben ein Großplakat am Neumarkt, einem Brennpunkt, über den wegen der offenen Drogenszene derzeit viel debattiert wird. Was wollen Sie dort unternehmen?

Man muss dreierlei machen am Neumarkt. Erstens brauchen wir Anlaufstellen für die drogenkranken Menschen entsprechend dem Zürcher Modell, die soziale und medizinische Betreuung sowie Aufenthaltsmöglichkeiten gewährleisten und in dem die Abhängigen auch konsumieren können.

Aber was ist, wenn die Drogenkranken lieber am Neumarkt bleiben wollen?

Das ist mein zweiter Punkt. Es gibt dann Anlaufstellen und ich werde durchsetzen, dass offener Drogenkonsum auf dem Neumarkt nicht mehr möglich ist. Und er wird von mir dann auch nicht mehr geduldet. Das erfordert eine verstärkte Präsenz der Ordnungskräfte. Deswegen fordere ich eine Citywache des Ordnungsamts in der Innenstadt. Außerdem ist es Aufgabe der Polizei, die Dealerszene stärker zu bekämpfen. Und drittens muss der Neumarkt sehr schnell belebt werden. Die Anwohner haben die Idee, dass dort ein fester Marktplatz entsteht mit Gastronomie und Handel, Aufenthaltsmöglichkeiten und Toiletten, in Anlehnung an andere Märkte in Deutschland. So etwas am Eingang der Schildergasse als Visitenkarte für Köln schnell umzusetzen, wäre richtig.

Was würden Sie am Neumarkt zuerst angehen?

Für die Anwohner wird die Situation jeden Tag unerträglicher. Deshalb müssen wir sie jetzt ganz schnell entlasten und umgehend eine neue Anlaufstelle für die drogenkranken Menschen schaffen, auch wenn diese Lösung erstmal nur temporär sein sollte. Außerdem müssen wir sofort die Präsenz des Ordnungsamtes erhöhen durch die bereits erwähnte Citywache.

Alle Parteien sind sich einig, dass in Köln mehr Wohnungen gebaut werden sollen. Was unterscheidet Ihren Ansatz von dem Ihrer Mitbewerber?

Als Erstes müssen wir schnell den Mieterschutz stärken, indem wir mit der Wohnungsaufsicht konsequenter gegen überhöhte Mieten, Mietwucher und Zweckentfremdung vorgehen. Außerdem könnten wir durch einen Pakt mit den Supermärkten und Discountern in dieser Stadt zügig den Bau von 1500 bis 2000 Wohnungen, zum Beispiel durch Aufstockungen auf deren Märkten ermöglichen. Das wird leichter durch den Bauturbo auf Bundesebene, der ab Herbst kommt und die Umwandlung von Gewerbeflächen in Mischflächen mit Wohnungen erleichtert.

Und ich möchte eine neue kommunale Wohnungsbaugesellschaft gründen, die auf günstigen städtischen Erbpacht-Grundstücken öffentlich geförderten Wohnraum schaffen soll.

Im Bund denkt die SPD bereits laut über Steuererhöhungen nach. Liebäugeln Sie auch damit? Oder wie wollen Sie den städtischen Haushalt sanieren?

Ich möchte keine höheren Belastungen für die Menschen und die Unternehmen in Köln. Das darf nur die allerletzte Option sein, falls uns Krisen von außen das aufnötigen würden. Ich bin entschieden dafür, die Steuereinnahmen in unserer Stadt nicht durch eine Erhöhung von Hebesätzen zu stärken, sondern durch die Ansiedlungen neuer zukunftsfähiger Unternehmen, die gute Arbeitsplätze schaffen. Die Gleichung ist einfach: Starke Wirtschaft, starkes Köln. Außerdem: Wenn man sich einige Entwicklungen in letzter Zeit hier in Köln ansieht, kann man den Eindruck gewinnen, dass, überspitzt gesagt, das Geld hier auf der Straße liegt. Überall explodieren die Ausgaben – ob bei der Mülheimer Brücke, der Kaufhof-Zentrale oder der Oper. Damit muss Schluss sein.

Was fordern Sie?

In der Stadtverwaltung muss endlich ein konsequentes Kostenmanagement eingezogen werden und ein vernünftiges und zentrales Projektmanagement. Dann wäre schon viel erreicht. Auch müssen wir dafür Sorge tragen, dass von den Investitionsmitteln, die der Bund jetzt in einer nie da gewesenen Größenordnung verteilt, möglichst viel nach Köln fließt.

Ihr CDU-Mitbewerber Markus Greitemann steht wegen der Anmietung der Kaufhof-Zentrale derzeit unter Druck. Spielt Ihnen das in die Karten?

Darüber möchte ich nicht spekulieren. Aber es scheint, dass die Stadtverwaltung hier Fehler gemacht hat. Das hat der Bericht des Rechnungsprüfungsamts bestätigt.

Was ist, wenn Sie OB werden, aber im Rat bildet sich wieder ein Bündnis aus Grünen und CDU – gegen die SPD?

Ich setze darauf, dass die SPD die stärkste Fraktion wird und dann natürlich einen Gestaltungsanspruch mit einem Oberbürgermeister hat.