Podcast aus KölnDieser Kölner will mit Vorurteilen gegen Obdachlose aufräumen

Aras Kosan
Copyright: Costa Belibasakis
Jeden Tag geht Aras Kosan an einem Mann vorbei, der offensichtlich in Köln auf der Straße lebt. Jeden Tag sitzt der Mann an der gleichen Stelle. Jeden Tag sitzt er da mit einem Buch. „Irgendwann habe ich ihn dann einfach mal gefragt, was er so liest.“ Nachdem die beiden eine Art Freundschaft aufgebaut haben, erzählt Kosan dem Mann, der Fabian heißt, die Idee von seinem Podcast. „Davon war er sehr begeistert und wollte seine Geschichte auch erzählen“, sagt Kosan.
„Obdachlos, nicht sprachlos“ – der Name des Podcasts von Aras Kosan beschreibt eigentlich schon am besten, worauf der 21-Jährige aufmerksam machen möchte. Es ist sein Herzensprojekt, das wird schnell klar, wenn Kosan darüber zu sprechen beginnt. Doch eine Sache ist ihm ganz besonders wichtig: Es geht in dem Podcast nicht um ihn. Es sind die Schicksale von Menschen, die auf der Straße leben, die ihn interessieren. Genau diesen möchte er mit seinem Projekt eine Stimme verleihen. Doch wie kam er auf die Idee?
Podcast soll auf Schicksale aufmerksam machen
„Ich habe das Gefühl, dass Obdachlose in unserer Gesellschaft unsichtbar sind.“ Ein Erlebnis hat ihn besonders bewegt: „Ich habe damals in einem Wohnheim gewohnt und wir hatten Container für unseren Müll. Ein Mann hat dort nach Sachen gesucht. Das habe ich gesehen und ihm eine Kleinigkeit mitgebracht.“ Die beiden kommen ins Gespräch. „Er hat mir erzählt, dass er studierter Soziologe ist und dass seine Frau vor ein paar Jahren an Krebs gestorben ist. Er wollte danach nicht mehr weiterleben und ist depressiv geworden. Seit dem Tod seiner Frau lebt er also auf der Straße.“ Das war während Kosans Studium in den Niederlanden.

Die Straße als Podcast-Studio: Aras Kosan nimmt die Folgen direkt vor Ort auf.
Copyright: Costa Belibasakis
Nachdem er das Schicksal dieses Mannes gehört hatte, wird er neugieriger. Er erzählt, wie ihm seitdem viel mehr obdachlose Menschen auffallen und dass er sie einfach anspricht. Nach dem Bachelor-Studium lebt Aras Kosan eine Weile in Berlin. Hier hat er bereits die Idee zum Podcast: „Ich habe so viele interessante Geschichten gehört, dass ich gedacht habe, das sollten mehr Leute hören.“ Doch den Anfang macht er dann in Köln. Wo genau seine Interviewpartner leben, möchte Kosan nicht verraten. Dass seine Podcast-Partner anonym bleiben, ist ihm sehr wichtig. Deswegen nennt er sie auch immer nur bei ihrem Vornamen. Jede Folge ist nach diesem benannt.
Spendenkampagnen für Obdachlose in Köln
Zu seinen Interviewpartnern hat er vor den Gesprächen immer schon ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Einmal ist er auch einfach so mit dem Mikro losgegangen, aber da ist er eher auf Ablehnung gestoßen. Schließlich geht es um sensible Themen. Dennoch erzählt Kosan: „Jeder mit dem ich gesprochen habe, war immer sehr offen und hat gerne mit mir geredet. Manchen Menschen konnte ich auch helfen. Aber ich würde gerne noch mehr machen. Also den Podcast verbinden mit sozialen Aspekten.“ Deswegen hat der 21-Jährige auch mit einer Spendenkampagne angefangen. Mit dieser konnte er 500 Euro für Fabian sammeln. Für die Zukunft plant Kosan weitere Spendenkampagnen für andere Obdachlose.
„Ich finde es sehr ungerecht, dass es in Deutschland überhaupt Obdachlose gibt. Manchmal macht es mich wütend, dann wünsche ich mir, dass es größere Veränderungen gebe. Auf der anderen Seite freut es mich auch, dass meine Interviewpartner schon viel Kraft aus den Gesprächen mit mir ziehen. Und sie mit ihrer Geschichte andere Menschen erreichen können“, sagt Kosan.
Einzelne Schicksale auf der Straße im Blick
Aktuell studiert der 21-Jährige Psychologie im Master. Das Ton-Schneiden hat er sich selbst beigebracht. Für den Podcast hat er sich extra ein Aufnahmegerät zugelegt, eine Bluetooth Funkstrecke. Die richtige Ausstattung ist wichtig, weil der Podcast schließlich immer draußen aufgenommen wird. In jeder Folge möchte Kosan zudem etwas Besonderes machen, Fabian hat er beispielsweise Vorurteile vorgelesen und ihn gefragt, was er dazu zu sagen hat. Eine Folge später fragt er seinen Interviewpartner nach Forderungen an die Politik, die Gesellschaft und an Einzelpersonen, die an ihm vorbeigehen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Mit dem Podcast möchte Kosan einzelne Schicksale hervorheben und zeigen, dass hinter jedem Menschen eine komplexe Leidensgeschichte steht. Auch sagt er, möchte er die Zuhörerinnen und Zuhörer für dieses Thema sensibilisieren und motivieren, sich auch mit obdachlosen Menschen zu unterhalten und sich für sie einzusetzen. „Obdachlose werden immer als eine homogene Gruppe gesehen. Es gibt Menschen, die haben sich noch nie mit einem Obdachlosen unterhalten. Da gibt es oft Vorurteile. Mit dem Podcast möchte ich auch erreichen, dass diese abgebaut werden.“