Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

ObdachloseKVB geht in die Offensive

Lesezeit 4 Minuten
Köln, RSK, Problemzone Appellhofplatz

Köln, RSK, Problemzone Appellhofplatz

In Köln sollen U-Bahnstationen nachts verschlossen werden.

Es müssen regelrecht apokalyptische Szenen sein, die sich den Service-Mitarbeitern der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) an der Haltestelle Appellhofplatz bieten. 40 bis 45 Obdachlose kommen ihnen in den frühen Morgenstunden entgegen, wenn sie die langen Gänge und Bahnsteige bestreifen. Manche anscheinend dem Tod näher als dem Leben, manche verhuscht, manche aggressiv.

Doch es ist nicht nur ein soziales Desaster, was den KVB-Mitarbeitern nicht nur am Appellhofplatz begegnet. Es wird auch immer mehr zu einem betrieblichen Problem. Darum will der Betrieb nun nochmals eine Sicherheits- und Sauberkeitsoffensive starten. In letzter Konsequenz mit durchaus drastischen Maßnahmen, wie dem Verschließen von Haltestellen in den Betriebspausen.

Aggressionen gegen Fahrgäste

„Die Probleme sind nicht neu, aber sie sind immer drängender geworden“, sagt die KVB-Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks. „Immer mehr Menschen übernachten in den U-Bahnstationen, konsumieren Drogen und hinterlassen ihren Unrat.“ Die Mitarbeiter und auch Fahrgäste würden teilweise aggressiv angegangen.

„Eltern haben inzwischen Angst um die Sicherheit ihrer Kinder auf dem Schulweg“, spiegelt die KVB-Chefin Kundenrückmeldungen wider. Der Verkehrsbetrieb bewegt sich dabei in einem Dilemma. Als Teil der Stadtgesellschaft sind ihm die Menschen in Not nicht gleich. Aber der originäre Auftrag lautet, einen verlässlichen und sicheren öffentlichen Personennahverkehr für alle Bürgerinnen und Bürger bereitzustellen.

Menschen in Hohlräumen und Tunneln

Doch die zunehmende Menge an obdachlosen Menschen in den unterirdischen Anlagen wird mehr und mehr auch ein sicherheitstechnisches Problem. Unter den Bahnsteigkanten befindet sich ein Hohlraum, denn sie bestehen aus einem L-Profil. Immer wieder müssen die Service-Kräfte der KVB aus diesen Hohlräumen Menschen herausholen, bevor in den frühen Morgenstunden die ersten Bahnen einfahren.

Auch in den Tunnelröhren wird übernachtet. Meist gehen die Menschen auf der Suche nach einem ruhigen Schlafplatz so weit in den Tunnel hinein, bis sie von der Dunkelheit verschluckt werden. Verlassen sie Hohlräume und Tunnel vor Einfahrt der ersten Bahnen, hinterlassen sie oftmals Kleidungsstücke, Schlafsäcke oder Müll. Auch die können ein Risiko für den Fahrbetrieb darstellen.

Keinem KVB-Kunden dürfte der oft beißende Geruch nach Urin und Fäkalien in den U-Bahnstationen noch fremd sein. Kaum noch ein Aufzug, der nicht regelmäßig als Toilette missbraucht wird. Mit der zunehmenden Zahl an Obdachlosen in den Anlagen nimmt auch die Geruchsbelästigung zu. Fatalerweise bilden die unterirdischen Anlagen einen „Verstärker“ für diese Gerüche. Wie durch einen Kamin geht durch die Tunnelröhren ein Wind. Der Gestank wird so verbreitet.

Maßnahmen gegen die Missstände

Die KVB haben schon einiges gegen diese Missstände unternommen. Reinigungen finden in engen Intervallen statt. Sicherheitskräfte patrouillieren regelmäßig. Seit vergangenem März gibt es gemeinsame Rundgänge mit der Polizei und Mitarbeitern des Ordnungsamtes, vor allem an den Haltestellen in sozialen Brennpunkten der Innenstadt wie Neumarkt und Ebertplatz. Obdachlose werden auf Hilfsangebote hingewiesen.

Doch es reicht offensichtlich nicht, um der wachsenden Misere Herr zu werden. Darum wollen die KVB nun weitere Schritte unternehmen. Die Reinigungsintervalle werden zum einen nochmals verkürzt und zu anderen nun mit wirkkräftigeren Mitteln vorgenommen. Darin sind laut KVB Mikroorganismen enthalten, durch die Harnsäure-Salz-Kristalle zersetzt werden. Der Uringeruch verschwinde dadurch.

Vorrangig werden diese Mittel in den Aufzügen eingesetzt. Aber ist es die Aufgabe eines Verkehrsbetriebs, jeden Tag „hinterherzuwischen“? Zumal die Übernachtungen in den Anlagen auch die Sicherheit des Betriebs gefährden. Darum wollen die KVB eventuell auch ihre U-Bahnstationen in der betriebsfreien Zeit – meist zwischen 2 und 5 Uhr – versperren. Am Anfang dieser Maßnahme soll eine Pilot-Station stehen.

Nach Informationen der Rundschau könnte dafür vor allem der Appellhofplatz infrage kommen. Weil er mit seinen langen Gängen massiv betroffen ist. Ein weiteres Pilotprojekt: Der Versuch, ob sich Musik in den Stationen positiv auf die Aufenthaltsqualität auswirkt. Das soll vorab an zwei U-Bahnhaltestellen ausprobiert werden.

Zweiter Anlauf für das Konzept „SOS“

Um die Kontrollen noch mehr intensivieren zu können, greifen die KVB auf ein Konzept zurück, dass eigentlich schon im Frühjahr 2024 vom Verkehrsausschuss unter dem Arbeitstitel „SOS“ bewilligt wurde. KVB-Personalchef Peter Densborn will die Fahrscheinprüfer sowie das Service- und Sicherheitspersonal zu einer „Truppe“ vereinen. Die heißen dann Fahrgastmanager. Die KVB haben das Stadtgebiet in sechs Bezirke eingeteilt. Jeweils ein festes Team ist dann immer für einen ihm zugeteilt festen Bezirk zuständig.

So soll ein „Wiedererkennungseffekt“ entstehen. Für die Bezirke, die den Innenstadtkern abdecken, sind Kontrollgänge rund um die Uhr vorgesehen.   Bisher treffen sich alle Sicherheits- und Servicekräfte bei Dienstantritt in der KVB-Hauptzentrale in der Scheidtweilerstraße. Die Fahrgastmanager bekämen Räumlichkeiten in ihrem Bezirk und könnten von dort sogleich ihre Arbeit aufnehmen.

Das Konzept beinhaltet auch eine Personalaufstockung. Dafür hatte der Ausschuss schon 1,5 Millionen Euro bewilligt. Doch wie zu erfahren ist, blieb das Projekt in der Verwaltung stecken. Bisher sind nach Informationen der Rundschau auch über ein Jahr nach dem Beschluss keine Gelder für „SOS“ bei der KVB angekommen.