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StromtrasseAnwohner wegen 380 000 Volt nervös

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Köln – Gegen erneuerbare Energien hat Klaus Merzbach (61) nichts. Strom aus Sonne, Wind und Wasser statt aus Kohle und Atomkraft – das sei eigentlich prima, sagt der Werbefachmann aus Weiden. Doch mit der Energiewende hat Merzbach trotzdem ein Problem. Ein ganz persönliches. Der Grund steht direkt hinter seinem Haus, ist aus grün lackiertem Stahl und rund 30 Meter hoch. An dem Mast hängen Stromleitungen mit 220 000 Volt. „Kein besonders schöner Anblick, aber noch harmlos im Vergleich zu dem, was hier geplant ist“, sagt Merzbach.

Wie Hunderte andere Kölner im westlichsten Zipfel der Stadt lebt er in unmittelbarer Nähe der Höchstspannungsleitungen, die von Pulheim-Brauweiler nach Hürth-Kalscheuren verlaufen. Vier Freileitungen sind hier zu einer breiten Trasse gebündelt, die in Lövenich und Weiden über Kölner Gebiet führt (siehe linke Grafik). Wer von Merzbachs Haus ein paar Schritte in Richtung Frechen geht, steht in einem Wald von Strommasten, der bis zum Horizont reicht.

Die Trasse gehört zu den „Stromautobahnen“, die im Zuge der Energiewende massiv ausgebaut werden. Um den Stromüberschuss von den Windparks im Norden zu den Verbrauchern im Süden bringen zu können, müssen leistungsfähigere Netze her. Geredet wurde darüber schon viel, doch jetzt soll es ernst werden. Der Netzbetreiber Amprion GmbH will im Kölner Westen die mittleren beiden der vier vorhandenen Freileitungen demontieren und durch eine neue Leitung ersetzen. Im weiteren Verlauf kreuzt die auszubauende Trasse weiter südlich in Meschenich erneut Kölner Gebiet (siehe Grafik r.). Auch hier wohnen Menschen gleich neben der Leitung, einige Häuser stehen direkt darunter.

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Das Problem: Die neuen Masten werden 70 bis 80 Meter hoch – sie sind mehr als doppelt so groß wie die alten. Der höchste wird an der Bahnlinie nach Aachen stehen und 92,5 Meter hoch sein. Außerdem steigt die angelegte Spannung: An den neuen Masten hängen insgesamt vier Stromkreise à 380 000 Volt – bislang waren es hier 110 000 oder 220 000 Volt. Für viele Anwohner ist das eine äußerst beunruhigende Vorstellung. „Ich mache mir Sorgen um die Gesundheit meiner Kinder. In der Nähe von Höchstspannungsleitungen steigt die Zahl der Leukämiefälle“, sagt Anke Robnik (49).

Sie hat mit Merzbach und anderen Mitstreitern eine Bürgerinitiative gegründet und wehrt sich gegen die geplanten Riesen-Strommasten. „Wir haben nur durch Zufall erfahren, was hier geplant ist, informiert hat uns keiner“, so Robnik. Auf den letzten Drücker konnten sie und ihre Nachbarn kurz vor Fristende noch Einsprüche gegen das Projekt erheben. Ihre Hauptforderung: Statt der „Monstermasten“ am Rande des Wohngebiets soll Amprion weiter westlich ein Erdkabel im Acker verlegen. Dafür sammelt die Initiative „Pro Erdkabel Köln West“ Unterschriften, verteilt Flyer und will die Lokalpolitiker wachrütteln.

Doch die Erfolgsaussichten sind nicht rosig. „Der Ausbau des 380-Kilovolt-Netzes ist 2009 von der Bundesregierung im Energieleitungsausbaugesetz festgelegt worden“, sagt Amprion-Sprecher Andreas Preuß. Dabei sei die an Köln vorbeiführende Trasse als Freileitung festgelegt worden. Erdkabel in 380 Kilovolt gebe es noch nicht. Man habe keine Erfahrung hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Haltbarkeit, und der Gesetzgeber habe die neue Technik bislang nur bei vier Teilstrecken in Niedersachsen und im Münsterland vorgesehen. „Die Pläne für die neue Freileitung in Köln kann nur der Bundestag ändern“, so Preuß.

Mit Blick auf die Sorgen der Anwohner sagte er, alle vorgeschriebenen Grenzwerte würden eingehalten. Die elektromagnetische Belastung, die von Elektrogeräten im Haushalt ausgehe, sei in der Regel größer als die durch die geplanten 380-Kilovoltleitungen.

Daniele Kensy von der Siedlergemeinschaft Meschenich hält diese Grenzwerte für „sehr theoretisch“. Wie hoch die tatsächliche Belastung vor Ort sei, könne man „erst messen, wenn die Masten stehen – und dann ist es zu spät“. Sie hat ebenfalls bei der Bezirksregierung Einspruch erhoben. „Wir wollen, dass die neue Freileitung mehr Abstand zu den Wohnhäusern bekommt.“

Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens arbeitet Amprion derzeit an Stellungnahmen zu den zahlreichen Einsprüchen. Nach Ostern soll ein Erörterungstermin mit der Bezirksregierung stattfinden.