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Tanzperformance im Kölner NS-DOK„Die Schreie der Wände“  - beklemmende Inszenierung im Ex-Gestapo-Gefängnis

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Tänzerin Sara Valenti übergießt ihren Kopf mit Rosenblättern.

Tänzerin Sara Valenti übergießt ihren Kopf mit Rosenblättern.

Mit der eigens für das EL-DE-Haus konzipierten Tanzperformance „Die Schreie der Wände“ bespielt die koreanische Choreographin Nayoung Kim vom  „Tanztheater Wuppertal Pina Bausch“ das Kölner NS-DOK. Am Wochenende wird die Inszenierung an drei Abenden gezeigt.

Stsiapan Hurski steht in der Zelle 6 des ehemaligen Gestapo-Gefängnisses im Keller des EL-DE-Hauses am Appellhofplatz. Der Tänzer hat seine Hände vor seinem Gesicht zu Fäusten geballt. Ein eindrucksvolles Bild in der beklemmenden Enge der Zelle. Im Hintergrund ist das dumpfe Rattern der vorbeifahrenden U-Bahn zu hören. Hurski öffnet die Fäuste und durch seine Finger rinnen rote Fäden. Sie hängen von seinen Wangen. Wie blutige Tränen, die auf den Zellenboden tropfen.

Wo zum Ende des Zweiten Weltkriegs ausländische Zwangsarbeiter von der Gestapo gefoltert wurden, soll nun diese Szene als Teil einer Tanzperformance präsentiert werden. Die koreanische Künstlerin und Choreographin Nayoung Kim, die seit 1996 Teil des „Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch“ ist, wird am ersten September-Wochenende drei Abende lang die Gefängniszellen und den Innenhof mit ihrem Team bespielen. Die beklemmende Inszenierung hat die 61-Jährige eigens für das EL-DE-Haus entwickelt. Im vergangenen Oktober hatte Schauspielerin Nicola Schubert bereits mit ihrem Audio-Walk „Arrest“ das NS-DOK bespielt.

Der Tanz soll zur Versöhnung beitragen

Als Nayoung Kim das erste Mal die Zellen besuchte, war sie ergriffen von der Geschichte des Ortes. „Ich war schockiert und hatte richtig Kopfschmerzen“, erinnert sie sich. Schnell sei ihr klar gewesen, dass sie an diesem Schauplatz des NS-Terrors eine Performance stattfinden lassen wolle. Ihre Hoffnung: „Vielleicht können wir mit unserem Tanz ein wenig versöhnen.“ Dieser soll Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbinden. Neben der deutschen Geschichte geht es dabei auch um einen Dialog zwischen Japan, das mit Nazi-Deutschland verbündet war, und Korea, das schwer unter japanischer Besatzung litt. Koreanerin Nayoung Kim hat dafür ihre Freundin, die japanische Künstlerin Linn Aoki, eingeladen, bei der Vorführung zwei ihrer Videoprojektionen zu zeigen. Das Ziel ist die Versöhnung durch Kunst.

In einer Szene verbeugen sich Stsiapan Hurski und seine Kollegen Andrey Berezin, Sanne Vree und Sara Valenti aus den offenstehenden Zellentüren.

Vor zwei Jahren hat Nayoung Kim bereits einen Bunker in Dormagen bespielt, aber jeder Ort habe seine eigenen Besonderheiten. Im ehemaligen Gestapo-Gefängnis sind es neben der Enge der Gänge insbesondere die Inschriften an den Wänden aus der Zeit zwischen 1943 und 1945. Daher rührt auch der Titel der Performance: „Die Schreie der Wände“. „Es ist beeindruckend, was die Menschen vor dem Sterben notiert haben“, sagt Nayoung Kim. Sie habe sich gefragt: „Wie können wir das ausdrücken?“ Manchen dieser Gefangenen gibt die Performance eine Stimme, einige Zellen-Inschriften werden zitiert, kombiniert mit anderen Texten. Für die Kostüme sorgt Elisabeth Bertelsmann, ergänzt werden die Szenen vom Musiker und Sänger Gabriel Santos. Widergespiegelt werden sollen dadurch ganz verschiedene Gefühle. Genauso unterschiedlich, wie die Tänzer und Tänzerinnen auf die Geschichte des Ortes reagierten, erzählt Kim: „Da war der Schock, Sprachlosigkeit, aber auch Wut.“

Angst wird fürs Publikum erlebbar

In einer Szene der Performance verbeugen sich Hurski und seine Kollegen Andrey Berezin, Sanne Vree und Sara Valenti aus den offenstehenden Zellentüren. Valenti setzt sich auf einen Stuhl und übergießt ihren Hals mit Rosenblättern. Wieder die Assoziation zu rotem Blut. Später kriecht Berezin seiner Kollegin Vree auf dem Boden hinterher. Ein Monster, ein Krokodil, das sie fressen will. Die Angst wird erlebbar in dieser Inszenierung mit Gänsehautfaktor.

Das Ende der rund anderthalbstündigen Performance findet dann im Innenhof statt, auf dem 1944/45 hunderte Menschen hingerichtet wurden. Der Tanz erinnert häufig an einen Kampf, ein Ringen mit dem Tod. „Wenn das Publikum hier umgeben von Spiegeln steht, wird es selbst Teil der Inszenierung“, sagt Kim. Valenti trägt nun einen Mantel mit weißen Blumen. Nach und nach schneidet sie die Blütenköpfe ab. Für Kim ein Symbol für die Zerstörung von Jugend und Schönheit durch die Nationalsozialisten. „Weil der Ort so stark ist, möchten wir mit unserer Liebe zum Tanz ausdrücken, was hier passiert ist“, sagt Kim. Sie ist überzeugt davon, dass Menschlichkeit und Versöhnung nur so funktionieren können: „Das einzige, das unsere Welt retten kann, ist Liebe.“

„Die Schreie der Wände“ beginnt am Freitag, Samstag und Sonntag, 5. bis 7. September, jeweils um 19 Uhr. Die Teilnehmendenzahl je Abend ist begrenzt, deswegen ist eine verbindliche Anmeldung unter nsdok@stadt-koeln.de nötig. Der Eintritt kostet 20, ermäßigt 15 Euro.