Übertragen oder lieber nicht?Wie Kölner Kneipen mit der WM in Katar umgehen wollen

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Public Viewing vor einer Kölner Kneipe (Archivbild) 

Nur noch 81 Tage, dann startet die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Eine der umstrittensten der WM-Geschichte. Die Kritik umfasst Bestechung, Verletzung der Menschenrechte und Umweltsünden durch klimatisierte Spielstätten. Mal ganz abgesehen davon, dass für viele Fußballnationen die WM im Winter stattfindet. Die Boykott-Rufe sind entsprechend laut. In Deutschland haben sich vereinzelt Gaststätten dafür entschieden, die Spiele nicht zu zeigen. Wie verhält es sich in Köln? Viele Gastwirte sind in einem Gewissenskonflikt.

Bündnis zum Boykott der WM geschmiedet

Daniel Rabe, Inhaber der Bagatelle Bar (Südstadt), berichtet, er berate sich schon seit Monaten mit Kollegen aus der Branche in einem kleinen Bündnis zum Boykott der WM. „Wir überlegen, wie wir Köln dafür sensibilisieren“, sagt er. Alternativ überlege die Gruppe, vergangene legendäre WM-Spiele zu zeigen und Abende zu veranstalten, die mit der Winter-WM nichts zu tun haben. Auf der anderen Seite müssten die Wirte abwarten, wie sich die Lage im Hinblick auf die Pandemie entwickle. „Normalerweise bekommen wir Unmengen an Anfragen für Weihnachtsfeiern, dieses Jahr haben wir kaum welche bekommen“, berichtet Rabe. Ein Großteil der regulären Einnahmen fiele dadurch weg, viele Gastronomen befürchten noch einen „Corona-Winter“. Solange die Quarantänepflicht noch bestünde, habe wohl kein Unternehmen Lust auf große Veranstaltungen im Innenraum. „Keiner will riskieren, dass eine Woche später das Büro leer ist“, so der Gastronom. Die Fußball-WM zu übertragen ergebe sich daher als gute Einnahmequelle für die harten Wintermonate.

Vor diesem Dilemma steht auch Piranha-Bar (Kwartier Latäng) Inhaber Lutz Nagrotzki. Auch er ist sich unsicher, ob er die Spiele zeigen wird. „Lust darauf hab ich nicht. Aber wenn ich alles so mache, wie ich das will, wäre ich kein guter Gastronom“, sagt der Inhaber der beliebten Kneipe. Grundsätzlich findet er es auch falsch, dass er als Gastwirt nun vor dieser Entscheidung steht. Er sieht vielmehr die Politik und die Fußballmanager in der Pflicht: „Das ganze Event hätte gar nicht erst stattfinden dürfen.“ Während eines Deutschland-Spiels habe er jedoch schon ein Konzert geplant, das werde auch sicherlich nicht verlegt.

Höchsten „stumm gestellter“ Fernseher

Gastronom Martin Schlüter, Betriebsleiter des Reissdorf am Hahnentor, zeigt sich ähnlich abgeneigt, die Weltmeisterschaft zu unterstützen. Er selbst ist Fußballfan, ist früher auch zu Welt- und Europameisterschaften geflogen – nun aber positioniert er sich klar gegen das Turnier in Katar. Die Spiele wolle er höchstens stummgeschaltet im Hintergrund laufen lassen, das ist das höchste der Gefühle. Schlüter betont: „Wir wollen die WM nicht unterstützen und unsere Umsätze anders generieren.“ Gäste würden durch die zentrale Lage und den zur Zeit der WM nah gelegene Weihnachtsmarkt ohnehin eintrudeln: „Da gibt es genug zu tun.“ Die Angst vor ausbleibenden Umsätzen in der Branche könne er trotzdem gut nachvollziehen. „Die Resonanz für Weihnachtsfeiern ist dieses Jahr sehr gering“, berichtet auch er.

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Wer das Public-Viewing dennoch bei der Winter-WM nicht missen möchte, bekommt unter anderem in der Sportsbar Joe Champs (Rudolfplatz) die Möglichkeit, jedes Spiel zu verfolgen. Erste Reservierungen habe das Lokal bereits angenommen, berichtet ein Manager der Sportbar. „Wenn wir die Spiele nicht zeigen, machen wir keinen Umsatz“, erklärt er knapp. Ein Alternativprogramm gäbe es zu der Zeit schlichtweg nicht – schon gar nicht aus dem Blickwinkel, dass es sich bei der Sportsbar eben um einen Gastronomiebetrieb handle, der auf solche Angebote spezialisiert ist. Die politische Debatte möchte er als Gastwirt darum nicht führen.

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