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UmweltzentrumKölner Friedhof der Fahrradleichen

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Reihenweise Arbeit wartet auf die Mitarbeiter des von Thomas Bischofs geführten Umweltzentrums in Niehl. (Fotos: Hanano)

Köln – So hoch wie derzeit war der Haufen mit Fahrradmänteln lange nicht mehr. Hunderte davon liegen neben einem Baumstamm. Gleich daneben stapeln sich Schrottfahrräder, von denen Speichen, Ketten, Rahmen und andere Metallteile demontiert werden müssen. „Wenn man ein Rad als Mischmüll abgibt, kann das keiner bezahlen. Die Entsorgung ist aber sehr aufwendig und teuer“, weiß Thomas Bischofs, Geschäftsführer des Umweltzentrums Köln an der Niehler Straße. Hier ist Endstation für Kölns Fahrradleichen.

Auch die Reihe der angelieferten Räder ist länger als gewöhnlich. „Vor dem Straßenfest in der Severinstraße hat die Stadt aufgeräumt“, sagt der Betriebsleiter des Zentrums, „aber ein richtig gutes Rad habe ich hier noch nie gesehen, das sind die letzten Rostlauben“. Egal ob Karneval oder Weihnachtsmärkte: Wenn in Köln gefeiert wird, wird die Reihe der Schrotträder im Umweltzentrum regelmäßig länger. Denn in der Stadt soll es ja schön sein.

Bereits 1894 Rostlauben haben die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) dieses Jahr von Kölns Straßen entfernt. Mit Bolzenschneidern. „Schwerpunkt ist die Innenstadt, etwa die Hälfte der Räder stand dort“, sagt AWB-Sprecher Wilfried Berf. Momentan sei besonders viel zu tun. Im gesamten vorigen Jahr seien 1631 Räder von den Laternen und Schildern geschnitten worden. „Allein für diese Woche haben wir 117 offene Aufträge zu erledigen“, weiß Berf.

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Die Einsatzpläne mit exakten Standorten der Schrotträder erstellt das Ordnungsamt. Pro Stadtbezirk beschäftigen sich zwei Mitarbeiter des Amts mit der Suche nach diesen Rädern, die dann mit neongelben Zetteln markiert werden. Haben die Besitzer die Räder nach vier Wochen noch immer nicht entfernt, darf die AWB mit dem Bolzenschneider kommen. Anschließend holen Mitarbeiter des Umweltzentrums die Räder wiederum bei der AWB ab.

Das Zentrum in Niehl ist nicht bloß ein Fahrradfriedhof, denn etwa der Hälfte der Drahtesel wird hier wieder neues Leben eingehaucht. In der Werkstatt arbeiten Langzeitarbeitslose, die vom Jobcenter vermittelt werden. „Weil früher viele von ihnen beim Schwarzfahren erwischt wurden und sie kein Geld für Fahrscheine haben, leihen wir ihnen ein Rad gegen Kaution“, erklärt Geschäftsführer Bischofs. Für 1,30 Euro pro Stunde möbeln die Menschen die Räder wieder auf. „Das ist wenig, aber für viele von ihnen eine schöne Anerkennung“, hat er festgestellt.

Bürokratisches Hin und Her

Selbst der Umgang mit meist schrottreifen Fahrrädern erfordert einen hohen bürokratischen Aufwand. Bei jedem angelieferten Rad muss die Rahmennummer gesucht, notiert und an die Polizei weitergeleitet werden. „Neulich haben wir mal ein in München gestohlenes Rad gefunden, Diebesgut haben wir hier aber eher selten“, sagt der Betriebsleiter. Erfolgt die Freigabe, werden die Räder repariert oder in ihre Einzelteile zerlegt.

In der Werkstatt stehen Körbe voller Dynamos, Ketten und Mäntel baumeln an Stäben, in anderen Kisten lagern Sattelstangen, Getränkehalterungen, Schutzbleche und Gabeln. „Die unbrauchbaren Mäntel müssen wie Industriemüll entsorgt werden, das ist ein großer Kostenfaktor“, berichtet Bischofs. Früher seien die Fahrradmäntel von Firmen der Zementindustrie untergemischt worden, doch die Zeiten sind vorbei. „Letztlich sind die Schrotträder ein Defizitgeschäft“, so der Geschäftsführer.

Auch deshalb, weil die Gefährte nicht offiziell verkauft werden dürfen. „Wir geben die Räder oder brauchbare Rahmen nur an öffentliche Einrichtungen wie Schulen oder für wenig Geld an Arbeitslose ab“, erklärt Bischofs.

Der Rest der Räder landet auf dem Schrottplatz.