Wohnung gesucht!Horrormiete – Wie kleine Wohnungen zum Mietwucher werden

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Renovieren und abkassieren: Bei kleinen Wohnungen oft besonders lukrativ.

  • 730 Euro für 32 Quadratmeter, aber die Anzeige klang so vielversprechend.
  • Unser Autor hat protokolliert, was für viele Wohnungssuchende Normalität ist.
  • Im zehnten und letzten Teil unserer Wohnserie schreiben wir über das, was viele Kölnerinnen und Kölner kennen: den Kampf um die kleinen Wohnungen.

Köln – Der erste Eindruck ist schon enttäuschend: Statt eines schicken Altbaus findet sich an der Adresse für die Wohnungsbesichtigung eine gedrungene Mietskaserne aus der Nachkriegszeit. Das Fahrrad vor der Tür hat eine kräftige Acht im Rad, am Tor vor der Hofdurchfahrt prangt ein Graffiti. In Ehrenfeld vielleicht kein Makel, aber auch kein Umfeld für eine 32-Quadratmeter-Wohnung, die 730 Euro „warm“ kosten darf. Die Anzeige im Internet klang so vielversprechend. Doch die Hoffnung auf Luxus weicht noch kurz vor dem Besichtigungstermin der Angst vor Mietwucher.

Eine Wohnung im Erdgeschoss, soll zu haben sein. Der Mieter will schnell raus und soll drei Nachmieter stellen. Nach einem ersten Besichtigungstermin war von zwei interessierten Frauen nur eine übrig geblieben. Kurios in Zeiten, in denen Mieter Schlange stehen. Ich bin aus Neugierde überpünktlich und schaue mich um. Nur eines der 16 Klingelschilder ist nicht beschriftet, aber oben rechts? Sicher nicht die Erdgeschosswohnung. In einem Fenster lehnt rauchend ein junger Mann. Er weiß, der Nachbar zahlt viel mehr. „Aber seine Wohnung ist ja auch kernsaniert“, lässt er wissen. Was er selbst bezahlt, will er nicht verraten.

Wohnung ist viel zu teuer

Während ich mir noch Sorgen mache, die Wohnung könnte gleich mit dem Fenster zur engen Straße liegen, geht das Tor auf, und ich werde mit einer gerade eintreffenden Interessentin in die Wohnung gebeten. Deren Eingang befindet sich in der engen Tordurchfahrt. Ich male mir aus, wie Autoabgase in die Wohnung dringen. Eigentlich führe der Weg durch den Haupteingang und hinten durch den Flur in die Einfahrt und schließlich hier her, erklärt der Wohnungsinhaber, der vorzeitig ausziehen will. Er kommt viel herum, ist auch in anderen teuren Städten zu Hause und ließ vor nicht ganz anderthalb Jahren eine Freundin die Wohnung aussuchen. Jetzt soll der Kostenfaktor abgeschafft werden. Obwohl er es nicht ausspricht, klingt deutlich an: Auch er hält die Wohnung für viel zu teuer.

Mieten Grafik

Drinnen ist es aber unerwartet nett. Das Laminat sieht gut aus, und nur ein Striemen an der Wand trübt die weiße Farbe. Ja, da würde er vielleicht mal drüberstreichen. Was im Vertrag dazu steht? Er werde sie „übergeben wie sie war“, lautet seine Antwort. Der Vertrag liegt vor und mein Interesse richtet sich auf den Eigentümer. Ein Kölner? Ein gieriger Miethai? Wie sich zeigt, war die Wohnung von einem schwedischen Konzern saniert worden, der mit „Mietwohnungen in attraktiven Städten“ Geld macht, und war dann in den Besitz eines Immobilienriesen aus Berlin gekommen. Der jetzige Wohnungsinhaber war der erste Mieter seit der Sanierung und vor etwas mehr als einem Jahr eingezogen.

620 Euro plus 50 Euro für die Heizung, weitere 60 Euro für Betriebskosten sind im Vertrag vereinbart. Ob der Vermieter die einem Nachmieter auch so hineinschreibt? Die Antwort: „Da gehe ich von aus“, lässt mein Bauchgefühl dagegen wetten.

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Aber wir sind ja zur Besichtigung gekommen: Es geht ins Bad, wo wir zu Dritt Platz haben. Auch die Dusche ist ausreichend groß. Es war wohl mal ein eigener Wasserzähler vorgesehen. Der fehlt aber. „Das wird pauschal abgerechnet“, erklärt der Mieter. Auf der anderen Seite der Wand, im eigentlichen Wohnraum, befindet sich eine Küchenzeile. „Die gehört zur Wohnung, auch die Waschmaschine“, erklärt der Mann und zieht eine Tür am Unterschrank auf. Geschickt gelöst, und die Markenmaschine macht einen guten Eindruck.

Es gibt kaum eine Schmerzgrenzen bei Suchenden

Der Blick in den Raum klärt auf, warum auf nicht mal 32 Quadratmetern nur ein großes Bett und kein Kleiderschrank Platz haben können. Und dann die Ernüchterung beim Blick aus dem Fenster. Er fällt über die zweieinhalb Platten breite „Terrasse“, die durch blattlose Sträucher von einem Stellplatz getrennt ist. Der Rest ist ein schmaler Innenhof, gesäumt von hohen Häusern.

Der Blick in den aufgeräumten Keller mit den üblichen Lattenverschlägen kann mich nicht mehr umstimmen. Diese Wohnung ist mir keine 730 Euro Wert. Das lasse ich nach der Besichtigung auch gleich die „Mitbewerberin“ wissen. Sie freut sich. Denn sie sucht seit drei Monaten intensiv und vergeblich. In einem Internetportal zahlt sie 20 Euro im Monat, um Kontakt zu Vermietern zu bekommen. „Doch ich habe gefühlt 100 angeschrieben, und nur einer hat sich gemeldet“, sagt Leonie. Doch: „14 Quadratmeter für 400 Euro – da gehe ich nicht gucken“, sagt sie. Sie zahlt derzeit 500 Euro warm für ein Zimmer in einer WG rechtsrheinisch. Aber da will sie raus. Eine Schmerzgrenze? Habe sie nicht, weil die Eltern zahlen würden. „Mein Ausbildungsgehalt reicht ohnehin nicht, um es selbst zu bezahlen. Das liegt bei 600 Euro netto im Monat“. Ihr ist schon klar: Mehr als 750 Euro werden auch die Eltern nicht ausgeben.

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