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Düsteres VenedigDas bietet John Banvilles neuer Roman „Schatten der Gondeln“

3 min
Autor John Banville

Autor John Banville

Der Roman „Schatten der Gondeln“ von Booker-Preisträger John Banville entfaltet in Venedigs düsterem Ambiente ein mysteriöses Drama voller Verrat und Verbrechen.

„Venedig kann sehr kalt sein“ nannte Patricia Highsmith ihren Roman voller Verhängnisse. Und auch bei Daphne du Maurier („Wenn die Gondeln Trauer tragen“) und Ian McEwan („Der Trost von Fremden“) ist die Lagunenstadt jenseits ihrer Postkartenschönheit ein düsteres Labyrinth, in dessen Gassengewirr man sich selbst und der Welt leicht abhanden kommen kann. Venedig als Falltür zur Hölle.

Just dorthin schickt der irische Booker-Preisträger John Banville („Die See“) im Jahr 1899 sein Protagonistenpaar in fatale Flitterwochen: Evelyn Dolman, ein längst nicht mehr vielversprechender Londoner Autor, hat aus unerfindlichen Gründen die amerikanische Ölmagnatentochter Laura Rensselaer erobert, die vor allem familiäre Scharmützel mit in die Ehe bringt.

Kurz vor dessen Tod mit dem Vater entzweit, findet sich Laura fast ohne Erbe im Kampf gegen ihre raffgierige Schwester wieder. All dies verzögerte die Hochzeitsreise, soll nun aber in der morbiden Grandezza des Palazzo Dioscuri purem Glück weichen.

Dass daraus nichts werden kann, verrät schon der Romantitel „Schatten der Gondeln“. Gleich beim ersten Besuch im Café Florian wird Evelyn von seinem „alten Schulfreund“ Freddie Fitz Herbert entdeckt, an den er sich partout nicht erinnern kann.

Was ihn indes kaum bekümmert, weil dessen attraktive Schwester Cesca ihn derart heiß macht, dass er in derselben Nacht seine Frau vergewaltigt. Am nächsten Morgen ist Laura verschwunden. Der Gatte beteuert seine Unschuld, „obwohl der schmutzige Finger des Verdachts unverwandt auf mich zeigte“.

John Banville und seine mysteriösen Plots

John Banville, der am 8. Dezember 80. Geburtstag feiert, schreibt unter dem Pseudonym Benjamin Black exzellente Dublin-Krimis und versteht sich auf mysteriöse Plots. Hier stellt er alle Zentralmotive des Schauerromans ins aparte Zwielicht: schemenhafte Gestalten hinter halbdunklen Fenstern, der Palazzo als Spukschloss, gespenstische Zufälle und sinistre Gestalten, die irgendwie miteinander verbunden zu sein scheinen. Derart atmosphärische Milieumalerei kann indes einen Mangel des Werks nicht kaschieren.

Es gibt Stimmen von Ich-Erzählern, denen man bis ans Ende der Welt folgen würde – die von Evelyn Dolman zählt nicht dazu. Hier ergeht sich ein prätentiöser Egozentriker in Tiraden gegen jene „pestverseuchte Stadt im fauligen Schoß der Adria“, während er gegenüber der anwesenden Laura eben noch äußerste Kälte, dann angeblich sengende Sorge empfindet. Was für ein Schwätzer.

Dolman erzählt die Geschichte im Rückblick, kennt also die Lösung, will die Spannungsflamme aber stets durch bange Vorahnungen anfachen: „Venedig, fürchtete ich, würde mein Verderben sein.“ So dräut und dräut das Unheil bis zur – zugegeben genialen – Schlusspointe allzu lange.


John Banville: Schatten der Gondeln. Roman, aus dem Englischen von Elke Link. Kiepenheuer & Witsch, 377 S., 25 Euro.