Erstmals führen 81 verschiedene Düfte durch eine Kunstausstellung. „Die geheime Macht der Düfte“ lässt Besucher Kunstgeschichte mit dem Geruchssinn erleben – von Myrrhe und Aderholz bis hin zu Schießpulver der Weltkriegs-Schlachtfelder.
Wenn Kunst riechbar wirdDüsseldorfer Kunstpalast wagt weltweit einzigartiges Duft-Experiment

Die Ausstellung ‚Die geheime Macht der Düfte‘ findet vom 29.10.25 bis 08.03.26 im Museum Kunstpalast statt.
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Felix Krämer machte in den letzten Nächten kaum ein Auge zu. Aufgeregt sei er gewesen, gestand der Direktor des Düsseldorfer Kunstpalasts. Denn er und sein Team gingen auf ein Experiment ein, das es im Ausstellungsbetrieb so noch nicht gab: In der Schau „Die geheime Macht der Düfte“ ist der eigentliche Clou des Ganzen unsichtbar, kein Objekt oder Bild versinnbildlicht den Ausstellungstitel. Also wie man sieht, sieht man nichts? Man sieht anders und neu, denn der Geruchssinn ist geweckt.

Eine Glashaube lüftet Robert Müller-Grünow, um den Duft alter Zeiten ins Museum zu holen.
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81 Düfte begleiten einen auf 5000 Quadratmetern des vor zwei Jahren wiedereröffneten Sammlungsflügels. Der Rundgang führt vorbei an Madonnenfiguren, Kriegsgemälden oder Designermöbeln, lässt in ganz unterschiedliche Epochen, Kulturkreise und Denkweisen eintauchen. Die 49 Säle sind durch bunte Vorhänge getrennt. Wenn man sie lupft, eröffnen sich immer neue Aromen, fein hineinkomponiert zur Kunst. Sie betören, irritieren, verwirren und erzählen Kunstgeschichte auf sinnlich ganz ungewohnte Weise.
Kölner Duftmarketing-Firma „scentcommunication“ beteiligt
Kurator ist Duftexperte Robert Müller-Grünow, Buchautor und Inhaber der Kölner Duftmarketing-Firma „scentcommunication“. Geruch als Kommunikationsmittel ist sein Geschäft, zu den Kunden gehören die Telekom, NASA oder BMW. „Duft wird in der öffentlichen Wahrnehmung unterschätzt. Aber er erzählt etwas, lässt Bilder im Kopf entstehen“, sagt Müller-Grünow.

Eine Museumsmitarbeiterin riecht an einer Duftstation vor einer Kopie der Bildes der Mona-Lisa an einem Glaskolben.
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Statt Farben oder Strukturen nutzt er unter anderem Öle, die aus Jasminblüten oder kostbarem Adlerholz gewonnen werden. Teuer ist das, zu den Sponsoren gehört die Düsseldorfer Firma Henkel, die sich die aufwendige Technik und die Materialien neben anderen Förderern etwas kosten ließ. Ob Duft als Manipulationsmittel an Bedeutung gewinne, wurden die Ausstellungsmacher gefragt. In Las Vegas etwa würden Zocker durch euphorisierende Gerüche länger an den Spielautomaten gehalten. Müller-Grünow räumte ein, dass er Orte wie Las Vegas meide. „Ich hasse die Stadt.“

Eine Museumsmitarbeiterin riecht an einer Duftstation vor einem Wandteppich an einem Glaskolben.
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Auch auf die Frage, was in Sachen Parfüm in den letzten Jahren passiert sei, dass immer öfter beißende Düfte in die Nase stechen, die alles andere als schmeichelnd sind, regierte er engagiert. „Baccarat Rouge 540“ aus dem Jahr 2014 macht der Duftexperte dafür verantwortlich. Die hochwertige Kreation habe Francis Kurkdjan für ein New Yorker Hotel entwickelt. Es sei über Social Media groß geworden und inzwischen oft kopiert. Aber der Geruch, mit dem sich junge Leute in Mode mit großen Logos, umgeben, ist auch für den Duftexperten gewöhnungsbedürftig. „Es ist wie ein Schlag ins Gesicht.“

Eine Duftstation mit verschiedenen Düften.
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Auch verschiedene Waschmitteldüfte dürfen nicht fehlen.
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Duft ist Prestige, hebt ab, distinguiert. Das Prinzip hat Geschichte: Jeder Vorhang war in Versailles mit Parfüm getränkt, während es in den Markthallen nach Fisch und Verwesung roch. In den Religionen wiederum ist Duft ein verbindendes Glied. Zwar werden Gerüche laut Müller-Grünow anders wahrgenommen. Aber im Eingangsbereich der Schau verbinden sich Myrrhe aus dem europäischen und Agerholz aus dem asiatischen Raum zum verbindenden Novum. Die Glashauben zur Abdeckung duftender Granulate dürfen angehoben werden, per Knopfdruck werden Düfte aktiviert, die euphorisieren, aber auch Angst machen. Wie der Geruch von Schießpulver und Blut auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft, Psychologie und Marketing haben die Ausstellungsmacher laut Krämer einbezogen. Die Zukunft der Düfte sieht Müller-Grünow im Gesundheitssektor. Waldaromen zum Beispiel seien wohltuend.
In der Ausstellung gibt es einen Raum, in dem es pilzig-modrig riecht. Ob das wiederum zu den zwei Mädchen am Brunnen passt, die Eduard Bendemann 1833 malte, mag dahingestellt sein. Immerhin ist das romantische Gemälde zu einem der häufigst reproduzierten Motive der Düsseldorfer Malerschule geworden. Bendermann dürfte damit immerhin eine kunsthistorische Duftmarke gesetzt haben.
Bis 8. März, Di bis So 11 – 18 Uhr, Ehrenhof 4-5.

