Mahalia Jacksons Lied „No room at the inn“ aus dem Jahr 1968 inspiriert zu Mitmenschlichkeit.
Soziale Verantwortung erkennen„No room at the inn“ als Appell für mehr Miteinander in der heutigen Gesellschaft

Eine Krippe aus Oberammergau
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Der Gedankenstrom nimmt immer wieder überraschende, manchmal gar seltsame Wendungen. Da schaut man sich eine Verfilmung des Kinderbuches „Hilfe, die Herdmanns kommen“ an, in dem eine auf Krawall gebürstete Schar von Schulhofrabauken und vor allem -rabaukinnen das Krippenspiel in einer US-Kleinstadt praktisch übernimmt. Um letztlich alle mit ihrer unverfälschten Sicht auf die biblischen Geschehnisse in Bethlehem zu verblüffen. Und fürwahr: Es ist ein starkes Stück, dass dem Wirt nichts Besseres einfällt, als die hochschwangere Maria in einem Stall unterzubringen.
Da sieht man diese Szene und hat plötzlich Mahalia Jacksons’ „No room at the inn“ im Ohr, das dasselbe Thema behandelt ein ziemlicher Gedankensprung von den krähenden Kindern zur stimmgewaltigen Gospel-Ikone.
Die 1911 in New Orleans geborene Jackson hat in ihrer Karriere, die 1972 mit ihrem Tod endete, mehrfach Weihnachtslieder aufgenommen. Am bekanntesten ist sicher ihr Album „Silent Night Songs for Christmas“ mit seiner überwältigenden Fassung des deutschen Kirchenliedes.
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„No room at the inn“ veröffentlichte sie 1968, auf der Platte „Christmas with Mahalia“. Produziert von Marty Paich kommt Mahalia hier leichtfüßiger um die Ecke, man möchte fast sagen poppiger. Neben bekannten Songs wie „White Christmas“ oder „Do you hear what I hear?“ ragt „No room at the inn“ wie ein Fels aus der kommerziell ausgerichteten weihnachtlichen Brandung heraus.
Das Lied ist knapp vier Minuten lang, der Text von Strophe und Refrain, der am Ende einmal wiederholt wird, umfasst jeweils vier Zeilen. Er erzählt davon, wie Joseph und Maria müde aus Galilea in Bethlehem ankommen und vom Besitzer der Herberge zu hören bekommen, dass er kein Zimmer für sie habe. Stattdessen bringt er sie zu einem Stall, und dort geschieht das Wunder der Geburt Jesus.

Mahalia Jackson 1961 in Zürich.
Copyright: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Wikicommons
Aber Mahalia Jackson legt in diese einfache Erzählung so viel Gefühl, trägt sie mit einer solchen Intensität vor, dass es bei jedem Hören (eine gewisse Lautstärke vorausgesetzt) eiskalt den Rücken herunterläuft. In ihre Stimme vereint Jackson gleichermaßen Fassungslosigkeit und Hoffnung in einer Art und Weise, die ihresgleichen sucht. So ist es auch wenig verwunderlich, dass sich niemand sonst dieses Juwels angenommen hat. (Es gibt noch ein anderes Lied mit demselben Titel, das ebenfalls von Mahalia Jackson, aber auch unter anderem von den Staple Singers gesungen wurde.)
Und wieder nimmt der Gedankenstrom eine Wendung und fließt in Richtung all derer, die sich auf den Weg in Richtung ihres persönlichen Bethlehems gemacht haben, das oft Europa, für sehr viele auch Deutschland heißt und die oft ein „Kein Platz in der Herberge“ zu hören bekommen.
Gerade dieser Tage wird wieder viel darüber diskutiert, wen wir hereinlassen möchten/sollen/können und wen nicht. Wo sind die Grenzen dessen sind, was zukünftig möglich sein könnte.
Menschen im direkten Umfeld
Aber auch für all jene, die schon hier sind und denselben Satz oder manchmal auch gar nichts zu hören bekommen? Es sind oft Gesten, die eben nicht unbedingt viel Geld kosten. Statt zu viel Zeit darüber nachzudenken, ob man alle Geschenke zusammen und alle Einkäufe erledigt hat, könnte man den einen oder anderen Gedanken daran verschwenden, wer im näheren Umfeld Weihnachten allein zu Hause verbringt. Die Nachbarin, deren Partner in diesem Jahr gestorben ist? Der Bekannte, der in Trennung lebt? Die Freundin, deren Kinder in diesem Jahr am 24. bei den anderen Großeltern sind? Könnte man noch ein Gedeck zusätzlich auflegen?
Die Frage, ob Platz in der Herberge ist, lässt sich in den allermeisten Fällen mit einem beherzten „Ja!“ beantworten. Denn wer will am Ende des Tages der Wirt sein, der die schwangere Frau in Richtung Stall drängt?
Wenn dann noch Mahalias satter Alt aus den Boxen schallt, verbreitet sich die Weihnachtsstimmung im Handumdrehen.
