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Neu im Schauspiel Köln
Anke Zillich wechselt von Wien ins Rheinland

3 min
Schauspielerin Anke Zillich

Anke Zillich ist neues Ensemblemitglied des Kölner Schauspiels.

 Anke Zillich wechselt nach fünf Jahren von Wien ins Rheinland und ist neu im Ensemble des Schauspiel Köln. 

Sie sind in Essen geboren, in Oberhausen aufgewachsen, haben in Münster studiert und unter anderem in Bonn, Bochum und Dortmund Theater gespielt. Das klingt, als hätten Sie um Köln bislang einen Bogen gemacht...

Aber nicht absichtlich. Es gab direkt nach der Schauspielschule mal ein Angebot, ich weiß gar nicht mehr, was da dazwischenkam. Es war keine Abneigung, überhaupt nicht, sondern einfach nur Schicksal oder was auch immer.

Aber jetzt mit Kay Voges, über den Sie gesagt haben: Ich möchte keinen anderen Intendanten mehr als ihn. Was ist das Besondere an ihm? An seiner Art Theater zu machen?

Er ist sehr human geblieben, sehr menschenfreundlich. Und er kann sehr uneitel sein, was ich super finde, denn es geht dann um die Sache. Er ist ein Visionär. Und er hält den Ensemblegedanken sehr hoch. Und ich liebe an ihm, dass er etwas riskiert – auch riskiert zu scheitern. Das finde ich sehr wichtig. Ich hatte schon einige Intendanten in meinem Leben – ich bin ja schon ein älterer Sack (lacht). Eine weibliche Form gibt's dafür nicht, oder?

Mit dem Alter halten Sie hinterm Berg. Ich musste sehr über den Eintrag bei Wikipedia lachen: Geboren im 20. Jahrhundert.

Wissen Sie, warum? Nicht weil ich eitel bin, sondern weil ich es spannend finde, wie die Menschen mich betrachten. Unabhängig von der Zahl, die in meinem Ausweis steht. Bei mir zum Beispiel gibt es eine ziemliche Diskrepanz zwischen hier (zeigt auf ihren Kopf) und da (zeigt auf ihre Beine). Dort bin ich ziemlich beschädigt, weil ich zwei fette Bühnenunfälle hinter mir habe durch mehr als 40 Jahre exzessives Theaterspielen Das ist der Grund ist, dass ich jetzt einfach weniger machen muss. Ich komme mit einem sehr kleinen Vertrag für die erste Spielzeit.

Am Theater ist auf der einen Seite Berufserfahrung ein Plus, auf der anderen Seite kann das Alter ein Minus werden...

Deshalb suche ich händeringend nach einer Autorin, die uns ein Stück schreibt über Frauen, die diesen Konflikt haben, dass sie hier (zeigt wieder auf den Kopf) jünger sind als da... Wir sind anders als noch die Generation meiner Mutter, die sich mit 50 zur Ruhe gesetzt hat und nicht mehr am Puls der Zeit sein wollte.

Doch auch trotz der Berufserfahrung wird man irgendwann nicht mehr als Julia besetzt.

Im klassischen Sinn war ich nie eine Julia. Ich habe Kay mal gesagt, dass wir meinen Vertrag auflösen können, wenn ich dem Ganzen nicht mehr gerecht werde. Er hat darauf gesagt: „Ich will dich nicht wegen deiner Joggingkünste, sondern wegen deiner Persönlichkeitsstruktur.“ Was soll ich da noch sagen?

Sie sind in der Eröffnungsproduktion „Imagine“ mit dabei ...

… und in der Kölner Fassung von „Du musst dich entscheiden“ sowie am Ende der Spielzeit in „In bester Lage“.

So richtig vorstellen kann man sich noch nicht, was bei „Imagine“ passiert, die Rede ist unter anderem von einem „Wimmelbild“. Was ist Ihre Rolle?

Eine Woche vor Probenbeginn haben wir nur gesprochen: über Politik, Philosophie, Gesundheit, Verzweiflung, alles Mögliche. Schließlich hat Kay gefragt, Was für eine Figur möchtet Ihr an diesem Abend verkörpern. Dann hat sich jeder eine Biografie ausgedacht.

Und was haben Sie sich ausgedacht?

Ich habe mir überlegt, dass ich eine Frau bin, die allein lebt, am Rande der Gesellschaft, sie gehört nicht zu dieser Dorfgemeinschaft dazu. Ich finde es unheimlich wichtig, über Einsamkeit zu reden.

Warum?

Ich bin hier in Köln schockiert über die Obdachlosigkeit und die Verelendung. Obdachlose gibt es überall auf der Welt, aber mich berührt zutiefst, in welchem Zustand sie sind. Was ist in dieser Stadt im Sozialsystem schiefgelaufen, dass diese Menschen keine Chance haben, sich ein Minimum an Menschenwürde zu bewahren? Das ist in Wien anders. Und auch meine Figur ist sehr einsam und hat gleichzeitig Angst, aus dem Haus zu gehen.

Es ist sicher spannend, wenn man die Figur, die man verkörpert, selbst formen kann.

Es ist für mich das A und O an diesem Beruf, dass ich selber mitarbeite. Ich möchte nicht nur ausführen, was ein anderer vorgibt. Ich bin sehr gerne beteiligt, gerade jetzt in diesem Moment, wo ich in unserer Gesellschaft an einem Punkt der Verzweiflung bin, an dem ich noch nie war. 

Ich bin seit 40 Jahren Mitglied bei Greenpeace, und Trump macht innerhalb von 14 Tagen kaputt, wofür ich mich angekettet, mich auf die Straße gelegt habe, wogegen ich gekämpft habe. Ich fühle mich gerade so hilflos wie nie zuvor.

Welche Funktion hat da das Theater?

Es ist immer noch eine Plattform, wo man wenigstens eine Chance hat, darüber zu sprechen. Und mit Gleichgesinnten zusammenzuarbeiten. Und möglicherweise im Kleinen etwas bewirken kann.