Abba-Serie (3)Das sind die Gründe, um Abba zu lieben – oder zu hassen

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Köln – Eigentlich war der 11. Dezember 1982 ein ganz normaler Adventssamstag. Das typisch vorweihnachtliche Schmuddelwetter sorgte für trübe Stimmung. Die Regelung des langen Samstags versprach bis 18 Uhr Stress und Gedränge in den Geschäften. Und das Fernsehen kündigte für den Abend in der Sendung „Wetten, dass..?“ Spielereien von und mit Frank Elstner an.

Richtig gut wurde der Tag erst, als die Meldung durchsickerte, dass sich Abba auflösen. Abba! Endlich! Zunächst die Trennung von Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus. Dann das Aus zwischen Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad. Und nun nie wieder schlechte Musik?

Es wäre zu schön gewesen. Spätestens seit 1974 ist es dem schwedischen Quartett gelungen, die Welt der Musik mit ihrem Einheitspop in eine Art Schockstarre zu versetzen, die jegliche Kreativität im Keim ersticken wollte. Offenbar nicht ganz zufällig heißt der Song, mit dem Abba einst für den Grand Prix Eurovision de la Chanson in die Schlacht zog und einen gnadenlosen Sieg errang, „Waterloo“. Die Dämme waren gebrochen, und der Pop hatte seine Unschuld verloren. Denn was hatte die Band auch schon zu bieten außer ulkige Frisuren und Karnevalskostüme auf der Bühne? Abba, das war und das ist Trash. Mist. Kitsch. Billigste Massenware, dutzendfach weichgespült auf einen wirklich kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner des von der Musikindustrie erdachten Massengeschmacks, der jeden noch so kleinen Verdacht von Individualität und Kreativität ausradieren sollte.

Nach der damaligen Trennung wurde alles nur noch schlimmer. Ein Revival jagte das nächste. Erst kam das Musical. Dann zwei Filme. Und je mehr Jahre ins Land gingen, desto verklärter wurde der Blick auf die Band. Ja, irgendwann wurde sogar das letzte Tabu gebrochen und Abba mit den Beatles verglichen. Den Beatles – Herr wirf Hirn vom Himmel!

Abba war niemals auch nur ansatzweise so vielseitig oder originell. Im Gegenteil. Ganz egal, um welchen Stil in welchem Song sie sich gerade bemühten. Letztendlich klingt alles gleich. Wieso sonst spricht man seit beinahe einem halben Jahrhundert vom „typischen Abba-Sound“? Wegen der Vielseitigkeit, der stilistischen Virtuosität? Unfug! Bei dieser Band klingt doch sogar das traurigste Moll noch wie ein zuckerwatteweiches Dur.

Am schlimmsten aber ist das Trauma, das das Phänomen Abba in den 1970er-Jahren bei der damaligen Jugend hinterlassen hat. Jungs fanden Abba doof. Mädels fanden Abba toll. Aber die meisten Jungs fanden nun mal wieder Mädels toll. Was unweigerlich zu irreversiblen musikgeschmacklichen Verrenkungen geführt hat. Ist es da noch ein Wunder, wenn die Generation der Boomer heute so verstört durchs Leben schleicht?

Die Sicht eines glühenden Abba-Fans

von Elke Schröder

Es war 1978: Die ganze Familie saß vor dem Fernseher und schaute Rudi Carrells „Am laufenden Band“. Plötzlich sprang ein gut gelauntes Quartett aus Schweden auf die Bühne und sang „Take a Chance on Me“: Abba. Ich war zehn Jahre alt. Der Rhythmus zum Mitwippen, der witzige Sprechgesang im Hintergrund und die bunt glänzenden Outfits mit großen Tiermotiven dieser zwei verliebten sympathischen Paare begeisterten mich.

Wenige Monate später wurde ich durch „The Album“, Soundtrack zum Australientournee-Film „The Movie“, zum glühenden Abba-Fan, gemeinsam mit meiner besten Schulfreundin. Es blieb unser Geheimnis. Über Musik, die auch den Eltern gefiel, sprachen wir in der Klasse nicht. Das war peinlich.

Eingängig, aber nicht einfältig: Jedes Lied auf „The Album“ vermittelte eine andere Stimmung – mal überbordende Fröhlichkeit, mal nordische Melancholie, mal fügte sich alles clever zusammen. Bereits der Auftakt mit „Eagle“ klang so ganz anders als der Ohrwurm „Take a Chance on Me“. „Waterloo“ fand ich albern, aber im Song über die Freiheit eines Adlers begaben sich die Stimmen von Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad auf einen unglaublichen Höhenflug. „Eagle“ holte endlich diejenigen musikalisch vom Flughafen ab, die dort seit 1974 mit Reinhard Meys „Über den Wolken“ festsaßen.

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Es gab das herzerwärmende Reiselied „Move on“, das die Gefühle von Abschied und Aufbruch so treffend vermittelte, oder das sperrige „The Name of the Game“, das man mehrfach hören musste, um es zu lieben. Nicht zu vergessen das verrückte „Hole in Your Soul“ zum Austoben. Zudem drei Szenen eines „Mini-Musicals“, darunter „Thank You for the Music“.

Doch Abba war immer auch die Geschichte zweier Liebespaare – Harmonie inszeniert auf Hochglanz-Postern. Das Quartett lieferte eine Projektionsfläche für die Illusion einer heilen Welt mit ewiger Liebe, Freundschaft und Erfolg. Zerstört wurde sie 1979 mit der Trennung von Björn und Agnetha. Ein hartes Erwachen für viele junge Fans, die nur „Dancing Queen“ hören wollten und noch nicht Liebeskrisen-Texte wie beispielsweise in „Knowing Me, Knowing You“. So wurde aus der Verehrung kindliche Enttäuschung und Wut. Es war Zeit, sich zu lösen.

40 Jahre später blickt die Gruppe mit „I Still Have Faith in You“ auf ihre Geschichte zurück und trifft wieder mitten ins Herz vieler Fans: Die Liebe geht, die Musik und die Freundschaft bleiben und bereiten den Boden für etwas Neues mit der Avatar-Konzertshow. Das versöhnt und macht glücklich. Es ist wie das späte Happy End für einen unvollendeten Lieblingsroman. Noch einmal wird Abba generationsübergreifend zum treuen, bittersüßen Begleiter für alle Lebenslagen.

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