Ausstellung in KölnMuseum Ludwig widmet Isamu Naguchi eine Retrospektive

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Isamu Noguchi

Ein Blick in die Ausstellung im Museum Ludwig 

Köln – Isamu Noguchi schaut vom Mars auf die Welt. Sand bildet die Oberfläche, aus der ein Gesicht mit einem Spitzdach als Nase, einem ellipsenförmigen Erdwall als Stirn, zwei Augentürmen und einem Mund in Form einer Kaffeebohne erinnert. Erschrocken wirkt der Gesichtsausdruck, der vor allem vom Schatten lebt.

Der amerikanisch-japanische Bildhauer (1904 –1988) nahm die außerirdische Perspektive für seine „Sculpture to Be Seen from Mars (Memorial to Man)“ ein. Das riesige Gesicht ist als Erinnerung an die Menschheit angelegt, die die Erde mit Kultur geformt, aber auch zerstört hat. Noguchi entwarf es unter der Schockwirkung der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

Großer Einfluss auf Design und moderne Kunst

Das Museum Ludwig widmet dieser Perspektive den letzten Raum seiner neuen Ausstellung „Isamu Noguchi“. Dessen Dilemma: Er stand dazwischen, hatte Wurzeln in beiden, nun verfeindeten Nationen. Anders als die 400 Meter lange Pyramide, die er 1933 im Mittleren Westen als Mahnmal der Bauern und ihrer Missernte aus nackter Erde auftürmte, wurde der Entwurf für sein Planeten-Gesicht von 1947 nie realisiert.

Die Retrospektive zeigt Samstag seinen enormen Einfluss auf Design und moderne Kunst. Während Noguchi in den USA und Japan stark wahrgenommen wird und in zahlreichen Museen zu sehen ist, kennt man ihn in Europa bislang kaum. Das Vitra-Museum in Weil am Rhein hatte ihn zwar schon vor 20 Jahren auf dem Schirm, allerdings mit dem Schwerpunkt Design. Das ist aber nur eine Facette. „Peter Ludwig hat ihn übersehen, wie viele andere europäische Sammler auch“, sagt Kuratorin Rita Kersting. Das liege womöglich daran, dass seinerzeit das Konzeptuelle mehr im Fokus gestanden habe, Noguchis Arbeiten einfach zu schön gewesen seien.

„Poetisch und leuchtend“, empfindet Yilmaz Dziewior, Direktor des Ludwig, die Schau. Und Kuratorin Rita Kersting entdeckt immer neue Bezüge, ist gebannt von den harmonischen Formen und der gleichsam starken, humanistischen Position: Zwischen den 1920er und 80er Jahren gab Noguchi politische Statements mit Denkmälern wider den Rassismus, fertigte Lichtobjekte, Bühnenbilder, Spielplätze und Gärten mit Blick auf die Verbindung von Kunst und Alltag.

Material zum Anfassen

Gemeinsam kuratierte das Museum Ludwig die Schau „Isamu Noguchi“ mit dem Zentrum Paul Klee in Bern und dem Barbican in London und organisierten mit dem LaM – Lille Métropole Musée d'art moderne, d'art contemporain et d'art brut . Die Isamu Noguchi Foundation and Garden Museum, New York, unterstützten.

Es gibt begleitende Workshops für Schulen und Fortbildungen für Lehrer. Das Noguchi-Lab lädt Kinder sonntags zwischen 11.30 und 17.30 Uhr zur kreativen Auseinandersetzung mit den Materialien ein. Zwei knallrote „Play Sculptures“ dürfen die Kinder in der Ausstellung jederzeit zum Spielen erstürmen. (jan)

Heute, so Kersting, orientierten sich viele junge Künstler an dem Kosmopoliten, der als Assistent des Bildhauers Constantin Brâncuși sein Gespür für Holz und Stein entwickelte und Reisen nach Europa, Asien, Indien, Mexiko und Hawaii unternahm. In China studierte er Pinselzeichnungen, in Japan Töpfern, Ikebana und Gartenkunst.

Landschaften formte er, legte Parks und Gärten an und Spielplätze. International arbeitete er mit Architekten wie Le Corbusier, Marcel Breuer, Kenzo Tange, Louis Kahn oder seinem engen Freund, den Erfinder und Baumeister Buckminster Fuller. Er wirkte für die Tänzerin Martha Graham, schuf Bühnenbilder, die so archaisch anmuten, dass sie auch ohne Akteure spannend sind. Mit Fuller entdeckte Noguchi einen Kosmos neuer Materialien. Bakelit war ihm so vertraut wie Birnenholz, und unter seine Porträtbüsten reiht sich auch schon mal ein kopfförmiges Babyphone. 1932 ging sein Wecker sogar in Massenproduktion. Lichtkunstwerke sind seine Papierlampen, „Akari“, die manchmal eine ganze Zimmerdecke einnehmen. Es ist ein Füllhorn. Noguchi, der alles Akademische ablehnte, sich seine Lehrer lieber selbst aussuchte, verbindet Mensch und Umwelt mit seinen „Interlocking Sculptures“, surrealistischen Skulpturen aus den 1940er Jahren. Sie erinnern an Menschenkörper, können spielerisch gegenübertreten, oder im Todeskampf.

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Nach dem Angriff auf Pearl Harbour ging Noguchi 1942 freiwillig in ein Internierungslager für japanischstämmige Amerikaner in Arizona – und wurde dort festgehalten. „Er hatte einen Plan für diesen heißen Ort“, sagt Kersting. Er habe Wasser für Pflanzen organisieren wollen. „Aber das blieb Fata Morgana.“

Bis 31. Juli, Di bis So 10 – 18 Uhr, Heinrich-Böll-Platz.

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