Kolonialismus-KritikRJM in Köln zeigt „Resist! Die Kunst des Widerstands“

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Peju Layiwolas Aktion von 2014 gegen den Palastraub von Benin aus dem Jahr 1897.

Peju Layiwolas Aktion von 2014 gegen den Palastraub von Benin aus dem Jahr 1897.

Köln – „Nicht über uns ohne uns“ ist ein Motto der internationalen Ausstellung „Resist!“ im Rautenstrauch Joest Museum. Insofern findet es Direktorin Nanette Snoep bei aller Freude über die Eröffnung an diesem Donnerstag „doch ein bisschen tragisch“, dass das vitale Teilhabe-Konzept der Schau von Corona zumindest zur Zeit arg eingedampft wirkt.

500 Jahre antikolonialer Widerstand des globalen Südens – dieses Thema soll hier eben nicht aus westlicher Museumssicht, sondern aus den vielfach gebrochenen Perspektiven der einst Versklavten oder Ausgebeuteten beleuchtet werden.

Corona bremst den Live-Charakter

Diese meist unerzählten Geschichten sollten auch jene sechs Künstlerinnen und Aktivistinnen bezeugen, denen das Museum gewissermaßen Carte blanche für die Gestaltung ihrer Räume gab. Die gibt es, aber ob die ausländischen Frauen und viele der rund 40 Gastkünstler nach Köln kommen können – ungewiss.

Auch die im apart-labyrinthischen Parcours verteilten „Live Speaker“ (entweder Nachfahren von Kolonialisierten oder Opfer von Rassismus) stoßen wohl erst später dazu. Doch mittendrin in der aktuellen Debatte ist das RJM trotzdem. So gibt man der nigerianischen Künstlerin Peju Layiwola einen dieser sechs „It’s Yours!“-Räume, in dem die Enkelin eines Königs von Benin den europäischen Palastraub von 1897 kritisiert.

Blick auf die Benin-Bronzen des RJM.

Blick auf die Benin-Bronzen des RJM.

Das Museum besitzt mit 96 nun erstmals komplett ausgestellten Objekten die viertgrößte Sammlung von Benin-Bronzen in Deutschland, und Snoep sitzt schon im internationalen Beirat für das geplante Museum in Benin-City. Dorthin werden die einst nach London entführten Werke eines Tage wohl restituiert werden. „No resistance without music“, meint die Brüsseler Soundkünstlerin Rokia Bamba, die ihre Collage aus Widerstandssongs durch die Räume schickt und auch Besucherstimmen sammeln soll.

„Die Kunst des Widerstands“ gleich zweifach eingelöst

Der Untertitel „Die Kunst des Widerstands“ wird im doppelten Sinn eingelöst: Die moderne Ausstellungsarchitektur von „Raumlaborberlin“ spannt auf Lüftungszylindern ein Netz roter Balken unter die Hallendecke, das alles mit allem verknüpft. Und fünf Kapitel deklinieren das Thema von gewaltsamer bis zu diplomatischer Rebellion und Traumatherapie durch.

So attackieren „The Singh Twins“ aus Liverpool den englischen Kolonialstolz, indem sie auf einem Textil-Triptychon das Massaker britischer Truppen gegen indische Demonstranten in Amritsar von 1919 zeigen. Ebenso bunt, symbolträchtig wie brutal. Im Schockraum der Ausstellung dokumentieren Esther Muinjangue und Ida Hoffman den Völkermord an den Herero und Nama in schockierender Drastik – ein entsprechender Warnhinweis fürs Publikum wird angebracht. Auch dies ist ein „It’s Yours!“-Bezirk, in dem das Museum seine Deutungshoheit an die Künstlerinnen abgibt. Das gilt auch für Timea Junghaus’ Raum über die Unterdrückung von Sinti und Roma, in dem auch die abscheulichen Experimente der NS-Rassenforscher dokumentiert sind. Doch es geht nicht nur um Leid, sondern auch um Selbstermächtigung, wie Selma Selmans Protest-Performance „You have no idea“ beweist. Anfang September soll sie auch in Köln performen.

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Die thematische wie ästhetische Palette ist breit: Da sieht man Peter Magubanes Fotos vom Anti-Apartheidskampf in Südafrika oder die Scherenschnittvideos von Kara Walker über die Brutalitäten von Sklaverei und Rassismus in Nordamerika.

Snoep betont, dass das Museum die Ausstellung auch zur Selbstreflexion nutzt, so sind Sammlungsstücke immer wieder strategisch im Rundgang platziert, etwa eine sakrale Skulptur aus Kamerun, die nach einer dortigen Widerstandsaktion zur Strafe beschlagnahmt wurde. Auch ein Thron von König Njoya ist u sehen, der mit den deutschen wie französischen Besatzern diplomatisch geschickt taktierte und die eigene Kultur bewahrte.

Nach sehr viel Schmerz und Kampf steht am Ende ein künstlerischer Exorzismus: Ayrson Heráclito zeigt in zwei Videos, wie durch ein Blätter-Ritual der Ungeist der Sklaverei sowohl im brasilianischen Bahia wie auf der Insel Gorée vor Senegal ausgetrieben wird. Der großartige Schlusspunkt einer vielstimmigen, auf- und anregenden Ausstellung, die das RJM als hellwaches Haus der „Kulturen der Welt“ zeigt.

1. April bis 5. September, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, 1. Do im Monat bis 22 Uhr. Cäcilienstraße 29-33.

Zeitfensterbuchung unter museeenkoeln.de

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