Garrelt Duin von der Handwerkskammer Köln„Wir brauchen einen Masterplan Verkehr“

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Garrelt Duin (Mitte) schaut sich gerne auch selbst an den Orten des Geschehens um.

  • Garrelt Duin ist seit September 2019 Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer in Köln.
  • Im Gespräch mit uns spricht er über die Möglichkeiten und Wünsche, die er für das Handwerk hat.
  • Außerdem verrät er, was er von der Bonpflicht hält.

Köln – Seit Mitte September 2019 ist Garrelt Duin Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln. Über die Stadt, Verkehrsprobleme in der Region und die Bonpflicht äußerte er sich Redaktionsgespräch der Rundschau, aufgezeichnet von Ralf Arenz.

Herr Duin, Sie sind von außen nach Köln gekommen. Da hat man unter Umständen einen anderen Blick auf die Stadt. Was sind für Sie die Stärken Kölns?

Duin: Als ich im Frühsommer gefragt wurde, ob ich mich als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer bewerben wolle, habe ich mich mit meiner Familie besprochen. Köln kann man sehr gut machen, war unser Ergebnis. Zum einen wegen der Größe. In einer Millionenstadt können Sachen eher aus einem Guss gelöst werden. In den 80er und 90er Jahren war ich auch oft am Wochenende in Köln bei Freunden. Aus Ostfriesland kommend hat mich die Lebendigkeit in Kultur und Gastronomie fasziniert. Köln wächst und prosperiert, es gibt hier nicht den Tenor, dass die Stadt Hilfe von außen braucht. Und Hans Peter Wollseifer, der Präsident der Kölner Kammer und des Zentralverbands des Handwerks, ist nicht irgendein Präsident.

Und was sind Schwächen?

Der Verkehr, auch wenn der in anderen Ballungsräume ebenso dramatisch ist. Geld und der politische Wille für den Ausbau der Infrastruktur sind jetzt da, das Verwaltungsverfahrensrecht  verzögert aber Umsetzungen. Da unterstützen wir jeden, der für Beschleunigung eintritt. Das Handwerk würde sich  auch gerne in eine Generaldebatte über Mobilitätskonzepte einmischen. Wir brauchen einen neuen Masterplan Verkehr. Der sollte in der nächsten Legislaturperiode des Rates entwickelt werden.

Welche konkreten Wünsche hat das Handwerk?

Handwerker müssen Aufträge in den Innenstädten erledigen können. Wenn sie eine neue Heizung anliefern, dann können sie nicht hundert oder mehr Meter entfernt vom Einsatzort parken. Und wenn der Individualverkehr eingeschränkt wird, brauchen wir Ausnahmen für unsere Fahrzeuge. Dabei müssen wir auch für Notfälle gewappnet sein und können kein Antragsverfahren starten, wenn eine Heizung ausfällt. Auch Handwerker aus Frechen oder Troisdorf müssen nach Köln oder Bonn fahren können, um dort zu arbeiten.

Zur Person

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Seit Mitte September 2019 ist Garrelt Duin Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln.

Garrelt Duin wurde 2. April 1968 in Leer/Ostfriesland geboren. Er studierte Rechtwissenschaften und evangelische Theologie in Bielefeld und Göttingen und legte 1998 das 2. Juristische Staatsexamen ab. Von 2000 bis 2005 war er Mitglied des Europäischen Parlaments, von 2005 bis 2012 Bundestagsmitglied.

Er war Wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und Mitglied des „Seeheimer Kreises“. 2012 wechselte er als Wirtschaftsminister nach NRW. Nach dem Regierungswechsel arbeitete er von Februar 2018 bis August 2019 als Personalchef in der Anlagenbausparte von ThyssenKrupp.

Seit Mitte September ist er Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln. Duin ist verheiratet und hat ein Kind. (raz)

Die Branche ist gut ausgelastet. Wie lange muss man auf einen Handwerker warten?

Bau- oder Ausbaugewerbe haben gerade rosige Zeiten. Da gibt es Wartezeit bei planbaren Arbeiten. Andererseits haben wir mit 33.917 Handwerksbetrieben im Kammerbezirk so viele wie noch nie. Auch die Ausbildung ist auf einem hohen Niveau. Und die Zahl der Auszubildenden wird steigen, weil in zwölf Gewerken wieder die Meisterpflicht eingeführt wurde und Meisterbetriebe ausbilden. Wir könnten aber stärker wachsen, wenn wir mehr Leute hätten.

Wo sollen die Fachkräfte herkommen?

Zu einen gewinnen wir Flüchtlinge für das Handwerk. Wie setzen auch auf Anwerbungen im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Bislang kümmern wird uns im Rahmen der Arbeitsteilung der bundesdeutschen Kammern speziell um Zuwanderung aus der Türkei. In Zukunft erwarten wird verstärkt Arbeitskräfte aus Indien, Vietnam, Brasilien oder weiteren südamerikanischen Staaten. Da möchten wir uns speziell um Brasilien kümmern, weil es zahlreiche Verbindungen von Köln nach Brasilien gibt wie etwa die Städtepartnerschaft mit Rio de Janeiro.

Das Handwerk wirbt bereits um jungen Menschen, die bereits hier sind. Müssen Sie da mehr tun?

Wir wollen noch stärker vor Ort für die duale Ausbildung werben. Immer mehr junge Menschen machen Abitur. Das muss aber nicht zu einem Studium führen. Auch im Handwerk verdienen die Mitarbeiter gut. Die Schule spricht derzeit zu wenig davon, was danach kommt. Wir würden gerne in die Schulen kommen und aus dem Handwerk berichten. Wir können jeden, der will, zu einem guten Handwerker machen. Bei uns finden auch junge Menschen, die kein Abitur gemacht haben ihren Platz.

Sie sind in einer Krise Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer geworden. Sind die Themen aufgearbeitet?

Es laufen noch Ermittlungen gegen ehemals Verantwortliche. Die Tochtergesellschaft BuB, um die es ging, ist inzwischen liquidiert. Die Auslandsprojekte in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsministerium und mit Entwicklungsgesellschaften wie der GIZ führen wir fort, haben diese aber in die Kammer integriert. Wir wollen künftig noch nicht einmal den Anschein erwecken, dass da etwa nicht in Ordnung ist. Viele der Maßnahmen wurden aber schon ergriffen, bevor ich Hauptgeschäftsführer wurde.

Hat sich die Bonpflicht in Bäckereien inzwischen eingespielt?

Niemand braucht den Kassenbon beim Brötchenkauf und niemand will ihn. Wir sind mit dem Wirtschafts- und dem Finanzministerium im Gespräch, um eine Lösung zu finden. Wir wollen Steuerbetrug ausschließen und den Wahnsinn an der Theke beenden.

Sie sind Aufsichtsratschef des Stadtwerkekonzerns geworden, nach Turbulenzen ausgelöst dadurch, dass der damalige SPD-Fraktionschef Martin Börschel ohne Ausschreibung zum hauptamtlichen Geschäftsführer ernannt werden sollte. Da war wieder vom Kölschen Klüngel die Rede.

Der Stadtwerkekonzern hat sich in den letzten eineinhalb Jahren beruhigt und Netzwerke gibt es auch woanders. Aber klar ist, dass Dinge, die nicht in Ordnung sind, nicht entschuldigt werden mit dem Hinweis: Das ist halt Köln. Entscheidungen müssen heute transparenter sein. Die Angelegenheit hat aber viel Vertrauen unter den politisch Handelnden zerstört. Entscheidungen dauern heute länger, weil viel mehr Gespräche mit immer mehr Leuten nötig sind.

Bleibt es bei der derzeitigen Struktur mit drei ehrenamtlichen Geschäftsführern?

Wir haben externen Rat eingeholt und wir haben wieder Ausschüsse gebildet, darunter einen Präsidialausschuss, der sich mit der künftigen Struktur in den nächsten Monaten auseinandersetzen wird. Ich gehe davon aus, dass wir Anfang nächsten Jahres dazu eine Entscheidung treffen.

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Befürchten Sie Interessenskonflikte zwischen dem Amt und ihrer Tätigkeit in der Handwerkskammer?

Wir haben das mit zwei juristischen Stellungnahmen prüfen lassen. Beide sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es den Konflikt nicht gibt. Sollte es dennoch zu einem nennenswerten Interessenkonflikt kommen, also müsste sich der Hauptgeschäftsführer gegen die Stadtwerke positionieren, geht die Handwerkskammer vor. Bislang sehen wir einen derartigen Konflikt nicht.

Sie wollen beide Positionen weiter bekleiden?

Ich gehe davon aus, dass der Stadtrat über die Besetzung der Ämter neu entscheiden wird, wenn er konstituiert wird. Ich mache das also bis zum Ende des Jahres und dann wird man das diskutieren.

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