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Langzeit-KrankschreibungMinisterin verurteilt Fall von 16 Jahre krankgeschriebener Lehrerin

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Auch die nordrhein-westfälische Schulministerin regt der Fall einer seit fast 16 Jahren krankgeschriebenen Lehrerin auf. (Archivbild)

Auch die nordrhein-westfälische Schulministerin regt der Fall einer seit fast 16 Jahren krankgeschriebenen Lehrerin auf. (Archivbild)

Schulministerin Feller bezeichnet die langjährige Krankschreibung einer Lehrerin als inakzeptabel. Behördenfehler werden ebenfalls kritisiert.

Nach dem Aufsehen erregenden Fall einer Lehrerin aus dem Ruhrgebiet, die rund 16 Jahre lang krankgeschrieben war und weiterhin regulär Gehalt bezog, haben die Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen keine vergleichbaren Fälle festgestellt. Laut einem Bericht von Schulministerin Dorothee Feller an den Landtagsausschuss für Schule und Bildung handelt es sich um ein „gravierendes Fehlverhalten im Einzelfall“.

Die CDU-Politikerin stellte klar, dass der Fall kein allgemeines Bild auf das nordrhein-westfälische Lehrpersonal werfe: „Das ist nicht repräsentativ für unsere Lehrkräfte oder die Verwaltungsmitarbeitenden.“ Über 200.000 Lehrkräfte im Land engagierten sich täglich für ihre Schülerinnen und Schüler.

Die betroffene Lehrerin war seit 2009 durchgehend dienstunfähig gemeldet und legte regelmäßig Atteste vor – eine amtsärztliche Begutachtung wurde in all den Jahren jedoch nie veranlasst. Erst Anfang dieses Jahres kam es zu einer Überprüfung, als ein neuer Sachbearbeiter bei der Bezirksregierung Düsseldorf den Fall übernahm. Die Lehrerin klagte daraufhin gegen die Anordnung zur amtsärztlichen Untersuchung – verlor jedoch in zwei Instanzen. Damit rückte der Fall erst in die öffentliche Aufmerksamkeit.

Schulministerin nimmt kein Blatt vor den Mund

Auch mit Kritik an der Bezirksregierung und insbesondere an der betroffenen Lehrerin hielt Schulministerin Dorothee Feller nicht hinter dem Berg. Auf die direkte Nachfrage der FDP-Abgeordneten Franziska Müller-Rech, ob die seit Jahren krankgeschriebene Beamtin womöglich wieder in den Schuldienst zurückkehren könne, reagierte Feller zurückhaltend. Zwar wolle sie dem laufenden Disziplinarverfahren nicht vorgreifen, machte aber deutlich, dass die Zusammenarbeit der Lehrerin mit den Behörden bislang wenig konstruktiv verlaufe.

So gebe es unter anderem keine klare Auskunft der Beamtin zu dem Vorwurf einer möglichen unerlaubten Nebentätigkeit. Feller dazu wörtlich: „Das ließe sich schnell klären – ein Anruf mit der Antwort ‚Ja, habe ich‘ oder ‚Nein, habe ich nicht‘ würde genügen.“

Feller: „Ich habe da keine Worte für“

Die Frau arbeite jedoch nicht mit. „Das ist so unkollegial, dieses Verhalten und so gegen jede Loyalität, auch gegenüber dem Staat und der Beamtenpflicht - ich habe da keine Worte für. Punkt.“, schimpfte die oberste Dienstherrin aller Lehrkräfte in NRW. 

Ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet. (Symbolbild)

Ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet. (Symbolbild)

In ihrem Bericht an den Landtag bezeichnete Schulministerin Dorothee Feller den Fall als „nicht zu entschuldigen“ und in seinem Ausmaß „nicht nachvollziehbar“. Sowohl das Verhalten der Lehrerin als auch die lange Untätigkeit der Bezirksregierung Düsseldorf seien inakzeptabel.

Auch Düsseldorfs Regierungspräsident Thomas Schürmann zeigte sich selbstkritisch. Im Ausschuss sprach er von mehreren „eklatanten Fehlern“ innerhalb seiner Behörde. Besonders ungewöhnlich sei, dass über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren ein und dieselbe Person mit dem Fall betraut war – obwohl das geltende Rotationsprinzip eigentlich einen regelmäßigen Wechsel vorsieht. Ebenso unverständlich sei es, dass in all den Jahren keine amtsärztliche Untersuchung angeordnet wurde.

Wink der Schulleitung ignoriert

„Es gab auch diverse Hinweise der Schulleitung“, berichtete Schürmann. „Auch das hat nicht dazu geführt, dass die notwendigen Schritte veranlasst worden sind.“ 

Ab dem Jahr 2017 wurde die Lehrkraft – entgegen aller geltenden Vorschriften und Richtlinien – auf ein sogenanntes Schulaufsichtskonto umgebucht. Dadurch war sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ihrer ursprünglichen Schule in Wesel zugeordnet. Als Konsequenz wurden die Kontrollmechanismen an dieser Stelle verstärkt, und gegen die damals verantwortliche Verwaltungsfachkraft wurde ebenfalls ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Die FDP-Opposition wittert hinter den Dauerkrankschreibungen einer Lehrerin Veruntreuung von Steuergeldern. (Symbolbild)

Die FDP-Opposition wittert hinter den Dauerkrankschreibungen einer Lehrerin Veruntreuung von Steuergeldern. (Symbolbild)

Die FDP-Abgeordnete Müller-Rech sprach von einem erschütternden Fall von Veruntreuung von Steuergeldern. Empörend sei der Vorgang vor allem für alle rechtschaffenen Lehrkräfte. „Diese Lehrerin sollte nie wieder vor einer Klasse stehen mit so einer Haltung“, sagte die Freidemokratin.

SPD findet Krankheitsstatistik alarmierend

Die SPD-Abgeordnete Dilek Engin forderte vom Schulministerium einen vertieften Blick auf die Krankenstatistiken. Nach Angaben des Ministeriums waren im vergangenen Jahr 9.848 von insgesamt mehr als 224.000 Lehrkräften länger als 30 Tage krank. Engin nannte die Zahlen einen Hilfeschrei: „Die Lehrkräfte brauchen Entlastung.“

Stefan Behlau, Landesvorsitzender des Lehrerverbands Bildung und Erziehung, unterstrich, dass die verständlich emotional geführte Debatte nicht zulasten derjenigen gehen dürfe, die wegen schwerer Erkrankungen langfristig oder dauerhaft ausfallen. „Kranke Menschen dürfen nicht pauschal verdächtigt werden. Sie haben Anspruch auf faire Verfahren, Transparenz, den Schutz ihrer Privatsphäre und vor allem auf eine nachhaltige Genesung.“ Langfristige Krankschreibungen seien zudem stets Ausnahmefälle. (dpa)