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Abschiebe-Haftanstalt unter Druck„An den Grenzen des Machbaren“

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ARCHIV - 10.08.2018, Nordrhein-Westfalen, Büren: Ein Insasse steht vor einem vergitterten Fenster in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren.

Büren: Ein Insasse steht vor einem vergitterten Fenster in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige. 

Die Zahl der Abschiebungen in NRW steigt kontinuierlich – mit gravierenden Folgen für die Haftanstalt in Büren. Eine zweite Abschiebehaft in Mönchengladbach soll Entlastung bringen.

Die Zahl der Abschiebungen von Ausreisepflichtigen steigt in Nordrhein-Westfalen. Das ist politisch gewollt, stellt allerdings das Personal der Abschiebehaftanstalt in Büren vor ernste Probleme, wie Mitglieder des Landtags-Integrationsausschusses vor Ort erfuhren. Die kleine Delegation aus CDU-, SPD- und Grünen-Politikern hatte Ende September eine Informationsfahrt nach Büren unternommen.

In ihrem jetzt veröffentlichten Bericht attestieren sie zwar der Anstaltsleitung, sie gehe im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten sehr fürsorglich und verantwortungsvoll mit den Insassen und den Mitarbeitenden um. Die Lage sei aber insgesamt angespannt.

Welche Probleme gibt es in der Einrichtung?

Die aktuell mit 160 Unterbringungsplätzen ausgestattete Einrichtung im Kreis Paderborn ist zu einem großen Teil ausgelastet. Im Schnitt seien dort im dritten Quartal 2025 monatlich 148 Personen untergebracht gewesen, berichtete das NRW-Fluchtministerium am Donnerstag. Viele von ihnen kommen demnach aus Marokko, aus der Türkei, Algerien, Irak und Syrien. Etwa die Hälfte der zuletzt Aufgenommenen befindet sich in Sicherungshaft. Damit ist die Haft zur Sicherung der Abschiebung gemeint. Im September standen 160 Aufnahmen 185 Entlassungen gegenüber. Mit „Entlassung“ ist fast immer eine Abschiebung gemeint.

Weil gerade viele Menschen in Büren untergebracht seien und die Personaldecke dünn sei, stoße die Leitung der Haftanstalt „an die Grenzen des Machbaren“, schreiben die Landespolitiker in ihrem Bericht für den Integrationsausschuss. Zur Entlastung des Personals würden auch Ruheständler eingesetzt, heißt es. Die Lage der Haftanstalt im ländlichen Westfalen erschwere allerdings die Suche nach Personal. Besondere Aufgaben, zum Beispiel die Versorgung von Häftlingen bei Fachärzten außerhalb der Anlage, erhöhten den Stress der Beschäftigten noch.

Der zunehmende Druck, viele Menschen schnell abzuschieben, führe zu Spannungen unter den dort Untergebrachten, erklärt die Delegation weiter. Weil die Ausländerbehörden immer mehr Menschen nach Büren schickten, gebe es dort auch „immer schwierigere Fallkonstellationen“, vor allem bei Menschen, die in der Haft nicht angemessen medizinisch behandelt werden könnten.

„Es erschließt sich nicht, warum zum Beispiel ein Dialysepatient in Abschiebehaft verbracht werden soll, der ständig die entsprechende intensive Behandlung benötigt und deshalb immer aufzufinden ist“, schreibt Integrationsausschuss-Vorsitzender Gregor Kaiser (Grüne).

Wie entwickelt sich die Zahl der Abschiebungen?

In NRW steigt sie seit 2022 kontinuierlich. Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben des NRW-Fluchtministeriums mit 4440 Rückführungen und Überstellungen an andere für die Asylverfahren zuständige EU-Länder rund 21 Prozent mehr Abschiebungen als im Jahr 2023 (3663). Mit insgesamt 3007 rückgeführten Frauen, Männern und Kindern wurden im Jahr 2024 deutlich mehr Menschen über die Flughäfen in NRW abgeschoben als im Vorjahr.

Das geht aus dem im September veröffentlichten Jahresbericht 2024 der unabhängigen Abschiebungsbeobachtung durch das Diakonische Werk hervor. Der Trend zu mehr Abschiebungen scheint sich 2025 fortzusetzen, so das Fluchtministerium. Bis Ende Juli seien etwa 2800 Rückführungen durchgeführt worden.

Wie sollen die Abschiebungen beschleunigt werden?

Neue Maßnahmen zur Abschiebung sind in NRW Teile eines großen Sicherheitspaketes, das unter dem Eindruck des islamistischen Terroranschlags von Solingen geschnürt wurde. Die gesamte Erlasslage dazu soll demnach überprüft, Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft „konsequent“ angewendet werden.

Das Paket beinhaltet die Einrichtung von drei zusätzlichen Asylkammern bei den Verwaltungsgerichten sowie mehr Rechte für die fünf Zentralen Ausländerbehörden zur Unterstützung bei Abschiebungen. Außerdem gehört die Planung einer zweiten Abschiebehaftanstalt dazu.

Wo soll diese zweite Abschiebehaft entstehen?

In Mönchengladbach, auf einem ehemaligen Militärgelände. Sie soll bis zu140 Unterbringungsplätze bekommen, hatte NRW-Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) im Januar angekündigt. Seitdem ist es allerdings still um das Projekt. Laut dem NRW-Fluchtministerium gibt es derzeit keinen neuen Sachstand. Planung und Genehmigung einer so speziellen Einrichtung seien schon aus Sicherheitsgründen aufwendig, heißt es.

Beobachter rechneten zuletzt nicht damit, dass die Einrichtung noch vor der nächsten Landtagswahl 2027 den Betrieb aufnehmen kann. Die Zahl der Asylbewerber ist allerdings zuletzt auch in NRW deutlich zurückgegangen. Gegen das Projekt regt sich Widerstand in der Region Mönchengladbach. Ein Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern“ ruft zu Protest auf.